05-07-2013
Gesellschaft
HIV-Tests nur mit Namensnennung?

Offiziellen Schätzungen zufolge lebten Ende 2011 rund 780.000 Menschen mit HIV bzw. Aids in China. Nur rund 300.000 wissen aber überhaupt von ihrer Infektion und haben sie bei den zuständigen Behörden gemeldet. HIV-Träger sowie Aids-Kranke zu identifizieren, ist daher zu einer vordringlichen Angelegenheit geworden.

Das Autonome Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität im Südwesten Chinas ist die Region mit der zweithöchsten Infektionsrate im Land. Dort gibt es seit kurzem einen Verordnungsentwurf zur Aids-Prävention, demzufolge HIV-Tests nur unter Angabe des echten Namens möglich sein sollen.

Diese Entscheidung hat zu heftigen Debatten in der Öffentlichkeit geführt. Befürworter meinen, die namentliche Registrierung werde die Ausbreitung von HIV bzw. Aids verhindern. Die Gegner argumentieren, dass neben der weit verbreiteten Diskriminierung wiederum potenzielle Patienten vom Test abgehalten werden könnten, wenn vertrauliche medizinische Informationen publik werden.

Es folgen einige Pro- und Contra-Argumente in gekürzter Form.

 

Die Befürworter

Luo Shujie (gb.cri.cn): Ein großes Problem der Aids-Prävention besteht darin, dass positiv Getestete oft verschwinden, sobald sie von ihrem Ergebnis erfahren haben. Damit wird eine weitere Behandlung so gut wie unmöglich.

Ein Test mit Namensangabe könnte betroffenen Ämtern helfen, Patienten ausfindig zu machen und weiter präventiv tätig zu werden. Wenn Patienten und deren Familien, besonders die Sexualpartner, nicht über ihre Gesundheit informiert sind, wird die Situation gefährlich und unfair. Der Schutz der Privatsphäre der Betroffenen könnte dann die Gesundheit oder sogar das Leben der anderen gefährden. Es ist diese Sorge, die der Politik des nicht-anonymen Testverfahrens zugrunde liegt.  

Guo Songmin(Legal Daily): Jahrelang ist der Datenschutz bei Aids-Patienten in China überbewertet worden. Auch wenn dies in guter Absicht geschieht, führt es objektiv gesehen dazu, dass die Infizierten nahestehende Menschen, vor allem Ehepartner oder Lebensgefährten, Gefahr ausgesetzt sind, von denen sie nichts ahnen. Es ist seltsam genug, aber HIV-Träger und Aids-Patienten sind gegenwärtig in einer moralisch überlegenen Position, einige bedrohen die Gesellschaft sogar im Namen der Diskriminierung.

Übertriebener Datenschutz bei Aids-Patienten könnte zu einer schnelleren und versteckten Ausbreitung der Krankheit führen. Im heutigen China werden HIV- bzw. Aids-Patienten anonym getestet. Die meisten, die sich testen lassen, benutzen falsche Namen und, was noch schlimmer ist, verschwinden, nachdem sie ein positives Ergebnis erhalten haben. Das macht es fast unmöglich, genaue Statistiken zu HIV bzw. Aids zu erstellen.

Es gibt noch keine wirksamen Medikamente oder einen Impfstoff zur Prävention gegen HIV bzw. Aids. Das Ende der öffentlichen Diskriminierung von HIV-Infizierten hängt von einer besseren Aufklärung über die Krankheit und nicht vom Schutz der Privatsphäre ab. 

Guangxi geht mit gutem Beispiel voran, indem es HIV-Tests nur unter dem echten Namen zulässt. Der Rest des Landes sollte nachziehen. Die Privatsphäre von HIV-Infizierten und Aids-Erkrankten zu stark zu schützen, wird der Gesellschaft mehr schaden als nützen.

Liu Wenwen (cnhubei.com): Es gibt heute immer noch schwerwiegende Fälle von Diskriminierung bei Aids-Patienten. Daher könnte die namentliche Registrierung bei HIV-Tests viele potenzielle Virusträger davon abhalten, Testeinrichtungen aufzusuchen.

Es ist in Ordnung, die Namensregistrierung zu fördern, daneben sollte man aber endlich ein dringend benötigtes System zum Datenschutz entwickeln, damit Patienten sich sicher fühlen und bereit sind, bei der medizinischen Behandlung zu kooperieren. In einer sozialen und offenen Gesellschaft werden HIV- bzw. Aids-Patienten die namentliche Registrierung beim Test ganz selbstverständlich unterstützen.

 

Die Gegner

Meng Lin (gb.cri.cn): In der chinesischen Gesellschaft von heute ist die Diskriminierung von HIV-Infizierten und Aids-Kranken immer noch ein ernsthaftes Problem. Weitere vertrauliche medizinische Details publik zu machen, würde den Druck im täglichen Leben, auf der Arbeit und in der Familie noch erhöhen. Eine Gesetzgebung, die eine namentliche Registrierung fordert, wird Menschen lediglich vom HIV-Test abhalten.

Die Betroffenen fürchten, dass ihr Leben nach der Bekanntgabe ihrer Identität ruiniert sein könnte, das trifft vor allem auf die Gebildeteren und Angestellte großer Unternehmen zu. Daher denke ich, dass es noch zu früh ist, Bestimmungen über eine namentliche Registrierung beim Aids-Test einzuführen.

Huang Qichao (voc.com.cn): Auch wenn medizinische Einrichtungen versprechen, dass das Personal alles nur Mögliche unternehmen wird, um vertrauliche Patienteninformationen zu schützen, gibt es keine Garantie für eine hundertprozentige Sicherheit.

Huang Qichao (voc.com.cn): Selbst wenn das Personal in der Lage ist, Patientendaten absolut vertraulich zu behandeln, wird das fehlende Vertrauen Menschen immer noch von Tests unter ihrem echten Namen abhalten. Das könnte zu einem deutlichen Rückgang bei den HIV-Tests führen, was sich wiederum negativ auf Prävention und Kontrolle der Krankheit auswirkt.

Die Beseitigung der Diskriminierung wird eine entscheidende Rolle bei den sozialen Anstrengungen zur Bekämpfung von HIV und Aids spielen. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Diskriminierung ist einer der Hauptgründe, warum Menschen die namentliche Registrierung bei HIV-Tests ablehnen.

Wir leugnen nicht, dass einige Aids-Erkrankte sich möglicherweise an der Gesellschaft rächen wollen, die verwundbarsten Zielgruppen sind in diesem Fall entweder die Familie oder Sexualpartner. Die meisten Patienten werden aber natürlich ihrer Familie nicht schaden wollen. Für alle, die im Rotlichtmilieu arbeiten, könnte die Kenntnis des Aids-Risikos bei der weiteren Einführung von Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen hilfreich sein.

Wir denken, dass die namentliche Registrierung beim HIV-Test nur schrittweise gefördert werden sollte, da das Vertrauen in der Gesellschaft immer noch weitgehend fehlt.

Huang Xue (voc.com.cn): Ende 2011 lebten 780.000 Menschen mit HIV bzw. Aids in China, rund die Hälfte der Betroffenen, ohne überhaupt davon zu wissen. Warum also lassen sich so wenige Menschen testen? Und warum brechen manche sogar ihre Behandlung ab?

Die Antwort liegt in der weitverbreiteten Diskriminierung von HIV-Infizierten und Aids-Kranken. Die Mehrheit der Gesellschaft verhält sich ablehnend gegenüber den Betroffenen, was also sollte ein Test mit Namensnennung bringen? Viele HIV-Positive ziehen es vor, im Stillen vor sich hin zu leiden, statt diskriminiert oder von Familie und Freunden im Stich gelassen zu werden.

Es reicht nicht, den Kranken am Welt-Aidstag Mitgefühl entgegenzubringen. Träger und potenzielle Träger des HI-Virus brauchen echte Fürsorge und mehr Verständnis, damit eine vertrauensvolle Atmosphäre in der Gesellschaft entsteht.

Yang Tao (Legal Daily): Statistiken zeigen, dass die Anzahl der HIV-Tests in den Beijinger Gesundheitseinrichtungen seit Juli 2011 deutlich zurückgegangen ist. Ab diesem Zeitpunkt verlangte man von den Testwilligen nämlich die Vorlage eines Ausweises. Infolgedessen werden mehr HIV-Träger unbekannt bleiben und nicht behandelt werden, was wiederum das Infektionsrisiko steigert.

Das Fehlen einer Namensregistrierung beim HIV-Test mag den adäquaten Schutz für diejenigen, die unerkannt leiden, verhindern. Nach dem Strafgesetz ist es ein Verbrechen, jemanden absichtlich mit HIV zu infizieren. Wichtig sind Rechtsvorschriften, die die zuständigen Behörden dazu verpflichten, HIV-Positive über ihre juristische Verantwortung zu informieren.

Ich bin daher ziemlich besorgt über die Praxis in Guangxi, HIV-Tests nur mit Namensregistrierung durchzuführen. Das größte Problem für HIV- und Aids-Patienten ist die weitverbreitete Diskriminierung in China. Die meisten sind daher nicht bereit, einen Test zu machen oder sich behandeln zu lassen. Wenn sich die Gesellschaft eines Tages von dieser ablehnenden Haltung gegenüber HIV-Infizierten befreit, könnte es natürlich eine gute Idee sein, das bereits erwähnte System einzuführen.