06-06-2013
Gesellschaft
Düstere Jobaussichten für Hochschulabsolventen
von Yuan Yuan

 

Die steigende Anzahl von Arbeitssuchenden und ein unausgewogener Arbeitsmarkt bringen Uni-Absolventen in eine brenzlige Lage.

 

 

 

Letzte Vorbereitungen: Liao Weidong, Student an der Fudan-Universität von Shanghai, rückt vor einem Bewerbungsgespräch am 24. Mai noch schnell im Waschraum seines Wohnheims seine Krawatte zurecht.

  

 

 

Wohin soll es gehen? Arbeitssuchende bei einer Jobmesse der Universität von Nanchang (Provinz Jiangxi).

 

Sechs-hundert-neun-und-neunzig Millionen – so viele Studenten werden 2013 ihren Abschluss machen. Das Jahr verspricht die härteste Zeit für Jobsuchende in der chinesischen Geschichte zu werden.

Niemals zuvor gab es so viele Absolventen, die um die gleichen und noch dazu wenigen Jobangebote konkurrieren. Die Zahl der offenen Stellen sank gleichzeitig um 15 Prozent. Ohne Zweifel, der Arbeitsmarkt 2013 ist eine extrem ungemütliche Angelegenheit.

Bis zum 19. April hatten weniger als 30 Prozent der Absolventen in Beijing einen Arbeitsvertrag unterschrieben. In Shanghai sieht es ähnlich aus.

Erschien die Bezeichnung "Student" den Chinesen in den 1980er und 1990er Jahren noch als verheißungsvolles Versprechen, ist der Titel jetzt praktisch gleichbedeutend mit "bald arbeitslos".

 

Harte Realität

"In den späten 1990er Jahren lag die Zahl der Hochschulabsolventen bei knapp über 1 Millionen. Jetzt gibt es fast 7 Millionen", erklärte Xiong Bingqi, Vizepräsident des 21st Century Education Research Center in Beijing.

Der Grund dafür liegt in der wachsenden Zahl der Immatrikulationen in den späten 1990er Jahren, als die Regierung mehr Chinesen den Zugang zu einer höheren Bildung ermöglichen wollte. Damit hoffte sie auch, den Konsum im Land ankurbeln zu können, um die Auswirkungen der Finanzkrise in Asien abzuwehren und Druck vom Arbeitsmarkt zu nehmen.  

Die unkompliziertere Immatrikulation gab am Ende 70 bis 80 Prozent der Schulabgänger die Möglichkeit zu studieren. Zahlen des Bildungsministeriums zeigen, dass es schon 2009 über  sechs Millionen Hochschulabsolventen gab. Seitdem stieg ihre Zahl kontinuierlich weiter.

Die trostlose Arbeitsmarktsituation für Studenten ist schon seit Jahren ein Problem, 2013 ist sie lediglich noch etwas markanter geworden.

"Gleichzeitig haben sich die Studiengänge an den Unis nicht großartig verändert, da viele Hochschulen zu wenig marktorientiert sind und einfach nur massenhaft Studienfächer einrichten", sagt Xiong.

In den First-Tiers-Städten wie Shanghai, Beijing, Guangzhou oder Shenzhen, wo es die meisten Absolventen hinzieht, wohnen die meisten auf der Suche nach Jobs in billigen Mietwohnungen in der Altstadt oder den Vororten.

Drei Jahre lang waren Hochschulabsolventen das Forschungsobjekt von Lian Si, Stipendiat an der University of International Business and Economics in Beijing und später Forschungsstipendiat an der Peking University. 2009 prägte er für sie den Begriff "Ameisenstamm".

"Heute sind die Lebenshaltungskosten in diesen Städten noch höher, günstige Viertel verschwinden. Dadurch ist es für Absolventen noch viel schwieriger, eine günstige Unterkunft zu finden", erklärt Zhang Yi, Forscher im Professorsrang an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

Für den 25-jährigen Fan Lihui, der gerade seinen Master in Business Administration gemacht hat, ist die Situation schlimmer, als er es sich vorgestellt hat. „Ich habe meine Gehaltsvorstellung auf 2500 Yuan im Monat heruntergeschraubt, trotzdem hatte ich immer noch kein Bewerbungsgespräch", erzählte er dem Fernsehsender CCTV.

Nach einer Online-Umfrage von Anfang 2012 glauben die Chinesen, dass ein Angestellter in China über ein Monatsgehalt von 20.000 Yuan, ein eigenes Apartment mit mindestens zwei Schlafzimmern und ein Auto im Wert von rund 150.000 Yuan verfügt.

Auch wenn systematische Sozialstudien und statistische Analysen fehlen, spiegeln diese Aussagen in gewisser Weise die öffentliche Meinung über die finanziellen Voraussetzungen für ein sorgenfreies Leben angesichts steigender Preise in allen möglichen Bereichen -- von Immobilien bis hin zu Lebensmitteln -- wider. Sie seien ebenso ein Hinweis darauf, dass die Wahrnehmung von Arbeitsfähigkeit und sozioökonomischem Status eng verknüpft seien, so die Nachrichtenagentur Xinhua.

Yan Zhaolong, verantwortlich für die Nanjing Andemen Jobmesse für bäuerliche Wanderarbeiter, wird von Studenten überrannt, die sich nach Möglichkeiten, auswärts zu arbeiten, erkundigen. Die Messen endeten damit, dass ein Extraschalter für Absolventen eingerichtet wurde.

"Ich bin traurig darüber", sagt Yan, der selbst die 40 Jahre überschritten hat. "Zu meiner Zeit waren Studenten, die wir bewundert haben. Ich hätte nie gedacht, dass sie einmal so enden würden."

 

 Fehlende Marktorientierung

 

 

Er ist sein eigener Boss: Meng Xiangbo, Absolvent der Universität von Anhui, füttert die Tiere in seiner Haustierhandlung.

 

"Wenn ich noch mal zur Uni könnte…" lautet das Vorwort für eine Fotoschau im Internet. Studenten der Hangzhou Electronic Science and Technology University in der Provinz Zhejiang halten ihre Arbeiten über eine hypothetische zweite Chance als Studienanfänger in die Kamera.

Sie wünschen sich, das Studienfach zu wechseln, mehr Bücher zu lesen, häufiger ins Labor zu gehen, an mehr Campus-Aktivitäten teilzunehmen, weniger Computerspiele zu spielen oder zum Studium ins Ausland zu gehen.

"Ich glaube nicht, dass wir an der Uni etwas von praktischem Nutzen gelernt haben. Meine Kommilitonen denken das gleiche", erklärt Ballack, Student an der Hunan University in der Provinz Hunan, der bis zum 26. Mai noch keinen geeigneten Job gefunden hatte.

"Das Studentenleben ist zu leicht, es ist einfacher seinen Abschluss zu machen, als sich zu immatrikulieren. Ohne Selbstdisziplin lernst du nichts. Den Lehrern ist das ziemlich egal", erklärt Liu Tongxue, Studentin an der Shandong Normal University in der Provinz Shandong. Ihre Altersgenossen seien egozentrisch, denken nicht über ihre Kompetenzen für gute Jobmöglichkeiten nach.

Guo Hengyu, im zweiten Studienjahr an der Suzhou University of Science and Technology in der Provinz Jiangsu, sucht schon seit seinem Studienbeginn nach einem Job. „Wir müssen uns früh vorbereiten und mit Arbeitgebern sprechen, um zu erfahren, was für Leute sie suchen. Ich mache mir große Sorgen darüber, wie es sein wird, wenn ich meinen Abschluss habe."

 

Raus aus dem Elfenbeinturm

Die düsteren Aussichten haben einige Studenten jedoch dazugebracht, ihren Elfenbeinturm zu verlassen und der Realität ins Auge zu sehen. Liao Weidong, Chemiestudent im dritten Jahr an der Fudan-Universität von Shanghai, eine der Top-Unis in China, sucht jetzt schon nach einem Job.

Jedes Wochenende verlässt er den Campus für ein Praktikum und arbeitet regelmäßig bis Mitternacht. Als Leiter der Studentenvereinigung trainiert er mit Studenten Bewerbungsgespräche und organisiert Vorträge zum Thema Jobsuche.

"Auch wenn wir von einer Spitzenuniversität kommen, können wir nicht damit rechnen, auf dem Arbeitsmarkt willkommen zu sein", sagt er.