18-12-2012
Wirtschaft
Chinesischer Schuhhersteller schmettert Dumping-Vorwürfe der EU ab: Ein echter Sieg?

 

Siegesfeier: In einer Filiale in Yichang (Provinz Hubei) verkündet der Schuhhersteller Aokang auf einer LED-Anzeige seinen Sieg im Anti-Dumping-Verfahren der EU. (CFP)

 

Während chinesische Firmen weiterhin gegen den Protektionismus kämpfen, müssen sie gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte erhöhen.

 

Nach sechsjährigem Rechtsstreit hat der Europäische Gerichtshof am 18. November eine Anti-Dumping-Klage der EU zurückgewiesen und zugunsten des chinesischen Schuhherstellers Aokang aus der Provinz Zhejiang entschieden.

 

Da die EU die zweitgrößte Exportregion für Schuhe aus China ist, hieß es nach der Urteilsverkündung in einigen Medien, dass der Erfolg von Aokang für chinesische Schuhhersteller einen Präzedenzfall für künftige Anti-Dumping-Klagen und andere Handelsstreitigkeiten geschaffen habe. Medien zufolge bedeutet der Sieg neue Hoffnung für chinesische Produzenten im Kampf gegen den Protektionismus.

 

Sie könne den Enthusiasmus der Medien verstehen, erklärte Zhang Li, Forscher im Professorsrang an der Chinesischen Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit (CAITEC). Da die USA und die EU häufig zu protektionistischen Maßnahmen gegen chinesische Produkte greifen würden, sei jeder Sieg auf der chinesischen Seite ein Grund zum Feiern. Jetzt, da die Party zu Ende sei, sollten die Medien aber darüber nachdenken, ob die chinesische Industrie auch die Fähigkeit besitze, ihren Wettbewerbsvorteil zu erhalten und sich weiter zu entwickeln.

 

Aokangs Sieg

 

Seit den 1980er Jahren werden in der EU Schuhe aus China verkauft, der Umsatz stieg stetig. 1995 einigten sich einige europäische Länder darauf, eine Importquote auf Schuhe „Made in China" einzuführen, um die heimischen Schuhmacher zu schützen und das bestehende Preisniveau zu sichern.

 

Nach Chinas WTO-Beitritt im Jahr 2001 wurde die Importquote wieder fallengelassen, da Importbeschränkungen gegen Mitgliedsländer nicht zulässig sind. Die EU korrigierte ihre Politik jedoch erneut und startete Anti-Dumping-Untersuchungen gegen Schuhe „Made in China". Ab Oktober 2006 verhängte die Europäische Kommission dann für zwei Jahre einen Einfuhrzoll in Höhe von 16,5 Prozent auf chinesische Schuhe.

 

Nachdem die Anti-Dumping-Zölle 2009 ungültig wurden, veranlasste die EU eine erneute Überprüfung und beschloss, die Zölle für weitere 15 Monate bis zum 31. März 2011 zu verlängern. Nach Angaben des Handelsministeriums sanken die Schuhexporte nach Europa von 2006 bis zum Auslaufen der Strafzölle um mehr als 20 Prozent, 20.000 Arbeitsplätze gingen verloren.

 

Der Schutzzoll habe für Chinas Schuhhersteller zu unprofitablen Ergebnissen am EU-Markt geführt, erklärte Wang Zhentao, Präsident der Aokang Group Co. Die meisten der 1200 betroffenen Firmen zogen sich daraufhin vom EU-Markt zurück. Fünf Hersteller, angeführt von Aokang, zogen jedoch gegen die Europäische Kommission vor Gericht. Dort wurde der Fall im April 2010 zunächst abgewiesen. Vier der Unternehmen gaben auf, da es ihnen fast aussichtslos erschien, in zweiter Instanz zu gewinnen. Nur Aokang entschied, vor dem Europäischen Gerichtshof Berufung einzulegen.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Entscheidung der vorherigen Instanz aufhob, spricht Aokang 5 Millionen Yuan (794,913 Dollar) Prozesskosten von der Europäischen Kommission zu. Aokangs Export- und Importpartner erhalten außerdem eine Rückerstattung der Zölle, die die EU in den vergangenen sechs Jahren einbehalten hat. Die Prozesskosten der vergangenen Jahre beliefen sich auf 3 bis 4 Millionen Yuan (476.948 Dollar bis 635.930 Dollar), erklärte Unternehmenssprecher Wang Hailong bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Urteilsverkündung. Die Höhe der den europäischen Importeuren zu erstattenden Zollgebühren stehe noch nicht fest und müsse noch ermittelt werden. Die Anti-Dumping-Klage gegen die EU habe Aokangs Rechtskenntnisse im internationalen Handel verbessert und dem Unternehmen dabei geholfen, Handelsstreitigkeiten lösen zu lernen, ergänzte Wang. Alles in allem, verstärke der Erfolg die internationalen Ambitionen des Unternehmens.

 

Der Fall sollte ein Impuls für chinesische Unternehmen sein, ihre Rechte durch juristische Schritte zu schützen, fordert Shen Danyang, ein Sprecher des Handelsministeriums.

 

Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

 

"Reicht Aokangs Sieg aus?", fragte Zhang in einem Blogeintrag, nachdem die Gerichtsentscheidung gefällt worden war. Chinesische Unternehmen sollten sich dafür hüten, den Sieg Aokangs zu sehr zu feiern, so Zhang. Die Aokang zugesprochenen Gerichtskosten seien lächerlich im Vergleich zu dem, was chinesische Schuhmacher in den vergangenen sechs Jahren an Marktanteilen in der EU und an Wachstumsmöglichkeiten verloren hätten.

 

Mit dem Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht und zur wichtigsten Exportnation der Welt wurde es gleichzeitig in zahlreiche globale Handelsstreitigkeiten verwickelt. In den vergangenen 17 Jahren erlebte China mehr Anti-Dumping-Untersuchungen als jedes andere Land. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres befassten sich 55 Handelsschutzuntersuchungen mit Exporten aus China, das entspricht einer Steigerung von 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Exporte hatten nach Angaben des Handelsministeriums einen Warenwert von 24,3 Milliarden Dollar, das Achtfache des Vorjahresvolumens.

 

Nach Angaben des Global Trade Alert vom Zentrum für Wirtschaftspolitische Forschung richteten sich seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 40 Prozent der weltweiten Protektionsmaßnahmen gegen China. Seit seinem Beitritt zur WTO wurden 758 Handelsschutzuntersuchungen eingeleitet, China selbst hat nur elf veranlasst.

 

China habe offensichtlich Vorteile, wenn es um Wirtschaftsmächte von Bedeutung gehe und habe von anderen Ländern profitiert, die ihre Produktion ins Reich der Mitte verlagert und damit sein stetiges Exportwachstum angeregt hätten, erklärte Zhang. Als Werkstatt der Welt sei China aber logischerweise auch mehr Anfeindungen im Handel ausgesetzt.

 

"Der schnell größer werdende Wettbewerbsvorteil im Export wird unweigerlich den Unmut großer Wirtschaftsmächte und Handelsnationen nach sich ziehen. Bei vielen Handelsstreitigkeiten, die China betreffen, ist daher offensichtlich Protektionismus im Spiel", meint Zhang. Industrienationen versuchten, Chinas Entwicklung durch Protektionismus zu dämpfen, so Zhang. Die Maßnahmen hätten sich von den traditionellen Zoll-, Quoten- und Lizenz-Beschränkungen hin zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte, der Wechselkursmechanismen und des Investitionsumfelds für auslandsfinanzierte Unternehmen verschoben.

 

"Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Aokang und der EU sowie die amerikanischen und europäischen Anti-Dumping-Untersuchungen von Chinas Solarenergie haben die ganze Welt darauf aufmerksam gemacht, dass China ein faires und freies Wettbewerbsumfeld braucht. Ebenso muss die Welt neue Regeln formulieren, um Protektionismus zu bekämpfen und Spannungen im Handel zu vermindern", so Zhang weiter.

 

Einer der Hauptgründe für die Anti-Dumping- und Anti-Subventions-Untersuchungen von Erzeugnissen der chinesischen Solarindustrie habe mit der bloßen Tatsache zu tun, dass chinesische Solarunternehmen sich die Hälfte des Weltmarkt unter den Nagel gerissen hätten, während amerikanische und europäische Firmen ihre Marktanteile schrumpfen sähen, so Zhang. So sank der Marktanteil der USA von 47 Prozent in den 1990er Jahren auf aktuell 7 Prozent. Da sie nicht in der Lage waren, technologische Durchbrüche zu erzielen, die mit chinesischen Firmen in puncto Produktionskosten konkurrieren konnten, haben die USA auf Protektionismus zurückgegriffen.

 

Dennoch sollten chinesische Unternehmen erkennen, dass ihre Produkte qualitativ und technologisch immer noch hinter denen der Industrienationen hinterherhinken, auch wenn Protektionismus und andere äußere Faktoren Chinas internationale Expansion ein Stück weit behindert haben. Der effektivste Weg, um Handelsunstimmigkeiten zu lindern, sei es, die industrielle Nahrungskette hinaufzuklettern. Sonst würden die Anti-Dumping-Untersuchungen weiter gehen.

 

Auch wenn Aokang den Kampf gegen die Europäische Kommission gewonnen hat, gibt es wenig Fortschritte in der Entwicklung des Unternehmens. Es ist weiterhin ein beschäftigungsintensiver Betrieb, bislang ohne hohe Wettbewerbsfähigkeit. Und in Zukunft warten wahrscheinlich weitere Handelsstreitigkeiten auf die Firma.

 

China muss daher auch weiterhin mit dem Protektionismus fertig werden. Anstatt einfach nur Anti-Dumping-Untersuchungen oder andere Anschuldigungen wegen unfairen Handels zu bekämpfen, müssen Unternehmen sich vielmehr Vorteile durch Technologie und Markenentwicklung sowie Qualität und Service erarbeiten.