12-10-2011
Wirtschaft
Ein neues PR-Zeitalter
von Liu Xinlian

Surferleben: Angestellte in Shenzhen werfen einen Blick ins Internet LIANG ZHIWEI

Unausweichlicher Trend

„Social-Media-PR lebt von der Kraft des Augenblicks und in gewisser Weise auch von der Nachfrage der Kunden. Sie funktioniert auch deshalb so gut, weil die Menschen ihre Notwendigkeit erkennen", sagt Woolf. „Das Großartige ist meiner Meinung nach, dass diese neue Form der PR den Wandel forciert -- sie zwingt konservative Unternehmen dazu, zu realisieren, dass sie sich verändern müssen. Für die PR-Industrie ist das sicherlich eine großartige Entwicklung."

„Uns steht zwar ein ganzes Bündel an Taktiken zur Verfügung – Einträge in Diskussionsforen, Online-Mundpropaganda, die Optimierung von Pressemitteilungen für die großen Suchmaschinen – an den drei Grundfragen der Public Relations führt aber noch immer kein Weg vorbei: Wir müssen wissen, wen wir beeinflussen wollen, wann und wie", so Woolf.

Derzeit seien einige Haupttrends beim Social-Media-Marketing zu beobachten. Zum einen fokussiere sich die Branche zunehmend auf Kommunikation in Echtzeit, wie sie über Onlinedienste wie Twitter oder Weibo stattfinde. Die Unmittelbarkeit stelle die Unternehmen vor eine große Herausforderung, erklärt Woolf: „Für die Kommunikatoren gilt es, sich nicht nur in Sachen Überwachung und Beobachtung anzupassen, sondern auch die Fähigkeit zu entwickeln, unmittelbar zu reagieren, wenn etwas geschieht."

Zum anderen müsse man die Inhalte natürlich möglichst ansprechend gestalten. „Nachrichten werden oft einfach auf schlichtes weißes Papier gedruckt. Jedes Unternehmen muss deshalb interessante und ansprechende Inhalte für ihr Zielpublikum kreieren und veröffentlichen", so der PR-Experte.

Ein Beispiel für gelungene Social-Media-PR sieht Woolf im Internetportal Alizila.com, einem Nachrichtenblog der chinesischen Firma Alibaba, die eines der führenden E-commerce-Unternehmen weltweit ist. Die Webseite veröffentlicht Interviews mit Alibaba-Mitarbeitern und ermöglicht Videochats mit ihnen, außerdem bietet sie eine hochwertige Berichterstattung und aktuelle Nachrichten an.

Ein dritter Weg zur erfolgreichen PR führe über so genannte Meinungsführer. „Normalerweise nutzen wir die Vorstandsvorsitzenden oder Geschäftsführer von Unternehmen als Meinungsführer. Unsere PR-Berater kreieren Nachrichten für sie, bieten ihnen Kommunikationstraining an und zeigen ihnen, wie sie Nachrichten am effektivsten platzieren", so Woolf.

Viertens gelte es, für eine Marke Online-Communities als Fangemeinde im Netz aufzubauen. „Leute, die leidenschaftlich sind, sich einsetzen und sich tatsächlich für die Interaktion mit einem Unternehmen interessieren, sind ideal für eine Marke", so der PR-Experte. „Die Unternehmen können sich eine Onlineanhängerschaft aufbauen, indem sie für diese Leute eine Seite bei Weibo, Renren oder Facebook einrichten und so eine interaktive Kommunikation ermöglichen."

Herausforderungen bleiben bestehen

Problematisch für die Branche sei vor allem der Mangel an qualifizierten PR-Talenten in China, so Woolf: „Wir haben es hier mit einer brandneuen Industrie zu tun und die benötigten Fähigkeiten, von denen wir hier sprechen, sind ganz neu für die PR-Branche. Junge Menschen sind zwar meist sicher im Umgang mit neuen Technologien, viele haben ihren eigenen Weibo-Account oder Blog. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie in der Branche ohne weiteres einsetzbar sind. Es ist noch immer entscheidend, etwas von Kommunikation als solches und den Kommunikationsprinzipien zu verstehen", so Woolf. Leute zu finden, die sich in beiden Welten sicher bewegen, gestalte sich bisher schwierig. Auch Sun Chuanjun, stellvertretender Generalsekretär des Verbandes für Public Relations, erkennt in China einen ernsthaften Mangel an hochqualifizierten PR-Kräften. Nur wenige chinesische Universitäten böten bisher Kurse im Bereich Public Relations an.

Trotz der zahlreichen neuen Möglichkeiten, die Social-Media-Angebote der Branche bieten, hat der Industriezweig mit einigen Schattenseiten zu kämpfen. Undercover-PR, bei der sich PR-Leute als echte Kunden ausgeben und versteckt Werbung für bestimmte Produkte machen, hat eine ganz neue und zweifelhafte Berufsgruppe geschaffen. Hier handele es sich allerdings bei weitem nicht um ein spezifisch chinesisches Phänomen, wie Woolf betont. „Ich bin mir allerdings sicher, dass die Internetgemeinde schnell aufmerksam wird, wenn falsche Informationen verbreitet werden oder eine Kampagne nur der Show dient. Eine der großen Stärken des Internets besteht schließlich darin, dass es zur Selbstkontrolle fähig ist."

Text 100 habe als Reaktion auf das Problem eigene interne Richtlinien für die Onlinebetätigung im Namen des Unternehmens sowie im Namen der Kunden geschaffen. „Jedes Unternehmen sollte meiner Meinung nach derartige Regelungen etablieren", so Woolf.     

 

 

   <   1   2