24-08-2011
Wirtschaft
Chinas Westen wird für Chinas Wirtschaft eine größere Rolle spielen
von Lan Xinzhen

 

 

Produktionsstätte für Windkraftanlagen in Xinjiang. Xinjiang verfügt über reichlich Wind- und Solarenergie.

 

 

 

Westward go!

Ende dieses Jahres wird der Produktionsstandort der Taizilong Gruppe in der Provinz Anhui in Betrieb genommen, ein Teil der Produktion von Taizilong wird dann von Zhejiang nach Anhui umziehen. Nach dem Willen des Vorstandschefs Wang Peihuo werden nach und nach alle Produkte des Unternehmens nach Zentral- bzw. Westchina transferiert.

Die Taizilong Gruppe ist ein großer Textilhersteller mit Sitz in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Wang sagt, dass die Erhöhung der Entstehungskosten im Osten die Entwicklung von Unternehmen behindert, deshalb hat er sich dazu entschlossen, die Produktion in den Westen zu verlagern.

In der Provinz Guangdong gibt es viele kleine und mittelständische Textilunternehmen. Liu Yueping, der Präsident des Verbandes der Bekleidungsindustrie in Guangdong, hat die Kostenunterschiede zwischen West- und Ostchina sorgfältig analysiert. Er hat herausgefunden, dass der Kostenvorteil Westchinas mit bis zu 30 Prozent zu Buche schlägt.

Nach Liu sind bereits eine ganze Reihe von Textilunternehmen wegen Arbeitkräftemangels und steigenden Produktionskosten von der Ostküste in die Provinzen Jiangxi und Sichuan umgezogen.

Der stellvertretende Direktor des China National Textile and Apparel Council (CNTAC) Sun Ruizhe macht deutlich, dass die Unternehmen freiwillig den Umzug durchgeführt haben, da die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Zentral- und Westchina wesentlich entspannter sei als in Ostchina. Zudem seien die Lohnkosten deutlich niedriger.

Nach Sun beschränke sich der Umzug nicht einfach auf die Verlagerung von Produktionskapazitäten, sondern beinhalte auch eine allgemeine Erhöhung des technischen Standards im Westen, eine Entwicklung der Humanressourcen, den Umweltschutz und die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung.

Neben den Textilfabriken wollen auch andere arbeitsintensive Branchen wie die Spielzeug- und Schuhindustrie nach Westen gehen. Xiong Xiaokun, Experte für Leichtindustrie bei der CIConsulting, sieht einen deutlichen Trend nach Westen und erblickt darin eine wirksame Förderung der Wirtschaftsentwicklung der Region. Da aber die Infrastruktur, der Markt und die Distributionskanäle noch nicht entsprechend ausgebaut seien, könnten sich vor den neuen Unternehmen Hindernisse aufbauen.

Unternehmer sollten nicht nur die Arbeitskosten im Blick haben, sondern auch Faktoren wie die Marktsituation vor Ort berücksichtigen. Die Maßnahmen der Regierung müssten genauso berücksichtigt werden, wie die Frage, ob die Wertschöpfungskette der jeweiligen Branche in der Region vollständig ausgebaut sei oder nicht. Sollte dies nicht der Fall sein, so entsteht unerwarteter Kostendruck, der in den entwickelten Gebieten Ostchinas unbekannt ist.

Die chinesische Regierung will in Zukunft die Verlagerung von Betrieben in den Westen fördern. Im September 2010 hat der Staatsrat ein Dokument veröffentlicht, wonach es Lokalregierungen erlaubt ist, den betreffenden Unternehmen ein ganzes Paket von Fördermaßnahmen anzubieten.

 

Eine koordinierte Entwicklung als Ziel

Trotz eines verlangsamten Wachstums und steigender Kosten bleiben die Küstenregionen im Osten die attraktivsten Investitionsziele. Die meisten ausländischen Investoren setzen ihr Kapital noch im Osten ein.

Wang Yiming, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts für Makroökonomie bei der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform, legt Wert auf die Feststellung, dass es nicht das Ziel der Regierung sei, den Westen attraktiver als den Osten zu machen, sondern eine koordinierte und ausgewogene Entwicklung der Wirtschaft in ganz China zu erreichen.

Angesichts der aktuellen Entwicklung haben der Osten und der Westen ihre jeweiligen Vorzüge schon schrittweise zur Geltung gebracht. Die Arbeitsteilung verschiedener Industrien in den beiden Regionen wird immer deutlicher. Die grundlegenden Industriezweige wie Stahl, Baustoffe, Automobil und Elektronik konzentrieren sich im Osten, während die von Ressourcen abhängige Energiewirtschaft im Westen und Nordwesten ihre Zentren geschaffen hat. Zwar herrscht nach wie vor ein großer Abstand beim BIP und in der Wachstumsrate zwischen Ost und West, in dessen Gefolge viele Problemen auftreten, die Regierung aber verspricht, diese Probleme tatkräftig lösen zu wollen und einen politischen Rahmen auf der Grundlage der Marktwirtschaft zur Verfügung zu stellen.

Zhang Shuguang vom Forschungsinstitut für Wirtschaft an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften hegt die Hoffnung, dass die Planer und Entscheider in Westchina trotz des raschen Wirtschaftswachstums kühlen Kopf bewahren: „Der Westen hat keine Eile. Er sollte aus den Erfahrungen und Fehlern der Entwicklung in Ostchina lernen und sie für die eigene Wirtschaftsentwicklung nutzbar machen."

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