Duan Baocheng führt den Unwillen zur Kooperation auf einen grundsätzlichen Mangel an Vertrauen zurück.
„Bei früheren Volkszählungen war die Arbeit in unserer Gemeinde relativ einfach. Wenn damals ein Volkszähler in ein Wohnviertel kam, haben ihn die Aktivisten vom Straßen- oder Wohnkomitee beim Besuch jeder Familie begleitet. Jeder kannte jeden, denn damals wohnten die Menschen normalerweise in den Wohnungen, die ihnen von ihren Arbeitgebern in Industrie und Verwaltung zur Verfügung gestellt wurden. Und diese Wohnungen befanden sich alle im gleichen Wohnviertel. War jemand während der Zählungstage zufällig nicht zu Hause, so gaben die Aktivisten an seiner Statt Auskunft, denn sie waren bestens über die persönlichen Verhältnisse der Genossen informiert", erinnert sich Duan.
Mit der rasanten Urbanisierung wächst jedoch die Zahl der Eigentumswohnungen in Neubausiedlungen, die nichts mehr mit den Betriebssiedlungen von früher gemein haben. Selbst in den alten Wohnvierteln gibt es immer mehr Zuzug von unbekannten Leuten. In den modernen Wolkenkratzern kennt niemand mehr seinen Nachbarn und es entsteht keine Vertrauensbasis zwischen den Bewohnern.
Schutz der Privatsphäre eines jeden Bürgers
„Die Volkszählung ist sehr wichtig – für die Planung künftiger Politik vor allem in den Bereichen Sozialversicherung, Stadtentwicklung und Altersversorgung. Allerdings fühlen sich viele Bürger durch die Volkszähler belästigt und fürchten, dass ihnen persönliche Nachteile aus der Datenerhebung erwachsen, weshalb sie die Auskunft verweigern", sagt Cui.
Mit der Entwicklung der chinesischen Gesellschaft in Richtung Individualisierung ist auch das Bewusstsein der Chinesen hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre gewachsen. Viele Menschen fürchten, dass aufgrund der über sie erhobenen Daten Verwaltungsstrafen verhängt werden könnten, wenn etwa herauskommt, das in einer Familie ein zweites Kind geboren wurde, oder ein Wanderarbeiter über keinen legalen Aufenthaltstitel in der Stadt verfügt.
„Diesen Skeptikern müssen wir geduldig erklären, dass alle erteilten Informationen codiert in den Computer eingegeben werden und in den Datensätzen keine Rückschlüsse auf die Identität der Teilnehmer an der Volkszählung möglich sind. Der originale Fragebogen wird auf keinen Fall zu anderen Zwecken ausgewertet oder missbräuchlich verwendet", beteuert Cui.
Im Rahmen der Volkszählung sind die Bürger gehalten, Rede und Antwort zu stehen über Einkommen, Familienstand, adoptierte und leibliche Kinder; insgesamt 16 Fragen für jeden Bürger, Fragen, über die man normalerweise schweigen will.
„Die Garantie für den Schutz der Privatsphäre der erfassten Bürger ist die wichtigste Begleiterscheinung der aktuellen Volkszählung", sagt Cui. Gemäß den Vorschriften der nationalen Volkszählung sollen die erhobenen Daten nicht zur Grundlage von Verwaltungsstrafen werden, sondern ausschließlich zur Referenz für die Politik Verwendung finden. Die von den Bürgern gelieferten Informationen werden vertraulich behandelt.
Cui Weiwei legt die so genannte „Datenschutzerklärung" auf den Tisch. Ein Novum der aktuellen Volkszählung. Wenn eine Familie Bedenken trägt, dass ihre persönlichen Angaben missbräuchlich verwendet werden könnten, wird der Volkszähler eine Datenschutzerklärung unterschreiben. In der Datenschutzerklärung steht: „Ich werde das nationale Statistikgesetz befolgen und die Vorschriften der nationalen Volkszählung gewissenhaft erfüllen. Für eine missbräuchliche Verwendung der Daten dieser Familie werde ich alle rechtlichen Folgen tragen."
„In jedem Land der Welt spielt die Volkszählung eine bedeutende Rolle. Obwohl ich in China ein Ausländer bin, bin ich doch sehr gespannt auf die Ergebnisse der aktuellen Volkszählung", sagt Wolfgang Schaub und fügt unter einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Obwohl ich, wenn die Ergebnisse der Datenerhebung im Frühjahr nächsten Jahres veröffentlicht werden, schon längst wieder in Deutschland wohne!" |