10-02-2010
Gesellschaft
Das Frühlingsfest der Frau Tian
von Wu Yanfei

 

 Nach mehr als 20-stündiger Fahrt ist Tian Xiuzhen endlich in ihrer Heimat in der zentralchinesischen Provinz Henan angekommen. Wegen starker Schneefälle war ihr Zug sieben Stunden lang auf offener Strecke blockiert worden, aber dieser „kleine" Zwischenfall hat ihre Freude an der Heimkehr nicht trüben können. Ein ganzes Jahr lang hat Frau Tian in Beijing als Haushaltshilfe gearbeitet, jetzt ist es endlich an der Zeit, Urlaub zu machen, Frühlingsurlaub.  

Tian Xiuzhen stammt aus der Gemeinde Suiping in der Provinz Henan. Es ist eine fast ganz normale Gemeinde in der bevölkerungsreichsten Provinz Chinas, allerdings auch ein Schauplatz der Geschichte: eine der ersten Volkskommunen Chinas, die Chaya-Berg-Kommune, wurde dort im Sommer 1958 gegründet. Der Chaya-Berg ist heute gemeinsam mit dem ehemaligen Standort der Volkskommune zur Touristenattraktion geworden. Der Chaya-Berg ist sogar landesweit berühmt, weil er die Kulisse für eine aktuelle Fernsehserie nach der klassischen Romanvorlage "Die Reise nach dem Westen" liefert.  

Die Familie der Frau Tian hat einen halben Hektar Ackerland zugewiesen bekommen, aber weder sie noch ihr Mann hat Zeit für Feldarbeit. Pflügen, säen, düngen und ernten überlässt die Familie heute gegen eine geringe Pacht einem großen landwirtschaftlichen Betrieb aus der Gegend. Dadurch konnten sich die Tians aus der Feldarbeit zurückziehen und lukrativeren Beschäftigungen widmen. Frau Tian verdient ihr Brot als Haushaltshilfe und Tagesmutter in Beijing, während ihr Mann in einer privaten Betonfabrik nicht weit von Zuhause arbeitet. Diese Arbeitsteilung ist in Suiping fast zum Standardmodell geworden, der eine verdient in der Fremde sein Brot, der andere sucht sich eine heimatnahe Arbeit.

Seit 2005 arbeitet Frau Tian in Beijing. Zu ihrer Tätigkeit gehören neben der Kinderpflege auch Kochen und leichte Hausarbeit. Sicher keine ganz einfache Aufgabe, aber Tian legt dabei großes Geschick an den Tag und erledigt ihre Arbeiten sehr gut. Dank ihrer Zuverlässigkeit und umsichtigen Arbeitsweise wurde sie stets weiterempfohlen. Auf dem Beijinger Markt für Haushaltshilfen besteht eine besonders große Nachfrage nach qualifizierter Kinderbetreuung, Tians Dienste sind also sehr gefragt. Ihr Einkommen hat sich in den vergangenen fünf Jahren von 800 Yuan auf 2200 Yuan fast verdreifacht.

Das Frühlingsfest steht vor der Tür. Natürlich darf man da nicht mit leeren Händen nach Hause kommen. Geschenke für die Familie sind ein Muss. Für die 80-jährige Mutter hat Frau Tian eine Beijinger Spezialität, ein schön gegrilltes Hähnchen ausgesucht, für Neffen und Nichten bunte Süßigkeiten, für die zwei Söhne Markensportschuhe und für ihre Geschwister Anziehsachen. Schwerbepackt trifft sie in Henan ein. Die Traditionen rund ums Neujahrsfest werden auf dem Lande noch streng befolgt. Neujahrsgrüße übers Telefon oder per SMS, die in Städten immer weitere Verbreitung finden, gibt es hier nicht. Man muss zum Frühlingsfest zuerst Großeltern und Eltern besuchen und dabei Geschenke überbringen. Danach folgt der Besuch bei Geschwistern, Freunden, Kollegen und Nachbarn. Geldgeschenke für Kinder werden in rote Umschläge verpackt, darauf haben die Kleinen schon lange gewartet. Bei der Annahme von Geldgeschenken müssen sie einen tiefen Diener machen und laut „Danke schön!" sagen. Die Erwachsenen entspannen sich dann bei einer Runde Mahjong und vergessen die Mühen eines arbeitsreichen Jahres.  

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