Die Rede von Huang Haopeng trägt den gleichen Titel wie die seines berühmten Vorbildes Martin Luther King, Jr.: „I have a Dream". Allerdings ist der Traum dieses 14-jährigen Jungen etwas bescheidener, er möchte Vorsitzender der Schülermitverwaltung in der Nanshan Schule in Shenzhen werden. Ende 2009 hat er seinen Traum verwirklicht. In der Schule gibt es überall große Plakat mit dem Porträt des kleinen Vorsitzenden.
An der Nanshan Schule ist jedes Jahr zwischen Mitte Oktober und Mitte November Wahlkampf. Dann wird von allen Schülern der Vorstand der Schülermitverwaltung gewählt. Es gibt hier auch eine Arbeitsgruppe Journalismus, bei der mehr als 40 Schüler verschiedener Jahrgangsstufen mitarbeiten. Jeden Montag haben sie eine feste Sendezeit im Schülerrundfunk und können ihre Meinung ausdrücken und sogar die Lehrer oder den Direktor kritisieren.
Seit mehr als fünf Jahren ist Li Qingming Direktor der Schule im wohlhabenden Huaqiaocheng-Viertel. Er setzt sich dafür ein, dass nicht nur gute Schulleistungen belohnt werden, sondern auch gesellschaftliches Engagement: „Wir wollen das Potenzial eines jeden Kindes ausschöpfen. Wenn dieses Ziel nicht ganz erreicht wird, macht das aber auch nicht so viel aus. Man kann auch so ein guter Bürger werden", sagt Li.
Bei Li hat die Bildung eines bürgerlichen Bewusstseins der Schüler die höchste Priorität. Dazu zählt die Vermittlung demokratischer Verfahrensweisen.
Um die Wahl in den Vorstand der Schülermitverwaltung gewinnen zu können, haben die Schülerinnen und Schüler gelernt, wie sie Unterstützergruppen um sich herum aufbauen können. Eltern und Verwandte spielen dabei eine große Rolle. Jeder Kandidat ist von einer eigenen Beratergruppe umgeben. Einer hat seinen Namen auf Bonbons gedruckt und dann in jeder Klasse verteilt. Mit großen Plakaten, versehen mit Wahlslogans, marschiert ein Kandidat gemeinsam mit seinen Unterstützern auf dem Sportplatz auf. Ein Wahlkämpfer hat rund um das Schulgelände zehn große Ballons gehisst, auf denen der Name des Kandidaten als Wahlaufruf steht.
Unabhängig von den durchaus unterschiedlichen Wahlprogrammen betont jeder Kandidat den Grundsatz, den Direktor Li festgelegt hat: „Allen Mitschülern dienen." An dieser Schule haben sich die Beziehungen zwischen Eltern, Schülern und Lehrern stark verändert. Jemand hat die Veränderung mit zwei Worten umschrieben: „Zivilgesellschaft" statt „Untertanengeist".
„Früher waren die Kinder nur gehorsam, sie taten alles, was der Lehrer anordnete. Der Lehrer zwang den Schülern seine Auffassung ohne weitere Erklärung auf", sagt der Lehrer Lu Ping. „Jetzt sieht es ganz anders aus. In unserer kleinen Bürgergesellschaft an dieser Schule dienen wir Lehrer den Schülern. Alles, was wir Lehrer tun, muss auf jeden Fall offen und transparent sein. Die Schülerschaft ist damit sehr zufrieden, ist das nicht großartig?"
Für Direktor Li Qingming ist diese neue Lehrer-Schüler-Beziehung eines seiner wichtigsten Ziele: „Wir spornen die Schüler dazu an, selbstbewusste und kritische Bürger zu werden. Zuerst sollten wir dafür sorgen, dass sie einen Weg finden, ihre eigene Meinungen auszudrücken. Dann können sie an der Verwaltung der res publica teilnehmen. Ich halte das für eine gute Methode zur Ausbildung bürgerlichen Bewusstseins."
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