14-01-2009
Auto
Wettbewerbsfähige Elektroautos dank moderner Technik

Die Zeiten scheinen nicht gerade günstig dafür zu sein, um sich in der Automobilindustrie einzuführen, vor allem wenn man ein nur wenig bekannter Hersteller ist. In den letzten fünfzig Jahren hat kein Neuling in der Branche lange genug überlebt, um es zu einem ausgewachsenen Konzern zu bringen.

Wang Chuanfu, Gründer und Inhaber der Build Your Dreams Co. (BYD Co.), ein Batterie- und Elektroautohersteller aus China, hat zwar keine Chance, aber er ist fest entschlossen, sie zu nutzen.

Letzten Monat hat BYD für den chinesischen Markt ein Elektrohybridauto vorgestellt, dessen Batterien mit Strom aufgeladen werden. Die Firma geht also mit einem Elektroauto mindestens ein Jahr vor den USA und Japan an den Start. Das Modell heißt F3DM, fährt mit Strom aus der Haushaltssteckdose und wird mit einem Verbrennungsmotor geliefert, der die Batterie unterwegs aufladen kann. Der F3DM ist der erste einer Staffel von Elektroautos, die BYD weltweit anbieten will: erst in China, dann in den USA und bereits 2010 in Europa.

Auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit (11. bis 25. Januar) wird der F3DM derzeit präsentiert. Warren Buffett hat sich bereits im letzten Jahr mit Aktienkäufen an dem Unternehmen beteiligt.

Wangs Strategie: Profit zu schlagen aus geringen Herstellungskosten. Es gibt kaum Produkte, deren Entwicklung und Produktion so aufwändig sind wie Autos mit Verbrennungsmotoren. Tausende von Präzisionsteilen müssen montiert werden. Elektroautos hingegen brauchen nur einfache Motoren und Getriebegehäuse und verfügen über relativ wenig Einzelteile. Vom Problem der Verbesserung des Wirkungsgrades der Batterien einmal abgesehen, sind sie sehr viel leichter und preiswerter zu bauen als Benziner- das schafft größere Wettbewerbsgleichheit.

”Es ist praktisch ein aussichtsloses Unterfangen für Spätankömmlinge wie uns, mit GM und anderen eingeführten Marken zu konkurrieren, die über mehr als ein Jahrhundert Erfahrung beim Bau von Verbrennungsmotoren verfügen”, sagt Wang in einem Interview, während dem er in seinem Büro im Hauptsitz von BYD nahe Shenzhen auf und ab geht und dabei eingehende Telefongespräche beantwortet. „Bei den Elektroautos stehen wir hingegen alle gemeinsam noch an der Startlinie.“

Es ist allerdings noch ein steiniger Weg bis das Zeitalter des Elektroautos in voller Blüte stehen wird. Die Benzinpreise sind wieder gesunken, dies mag die Bereitschaft des Verbrauchers zum Kauf von Alternativtechnik dämpfen. BYD hat nicht nur gegen das im Westen verbreitete Misstrauen gegenüber chinesischen Produkten anzukämpfen, sondern muss harte Überzeugungsarbeit leisten, wenn die Käufer zu einer weitgehend unerprobten Technik greifen sollen. Der Faktor Sicherheit wird dabei ebenfalls eine wichtige Rolle spielen: Lithium-Ionen Batterien, denen die Schlüsselrolle beim Antrieb der Elektroautos zukommt, haben vereinzelt eine Neigung zur Überhitzung gezeigt und dabei Feuer gefangen.

Wang sagt, dass bei den BYD-Akkus eine neue Technologie zur Anwendung kommt, die sie sicherer macht als andere Lithium-Ionen Typen. Auch spricht er von billiger Arbeitskraft, die dazu beiträgt, die Herstellungskosten zu deckeln, ein weiterer Faktor, der die Kaufbereitschaft der Kunden positiv beeinflussen könnte. In China kostet der F3DM 150 000 Yuan (16 000 EUR), BYD rechnet damit, ihn zu einem ähnlichen Preis auf den US-Markt bringen zu können. Der Chevrolet Volt, wenn er denn Ende 2010 auf den Markt kommt, soll hingegen mehr als 29 000 EUR kosten.

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil dürfte die zehn Jahre lange Erfahrung in der Herstellung von Akkus sein, die BYD vorweisen kann. Wang fing 1995 mit

215 000 EUR, die er sich von einem Cousin geliehen hatte, mit der Produktion von Akkus für Mobiltelefone an. Heute ist BYD der Welt zweitgrößter Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien. Das Unternehmen hatte letztes Jahr einen Umsatz von 2,4 Mrd. EUR und beschäftigt 130 000 Mitarbeiter. Im September 2008 investierte die MidAmerican Energy Holdings aus dem US-Bundessstaat Iowa 230 Millionen US-Dollar in BYD und verschaffte sich so einen Anteil von 10 Prozent am Unternehmen. Warren Buffett ist Mehrheitseigner bei MidAmerican Energy Holdings Co.

Der Investor war auf BYD nicht zuletzt dank deren Armee von 10 000 Technikern und Ingenieuren aufmerksam geworden, vielen von ihnen kommen direkt aus den Hochschulen und technischen Fachschulen, sagt David Sokol, Chef von MidAmerican: „Herr Wang hat in China Forschungs- und Entwicklungspotential in hoher Qualität zu niedrigen Kosten aufgebaut.“

Der F3DM ist viel eher ein „reinrassiges“ Elektroauto als alles, was sonst bislang auf den Straßen fährt. Mit vollen Akkus liegt seine Reichweite bei 80 bis 100 Kilometern. Der Prius von Toyota hingegen ist ein Auto mit Benzinantrieb, der über eine Lichtmaschine verfügt, die das Fahrzeug bei niedrigen Geschwindigkeiten antreibt und den Benzinmotor beim Beschleunigen unterstützt. Der F3DM ist ähnlich konzipiert wie der Chevy Volt von GM, nur dass er zwei Jahre früher als der Volt und ein Jahr vor dem Hybridwagen Toyotas auf den Markt gelangt.

Es drängen noch andere Anbieter auf den Markt, die früher nichts mit Fahrzeugbau zu tun gehabt haben, darunter Think Global aus Norwegen, Lightning Car Co. aus Großbritannien, sowie Tesla Motors und Fisker Automotive aus Kalifornien. Alle wollen entweder demnächst ihr Debüt geben, oder nehmen bereits Bestellungen in geringer Stückzahl für Autos entgegen, deren Antrieb von Lithium-Ionen-Batterien gespeist wird. Die wachsende Konkurrenz könnte Detroit einen Strich durch die Rechnung machen, wo die Großen Drei darauf setzen, dass Autos mit Elektro- oder Hybridmotor ihnen die Umstrukturierung erleichtern werden.

In China ist BYD bereits einer der am schnellsten wachsenden unabhängigen Automobilhersteller. Trotz stockender Absatzzahlen auf dem Automarkt steigt die Nachfrage nach dem F3 und dem F0, den eingeführten Kleinwägen von BYD. Dadurch holt BYD gegenüber Chery und Geely auf, den beiden größten selbständigen Herstellern chinesischer Automobile.

Im letzten Quartal 2008 war der F3 eines der meistverkauften Fahrzeuge auf dem chinesischen Markt. „BYD ist wahrscheinlich derjenige Automobilhersteller, der als erster den westlichen Automarkt knacken wird”, sagt Wolfgang Bernhart, Consultant bei der deutschen Beratungsfirma Roland Berger. Ende 2009 will BYD durch die Markteinführung des BYD e6 - ein reines Elektroauto, dass eine Reichweite von 290 Kilometern haben soll - einen weiteren Meilenstein setzen.

Konzeptionelle Überlegungen zum Elektrofahrzeug gibt es bereits seit über hundert Jahren. Bislang aber hat es sich nicht als Standardverkehrsmittel durchsetzen können, vor allem weil die Batterien zu schwer, zu sperrig und zu teuer waren. Bis vor kurzem konnte keine marktfähige Batterie genügend Energie auf kleinem Raum speichern, rasch wieder aufgeladen werden und unter allen Witterungsbedingungen störungsfrei funktionieren ohne zu überhitzen.

Lithium-Ionen Batterien von der Art, wie sie auch in Laptops und Mobiltelefonen Verwendung finden, schienen am vielversprechendsten zu sein. Aber die Frage nach ihrer Sicherheit hat die Produktion verlangsamt. Sowohl GM als auch Toyota haben sich dahingehend geäußert, dass sie sich Zeit lassen wollten bis zur Markteinführung, um die Sicherheit der Batterien zu garantieren.

Wang sagt, dass bei den Batterien von BYD Eisenphosphat-Zellen zum Einsatz kommen, die chemisch stabil und damit „von Natur aus“ sicher seien. Der Akku kann sich nicht so weit aufheizen, dass er Feuer fängt.

Die Technologie, die der Batterieentwicklung zugrunde liegt, ähnelt derjenigen, die von A123 Systems entwickelt wurde, einem jungen Batteriehersteller, an dessen Spitze eine Gruppe von Wissenschaftlern aus dem Massachusetts Institute of Technology stehen. GM benutzt diese Entwicklung zum Antrieb des Volt. Wie aus dem inneren Kreis von A 123 zu erfahren ist, wollen die Ingenieure den Akku von BYD sehr gründlich unter die Lupe nehmen, um zu sehen, ob Ideenklau an seiner Wiege steht. Offiziell wollte dies bei A 123 jedoch keiner kommentieren.

BYD behauptet, mehr als zehn Jahre in die Entwicklung ihrer eigenen Lithium-Ionen Batterien auf Eisenphosphatbasis gesteckt zu haben - ohne dabei das geistige Eigentum anderer zu verletzen. „Ausländer denken oft, dass alle chinesischen Unternehmen Techniken und Baupläne stehlen”, meint Luo Hongbin, ein altgedienter Ingenieur bei BYD. „Wir aber haben seit vielen Jahren rund ums Elektroauto geforscht.“

Skeptisch sind allerdings nicht nur missgünstige Westler, sondern auch Landsleute jenseits der Taiwan-Straße: Foxconn International Holdings, ein Computergigant, der unter anderem für Apple fertigt, führt seit Monaten einen erbitterten Urheberrechtsstreit mit Herrn Wang.

Autotester haben noch einige Macken am F3DM festgestellt. So soll der Benzinmotor rasseln und kann reichlich laut werden, wenn er zugeschaltet wird. Das Lenkrad bockt bei abrupten Richtungswechseln. Henry Li, bei BYD für das Auslandsgeschäft verantwortlich, sagt, dass die Firma an einer Lösung dieser Probleme arbeite. Vor dem Marktauftritt in Übersee werde man alles im Griff haben: “Wir haben eine Menge Zeit, um das Fahrzeug zu perfektionieren.“

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