09-11-2011
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Mit der Brenz Band auf Musik fliegen
von Xu Bei

31. Oktober 2011, in der deutschen Botschaft in Beijing: Alle Musiker der Brenz Band aus Baden-Württemberg tragen T-Shirts, auf dem in Chinesisch ihr Motto steht: „Gemeinsam mit uns auf Musik fliegen". Zusammen mit der China Disabled People's Performing Art Troupe geben sie hier ein Konzert. Die Veranstaltung markiert den Auftakt zu einer kleinen China-Tournee der Brenz Band.

 Die Brenz Band ist eine 1977 in Ludwigsburg gegründete Musikgruppe, die zu einem großen Teil aus Behinderten besteht. Die Band wurde im Jahr 2005/2006 als "Künstler für den Frieden" der UNESCO ausgezeichnet. Dies war das erste Mal, dass Menschen mit Behinderung diesen Titel verliehen bekommen haben. Die Gründung der Brenz Band erfolgte 1977 in einer Schule für geistig Behinderte in der namensgebenden Brenzstraße in Ludwigsburg unweit von Stuttgart. „Musik ist für die Brenz Band die Leidenschaft des Leben", so Horst Tögel, Leiter und Gründer der Band.

Beim Austausch mit chinesischen Kollegen hat Tögel die Gründungsgeschichte erzählt: Ein kleiner Süditaliener, aufgewachsen im Waisenhaus, folgt nach dem Tod seiner Mutter dem Vater ins fremde Deutschland. Entwurzelt und orientierungslos trifft er in der Schule für geistig Behinderte in der Brenzstraße in Ludwigsburg auf den Lehrer Horst Tögel, mit dem er sich nicht verständigen kann. Aber er hat eine kleine Ziehharmonika mitgebracht. Horst Tögel kauft sich auch solch ein Instrument. Salvatore bringt ihm das Spielen bei, dafür lernt er bei ihm das Sprechen. Andere Schüler kommen dazu, mit Kazoo, Mundharmonika, Ziehharmonika und Trommel erobern sie gemeinsam die Welt der Musik.

Unsicherheit prägt den Umgang großer Teile der Bevölkerung mit Menschen mit geistiger Behinderung, ein unseliges Relikt des Dritten Reiches. Eltern verstecken ihre Kinder und fühlen sich am Rande der Gesellschaft stehend. In dieser Situation wagt sich die kleine Brenz Band aus der Schule in die Fußgängerzone in Ludwigsburg und hat mit ihrer Straßenmusik sofort Erfolg.

Nach 34 Jahren ist Horst Tögel jetzt ein Herr mittleren Alters mit grauen Haaren. Und der „kleine Süditaliener" Salvatore Pugliese ist heute ein Arbeiter, der Filter für Porsche zusammensetzt und in der Band Akkordeon und Gitarre spielt. „Wollen Behinderte nicht am Rand der Gesellschaft stehen, müssen sie selbst den ersten Schritt wagen. Musik ist dafür ein hervorragendes Vehikel. Sie beseitigt Berührungsängste und öffnet den Weg für Toleranz als Respekt vor der Würde auch von Menschen, die nicht maßgeschneidert sind", weiß Horst Tögel aus langer Erfahrung. Diese Erfahrung umzusetzen, ist für die Band mittlerweile zum humanitären Auftrag geworden.

Nach Beijing ist die Brenz Band noch in Qingdao und Shanghai gewesen und gab dort einige Konzerte, die das einheimische Publikum tief beeindruckt haben. „Die Stimmung war toll," sagt Salvatore Pugliese, „die Leute haben mitgesungen und getanzt."

„Durch Leidenschaft und Freundschaft haben sie mich in ihre Musikwelt versetzt. Ich glaube, der Charme der Musik liegt gerade darin, dass sie grenzenlos und überzeitlich ist", sagt Ma Xinru, Studentin der Germanistik an der Ocean University of China nach dem Konzert am 1. November in Qingdao.

„Ich bin ungeheuer überrascht. Über die Herzlichkeit, die wir hier erfahren und die große Aufmerksamkeit, mit der wir überhaupt nicht gerechnet haben. Und ich freue mich, dass wir verschiedene Musikgruppen kennen lernen. Wir haben nicht gewusst, dass es hier so tolle Gruppen gibt. Ich hoffe, dass wir diesen Kontakt intensivieren können", sagt  Horst Tögel.