14-02-2014
Porträt
China-Träume des am längsten in China lebenden Deutschen
Ein Pionier des Kulturaustauschs zwischen Ost und West
von Zeng Wenhui

Arbeit in Film und Fernsehen

Kräuter bei der Produktion der Serie "Wüstenkinder" in der Wüste Taklamakan im Nordwesten Chinas (Foto von Uwe Kräuter)
 
Nach 1984 konnte Kräuters Vertrag mit dem Verlag nicht mehr verlängert werden. Überdies hatte er nach jahrelangem Umgang mit Presseartikeln, Interviews und Literatur länger schon die Absicht, sich in Zukunft weniger auf Texte, sondern auf Bilder zu konzentrieren, nämlich auf Film und Fernsehen. Zuerst, seine Idee, würde er einen Film machen wollen über seine Freunde, die chinesischen Künstler.

Es war Ende 1983, als er die Filmschauspielerin Shen Danping kennenlernte. Privates Kennenlernen zwischen Ausländern und Chinesen galt als höchst suspekt, als verboten, zumal das Kennenlernen, das in eine Liebesbeziehung münden könnte, und besonders problematisch, eigentlich unvorstellbar, wenn es sich um die Bekanntschaft zwischen einem ausländischen Mann und einer namhaften chinesischen Schauspielerin handelt. Also trafen sich die beiden, sich des Risikos schlimmer Strafe bewusst, nur insgeheim, manchmal geschützt durch die gleichzeitige Anwesenheit von besten Freunden, die in einer Ecke des Zimmers saßen, während die beiden Liebenden in einer anderen Ecke stundenlang miteinander flüsterten. Oder sie verabredeten sich auch zum Spaziergang auf dem Boulevard des Langen Friedens – und gingen dort wirklich gemeinsam spazieren, allerdings immer im Abstand von zehn Metern. Furchtlos in einer Weise, wie es nur innige Ehrlichkeit und die Echtheit der Gefühle hervorbringt, schworen sie sich, sie würden sich nicht trennen lassen, was auch geschehen würde. Die Berechtigung dazu schöpften sie aus dem hohen Recht der Liebe.

 
 
Im Dezember 1983 verliebte sich Kräuter in die Filmschauspielerin Shen Danping. Zu der Zeit war eine Liebesbeziehung zwischen Chinesen und Ausländern strengstens verboten (Foto von Uwe Kräuter)
 

Die Geschichte von Uwe Kräuter und Shen Danping ist eine von Poesie und Romantik – ebenso vom Kampf in eine neue Zeit. Als sie die Heirat beantragten, die schließlich am 21. Juli 1984 genehmigt wurde, setzten allseits Gerüchte und Fragen ein. Denn es war das erste Mal, dass eine chinesische Berühmtheit einen Ausländer heiratete. Viele Jahre später sagte eine chinesische Journalistin zu Kräuter, und ihre Sätze mögen Einblick geben in die komplexe Gedankenwelt der damaligen Gesellschaft: „Wir kannten dich nicht, wir wussten nur von dir, und wir glaubten, du musst ein Prinz sein. Das ganze Land starrte auf euch. Unsere Gefühle angesichts dieses Ereignisses waren kompliziert... einerseits... irgendwie erfrischend... aber tiefer im Innern, und wenn wir unter uns Freunden darüber sprachen, war da auch eine Art von Angst... Wir waren verunsichert und wussten nicht, was solch ein Ereignis für die Zukunft bedeuten würde."

Mit der überraschenden finanziellen Investition von Bauern aus dem Kreis Luancheng, unweit der Stadt Shijiazhuang, die Geld angehäuft hatten und in der nun beginnenden Zeit nicht nur Landwirtschaft, sondern gleichzeitig Filmproduktion betreiben wollten, gelang es Kräuter, in Kooperation mit dem Youth Film Studio von der Beijing Film Academy, seinen ersten Film zu produzieren. Es war eine in der Gesellschaft wahrhaft beispiellose Kooperation: der Ausländer, die Bauern, das Filmstudio. Der Film präsentierte Kräuters Künstlerfreunde. Also bekam der Film den Titel „Meine Pekinger Künstlerfreunde". Darauf folgte der Schock: Das Kulturministerium erklärte, der Film werde nicht für den Vertrieb zugelassen, denn die verantwortliche Firma habe überhaupt nicht das Recht zur Filmproduktion!

1986, bei der Herstellung von Kräuters erstem Film, der Kinoproduktion "Meine Pekinger Künstlerfreunde", in dem er seine außergewöhnlichen, zum Teil legendären chinesischen Freunde vorstellte (Foto von Uwe Kräuter)
 
Die Bauern waren klug, sie gaben nicht einfach auf. Sie stellten Kontakt her zu dem von Chinas Bauern sehr geschätzten Vize-Ministerpräsidenten Wan Li (1988-1993 Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses). Er war bereit, sich den Film am chinesischen Regierungssitz Zhongnanhai persönlich anzusehen. Es war ein spannendes Ereignis. Am Ende der Vorführung applaudierte Li. Er sagte zwei Sätze. Der erste, trocken: „Der Film weist kein Problem auf." Dann der zweite, wobei Wan Li lebhaft nickte und lächelte: „Euer Film ist mit dem Herzen gemacht." Bald darauf wurde der Film vom Kulturministerium für den Vertrieb freigegeben und in ganz China gezeigt.

Das war der Beginn von Kräuters Filmarbeit. Seither produziert er Filme vor allem für das deutsche Fernsehen, Dokumentarfilme, fiktionale Miniserien, ebenso auch Mischformen aus Dokumentation und Fiktion. Kräuter führt das Joint Venture Unternehmen „Asia World Network Ltd", das zuständig ist für Consulting, Kulturvermittlung und vielseitige Filmarbeit. Als Repräsentant von deutschen Fernsehanstalten und Filmstudios hat Kräuter zahlreiche TV-Serien sowie Kinofilme in China in den Vertrieb gebracht. Das ZDF ist Kräuter bis heute dankbar, dass die bekannteste deutsche Serie „Derrick" landesweit im chinesischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die Chinesen liebten die Serie – und sahen alle zwei Tage nicht nur eine, sondern gleich zwei Episoden hintereinander im Programm! „Keiner, der nicht 'Derrick' sehen wollte," sagt Kräuter, „denn am nächsten Vormittag waren die Episoden vom Abend zuvor das vorrangige Gesprächsthema unter den Arbeitskollegen oder den Kommilitonen!"

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