12-10-2013
Porträt
Merkel 3
von Li Chao

Stabilität war das wichtigste Kriterium bei der jüngsten Wahl in Deutschland.

Sieg: Im CDU-Hauptquartier in Berlin brandet Beifall für Angela Merkel (1.v.re.) auf, nachdem erste Wahlumfragen den CDU-Sieg bei den Bundestagswahlen am 22. September anzeigten (Luo Huanhuan)

 

Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die CDU und ihre Schwesterpartei, die bayerische CSU, bei der Bundestagswahl am 22. September historische 41,5 Prozent der Wählerstimmen gewonnen. Wenn Merkel die Bildung einer Regierungskoalition mit ihren politischen Gegnern gelingt und sie erfolgreich ihre dritte Amtszeit als Kanzlerin absolviert, schlägt sie Margret Thatcher als die Regierungschefin mit der längsten Amtszeit in Europa.

 

Persönliche Ausstrahlung

In der krisengeschüttelten Eurozone ist es für Politiker nicht leicht, sich lange auf dem Gipfel der Macht zu halten. In den letzten Jahren traten die Regierungschefs mehrerer europäischer Länder einschließlich Italien, Frankreich und Spanien wegen ihrer geringen Erfolge im Kampf gegen die Schuldenkrise zurück. In der gleichen Zeit gewann Merkel an Ansehen und erhielt eine nie da gewesene Unterstützung für ihr effektives Krisenmanagement. In den letzten sieben Jahren stand die deutsche „eiserne Lady" sechs Mal an der Spitze der Forbes-Liste der mächtigsten Frauen der Welt.

Merkels Erfolg liegt vor allem an ihrer Persönlichkeit und ihrem Regierungsstil. Auch wenn sie die politische Bühne vergleichsweise spät betreten hat, verhalfen ihr ihre Bescheidenheit und ihr Fleiß schnell zu einer reifen politischen Persönlichkeit.

Vor ihrer ersten Amtszeit als Kanzlerin im Jahr 2005 hatte Merkel verschiedene Ämter in ihrer Partei und im Kabinett inne, in dieser Zeit konnte sie aus erster Hand Kenntnisse in vielen Themen sammeln. Seit Beginn der europäischen Schuldenkrise im Jahr 2009 hat Merkel sich intensiv mit der Wirtschaft befasst und wurde schnell zur Expertin in Krisenfragen.

Ein ausgewogener und vernünftiger Regierungsstil hat Merkel Vertrauen und Unterstützung der Öffentlichkeit gesichert. Sie trifft keine vorschnellen Entscheidungen, noch äußert sie unüberlegte Ansichten. Sie ist eine gute Zuhörerin und steht fest hinter ihren Entscheidungen.

Merkel ist auch eine typische Pragmatikerin. So plante die deutsche Regierung beispielsweise, die Atomkraftwerke im Land bis 2035 herunterzufahren. Die Mehrheit der Deutschen forderte nach der Atomkatastrophe in Fukushima, die sich nach einem Erdbeben und Tsunami im März 2011 ereignete, jedoch einen früheren Ausstieg aus der Atomenergie. Merkel reagierte mit der Kompromisslösung, die Atomkraftwerke bis 2022 abzuschalten.

 In der jüngsten Wahlkampagne konnte Merkel durch die Anerkennung einiger politischer Ziele der gegnerischen Sozialdemokraten und der Grünen ihre Anhängerschaft vergrößern.

Wirtschaftlicher Erfolg 

Ein Grund für Merkels Popularität sind auch ihre Beiträge zur deutschen Wirtschaft.

In ihrer ersten Amtszeit rief die deutsche Regierung zwei große Anreizpakete im Wert von insgesamt 82 Milliarden Euro ins Leben, ein Großteil des Geldes ging in die Realwirtschaft und die Berufsausbildung sowie Verbrauchersubventionen, was die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhte. Sie trieb ebenso die Einführung eines 500-Milliarden-Euro-Rettungspakets zur Stabilisierung des Bankensystems und Wiederherstellung des Vertrauens in den Markt voran. Gleichzeitig legte sie großen Wert auf die kontinuierliche Schaffung von Arbeitsplätzen. Durch die Förderung eines flexiblen Arbeits- und die Einführung eines strengen Kündigungssystems ist der Arbeitsmarkt in Deutschland stabil geblieben.

Nachdem die Eurozone in der Schuldenkrise versank, startete Deutschland ein Sparprogramm in Höhe von 80 Milliarden Euro, das größte seit dem Zweiten Weltkrieg. Merkels Regierung unternahm große Anstrengungen, um seine Finanzen zu ordnen und Defizite sowie öffentliche Schulden zu mindern. 2012 schloss der Haushalt mit einem Plus von 4,2 Milliarden Euro.

Gemäß den Wünschen der Bevölkerung fördert Merkel aktiv die Hinwendung zu sauberen Energien und macht das Land in dieser Hinsicht zu einem internationalen Vorreiter. Unter Merkels Führung hat die deutsche Regierung die Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Mittelklasse verstärkt und der Gesellschaft so zu mehr Nachhaltigkeit verholfen.

Aufgrund seines stabilen Wirtschaftswachstums spielt Deutschland eine große Rolle in der EU. In der Tat würden fast alle Bemühungen, mit der Schuldenkrise fertig zu werden, ohne deutsche Zustimmung nur ins Leere führen.

In den letzten drei Jahren der Krisenbekämpfung hat Merkel am Grundsatz festgehalten, dass alle Schuldnerländer strenge Sparmaßnahmen einführen und strukturelle Reformen umsetzen sollten. Nur bei Erfüllung bestimmter Standards können sie auf Rettungsmaßnahmen der EU und Deutschlands hoffen. Merkel sprach sich gegen jegliche Art von Schuldenteilung aus und weigerte sich entschlossen, die Rechnung für stark verschuldete Länder zu begleichen, die keine Finanzdisziplin zeigten.

Auch wenn diese harte Haltung Deutschland Antipathien in den südeuropäischen Ländern eingebracht hat, ist nicht zu leugnen, dass die deutsche Lösung eine effizienter Weg aus der gegenwärtigen Misere ist. Unter deutscher Führung hat die EU bis jetzt die schlimmsten Krisenmomente überwunden, auch wenn die Situation weiterhin instabil ist.

Chinapolitik

Die deutsch-chinesischen Beziehungen zeigten während der ersten beiden Amtszeiten Merkels eine gesunde Entwicklung. Auch hier blieb Merkel ihrem Pragmatismus treu und legte kleinere Differenzen, die die Entwicklung bilateraler Beziehungen hätten stören können, zu den Akten und konzentrierte sich stattdessen auf Angelegenheiten von beidseitigem Interesse. Sie förderte die umfassende strategische Zusammenarbeit beider Länder durch eine Stärkung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen.

Merkels Taktik ist größtenteils einer ständig wachsenden wechselseitigen Abhängigkeit und der Verbundenheit zwischen Europas Wirtschaftsmotor und China zuzuschreiben. Seit ihrer zweiten Amtszeit hat sich der deutsch-chinesische Austausch in Wirtschaft und Handel ständig erweitert. Die zunehmenden wirtschaftlichen Verbindungen sind zu einem „Motor" und „Stabilisator" für den Ausbau der bilateralen Beziehungen geworden.

Das bilaterale Handelsvolumen hat eine neue Rekordhöhe erreicht. Das beidseitige Handelsvolumen überstieg im letzten Jahr 150 Milliarden Dollar, das macht rund ein Drittel des Gesamthandels zwischen China und der EU aus. Es wird damit gerechnet, dass sich diese Zahl in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wird. Mit abnehmendem Handelsdefizit wird der Handel zwischen beiden Partnern ausgewogener werden.

Die deutsch-chinesischen Investitionen entwickeln sich auf beiden Seiten weiter. Auf deutscher Seite drängt zusätzlich zu den großen Unternehmen eine wachsende Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen auf den chinesischen Markt. Bis jetzt machen kleine und mittlere Unternehmen mehr als die Hälfte der deutschen Investitionen in China aus. Gleichzeitig steigen Chinas Investitionen in Deutschland weiterhin jährlich um 25 Prozent, auch wenn es ein Nettoempfänger deutschen Kapitals bleibt.  

Die Internationalisierung des Yuan hat in Deutschland ebenfalls Fortschritte erzielt. Beide Regierungen ermutigen Unternehmen, im bilateralen Handel und bei Investitionen Yuan und Euro zu nutzen. Einige deutsche Finanzinstitute planen die Herausgabe yuan-dominierter Finanzprodukte. Frankfurt bemüht sich aktiv darum, ein Yuan-Handelszentrum in Europa zu werden.

Effiziente Mechanismen der Zusammenarbeit garantieren stabile deutsch-chinesische Beziehungen. In vergangenen Jahren haben beide Länder eine Reihe von Dialoginstrumenten in unterschiedlichen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen etabliert. Höhepunkt waren die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die 2011 ins Leben gerufen wurden. Zusätzlich zu den milliardenschweren Wirtschafts- und Handelsverträgen erzielten beide Länder außerdem einen Konsens in den Bereichen Politik, Kultur, Wissenschaft und Technologie. China ist weltweit das achte Land und außerhalb Europas das dritte, das einen solchen Mechanismus mit Deutschland eingerichtet hat.

2011 fand außerdem die erste Runde des deutsch-chinesischen Strategiedialogs auf Ministerebene in Beijing statt. Beide Seiten erzielten eine gute Verständigung über strategische Angelegenheiten und wichtige internationale Herausforderungen. Beide Regierungen haben außerdem Dutzende weiterer Dialogmechanismen zu Themen wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Umwelt und Spitzentechnologien eingerichtet. Sie sichern die reibungslose Entwicklung der bilateralen Kooperation auf politischer Ebene.

Der jüngste Wahlsieg Merkels setzte das riesige Potenzial wechselseitiger Kooperationen zwischen China und Deutschland frei und verspricht ein günstiges Klima für die schnellere Entwicklung der bilateralen Bindungen. Aufgrund Merkels ausgereifter Chinapolitik wird die Kooperation zwischen den beiden großen Volkswirtschaften auf strategische Weise fortschreiten.

Deutschland steckt in einer Energiewende und investiert stark in die Entwicklung sauberer Energien. Es hat China eingeladen, dem Klub der Länder beizutreten, die eine saubere Energiewende anführen wollen, und hofft auf eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen in diesem Bereich.

Die deutsch-chinesische Beziehung wurde als eine Partnerschaft von globaler Verantwortung definiert. In diesem Rahmen haben sich beide Länder verpflichtet, eine umfassende strategische Kooperation zu fördern und aktiv globale Verantwortung zu übernehmen. Es gibt großen Spielraum für beide Partner, ihr Vorgehen im Hinblick auf Klimawandel, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Armutsbekämpfung, internationale Friedenserhaltung und andere Bereiche globaler Regierungstätigkeit zu koordinieren.

 

(Der Autor ist Forscher im Professorsrang am China Institute of Contemporary International Relations.)