Beim Treffen mit jungen Ärzten im Shanghaier Ruijin Krankenhaus nimmt Wang Zhenyi Notiz von neuen medizinischen Forschungsergebnissen
Bahnbrechende Heilmethode
Im Jahr 1985 wurde ein fünfjähriges, an APL leidendes Mädchen in das Shanghaier Kinderkrankenhaus eingeliefert. Sie hatte hohes Fieber und blutete aus Mund und Nase. Xie Jingxiong, die Hämatologie-Expertin im Krankenhaus und Frau von Wang, beriet sich mit ihrem Ehemann über den Fall.
Da es keine andere Möglichkeit gab, versuchten sie die neue Therapieform und vollbrachten ein medizinisches Wunder. Nach drei Tagen der Einnahme von ATRA war die Patientin außer Lebensgefahr. Eine Woche später öffnete sie die Augen. Einen Monat darauf hatte sich ihr Zustand erheblich gebessert, und heute ist sie eine gesunde erwachsene Frau.
In jenem Jahr wurden 24 weitere APL-Patienten durch ATRA-Therapie geheilt. Wang setzte fortan alles daran, die neue Behandlungsmethode durchzusetzen. Aufgrund der Komplexität des Medikaments weigerten sich aber viele Pharmafirmen, es herzustellen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als an der medizinischen Fakultät in Shanghai einen Produktionsbetrieb einzurichten, wo das Medikament hergestellt wurde.
Die ATRA-Therapie hat wenige Nebenwirkungen, hemmt die Blutbildung nicht und verursacht keine Blutungen. Vor allem aber ist sie erschwinglich. „Das Medikament ist günstig, weil ich kein Patent darauf angemeldet habe", erklärt Wang. Auf die entgangene Verdienstmöglichkeit angesprochen, meint er: „In erster Linie bin ich Arzt, es ist mein Job, Menschen zu heilen."
Wissen an die Jugend weitergeben
Wang ist bescheiden geblieben. Er habe es lediglich geschafft, eine Leukämieform zu heilen, es gäbe aber noch zwanzig weitere, die nach wie vor unheilbar seien, meint er.
Seine energetische, dynamische Natur trotzt dem hohen Alter. Jeden Morgen macht er sich auf den Weg zu seinem Labor im Ruijin Krankenhaus an der SJTU, um zu forschen, zu diagnostizieren und Patienten zu behandeln. Besonders am Herzen liegt ihm die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. Zu seinen Studenten zählten auch der chinesische Gesundheitsminister Chen Zhu und dessen Frau Chan Saijuan.
Einmal die Woche hält Wang ein Kolloquium mit Studierenden und Kollegen ab, auf dem neue klinische Probleme vorgebracht werden. Er hört aufmerksam zu und geht den Fragen auf den Grund. Ganz gleich wie beschäftigt er ist, er gibt sein Bestes, um keine Frage unbeantwortet zu lassen. |