21-03-2012
Porträt
Fernweh mit 60 Plus
von Bai Shi

 

Ein pensioniertes Ehepaar hat sein Glück im Reisen rund um den Globus gefunden

Niemals zu alt: Zhang Guangzhu und seine Frau Wang Zhongjin posieren 2011 auf dem Eis am Ende der Welt - der Antarktis.

 

Zhang Guangzhu (64) und seine Frau Wang Zhingjin (62) waren schon auf jedem Kontinent, sogar in der Antarktis. Bei ihren weltweiten Abenteuern haben sie fünf Reisepässe mit Touristenvisa und Zollstempeln von über 40 Ländern gefüllt. Als außergewöhnliches Paar, das die Welt bereist, haben sie in China inzwischen einen großen Bekanntheitsgrad erlangt.

Das Duo veröffentlicht seine Reiseberichte im Internet, um andere Menschen an ihren Erlebnissen in der Fremde teilhaben zu lassen. Mittlerweile werden ihre Blogs von 70 000 Followern gelesen. Das Paar setzt so ein Zeichen für andere Rentner und hat heftige Diskussionen darüber ausgelöst, wie man sein Leben im Ruhestand verbringen soll.

 

Die Reise beginnt

Wie viele andere ältere Chinesen waren Zhang und Wang über lange Zeit ihren Familien  verpflichtet, sodass ihnen nur wenig Zeit zum Reisen blieb. Beide arbeiteten mehrere Jahrzehnte lang an der Shanxi Akademie der Sozialwissenschaften in Taiyuan, der Hauptstadt der Provinz Shanxi. Später kündigte Zhang und baute sein eigenes Unternehmen auf. Nachdem beide einige Jahre lang von einer Stadt zur anderen gezogen waren, ließen sie sich schließlich im Jahr 2000 bei ihrer Tochter in Beijing nieder.

Im Januar 2007 besuchten sie die Tigersprungschlucht, ein tiefes und landschaftlich wunderschönes Tal in der südwestchinesischen Provinz Yunnan. In einem Dorf am Fuß eines schneebedeckten Berges trafen sie auf einen ausländischen Touristen, der durch China reiste, aber nur ein paar Brocken Chinesisch sprach.

Zhang erinnert sich, wie er zu seiner Frau sagte: „Wenn Sprachbarrieren beim Reisen kein Problem sind, warum sollten dann nicht auch wir ins Ausland gehen?"

Nachdem sie wieder nach Beijing zurückgekehrt waren, plante das Paar eine ambitionierte Reise nach Europa. Im Frühjahr 2008 wollten beide eine 88-tägige Rundreise in 16 europäische Länder unternehmen. Um ihre Expedition um den Globus zu finanzieren, setzten sie ihre Ersparnisse ein.

Trotz seiner gründlichen Reisevorbereitungen verirrte sich das reisende Duo aufgrund  mangelnder Englischkenntnisse am Flughafen von Athen, ihrem ersten Reiseziel. Doch der Enthusiasmus blieb groß und Zhang und Wang waren weiterhin bereit, als Fremde in einem fremden Land zu bestehen.

Seither sind Reisen ins Ausland für das Paar ein Hobby geworden. Jedes Jahr verbringen sie sechs Monate bei ihrer Familie in Beijing, die verbliebenen sechs reisen sie.

„Unsere romantischste Nacht haben wir erlebt, als wir in Australien an einem Lagerfeuer gecampt haben", sagt Zhang, „für mich hat es sich in diesem Moment so angefühlt, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt."

„Wandertouren, im Internet surfen und andere neuartige Dinge erleben, sind nicht nur etwas für junge Menschen. Auch wir kommen damit zurecht", erklärt er.

Noch wichtiger ist, dass das Paar während des Reisens wiederentdeckte, was Glück wirklich ist. In seinem Buch „The Elderly Backpackers", das im Februar 2012 erschien, schreibt das Paar: „Glück ist wie der schönste Aussichtspunkt, nach dem man immer gesucht hat, den man aber nur nach dem Überwinden großer Schwierigkeiten genießen kann."

 

Der Tourismus boomt

Das reichhaltige Rentnerleben und die großartigen Reisen von Zhang und Wang finden die Bewunderung vieler älterer Menschen.

Neuesten Statistiken zufolge sind 180 Millionen Einwohner Chinas über 60 Jahre alt, mehr als 13 Prozent der Gesamtbevölkerung – ein Zeichen der Überalterung der chinesischen Gesellschaft.

Neben den Reisenden, die Ziele innerhalb des Landes ansteuern, gibt es eine wachsende Anzahl von Chinesen, die ins Ausland reisen. Offizielle Statistiken, veröffentlicht vom Nationalen Fremdenverkehrsamt, zeigen, dass Chinesen inzwischen die reiselustigsten Asiaten sind. 2010 verreisten 57,38 Millionen von ihnen ins Ausland. Ältere Touristen stellen 30 Prozent aller Reisenden.

Allerdings bevorzugen ältere Touristen Pauschalangebote, die von Reisebüros angeboten werden, anstatt auf eigene Faust auf Wanderschaft zu gehen.

„Obwohl Zhang und Wang schon noch eine Ausnahme unter den vielen Paaren im Ruhestand sind, zeigt ihre Geschichte doch den Mut älterer Menschen, und trägt dazu bei, traditionelle Vorstellungen über das Leben im Ruhestand zu verändern", sagt Hu Shihai, Geschäftsführer des Reisebüros „Golden Fortune".

Ältere Menschen haben in China traditionell eher noch mehr Verantwortung gegenüber der Familie als Menschen jüngeren Alters. Auch im Rentenalter versuchen sie noch Geld für ihre Kinder und Enkel zu sparen. Daher ist es unter älteren Chinesen üblich, zu Hause zu bleiben und sich um die nachwachsende Generation zu kümmern.

„Heute aber wollen immer mehr Senioren ihr Geld bei Reisen im In- und Ausland ausgeben, anstatt es nur für die Kinder aufzusparen", sagt Shen Yi, Manager der Abteilung für Europa und Nordamerika des Beijing Youth Travel Service Co. Ltd.

„Reisen trägt zur Gesundheit der Menschen im Ruhestand bei und fördert harmonische Familienbeziehungen von Paaren", so Shen.

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