Am Rande des UN-Klimagipfels vom 28. November bis 9. Dezember im südafrikanischen Durban hat die Beijing Rundschau mit Tim Gore, Berater für internationale Politik der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam, über Strategien zur Bewältigung des Klimawandels gesprochen. Im Exklusivinterview erklärt der Klimaschutzexperte, warum die Organisation eine Emissionsabgabe für den internationalen Schiffsverkehr fordert und wie ein solcher Mechanismus umzusetzen wäre.
Tim Gore, Berater für internationale Politik der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam
Die internationale Schifffahrt ist einer der Hauptverursacher schädlicher Treibhausgase. Der durch den Schiffsverkehr verursachte Kohlendioxydausstoß nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Die internationale Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam sowie die Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF), zwei der weltweit größten Nichtregierungsorganisationen, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben haben, fordern nun, Emissionsabgaben für den internationalen Schiffsverkehr. So könnte nicht nur der CO2-Ausstoß in diesem Bereich erheblich reduziert werden, glauben die Umweltschützer. Durch die Einnahmen könnten gleichzeitig auch Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie zur Schadensminderung in den Entwicklungsländern finanziert werden. Am 29. November trafen am Rande der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban Mitglieder der Hilfsorganisationen mit Vertretern der Internationalen Schifffahrtskammer zusammen, die rund 80 Prozent der weltweiten Handelsflotte repräsentiert. Gemeinsam drängt man darauf, auf dem Weltklimagipfel einen Vorstoß für eine internationale Preispolitik in Sachen Emissionsabgabe für den internationalen Schiffsverkehr zu erreichen.
Yu Yan, der für die Beijing Rundschau vor Ort aus Durban berichtet, sprach in einem Exklusivinterview mit dem Experten für internationale Klimapolitik von Oxfam Tom Gore über den Antrag der Organisation auf eine solche internationale Emissionsabgabe.
Beijing Rundschau: Herr Gore, können Sie uns Ihren Antrag einmal kurz erläutern? Was genau sind Ihre Forderungen?
Tim Gore: Wir fordern, dass zukünftig eine Kohlendioxyd-Abgabe für den internationalen Schiffsverkehr erhoben wird, um so die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich entscheidend zu reduzieren. Ein Teil der Einnahmen aus dieser Abgabe soll den Entwicklungsländern zugute kommen und die zusätzlichen Ausgaben, die für diese durch die erhöhten Transportkosten entstehen, kompensieren. Den Rest des Geldes wollen wir dem Green Climate Fund, einem Hilfsfonds der Vereinten Nationen, der im letzten Jahr auf dem Weltklimagipfel in Cancun gegründet wurde, zukommen lassen. Das ist unser Vorschlag.
Beijing Rundschau: Sie sagen, sie wollen diese Emissionsreduzierung durch marktorientierte Instrumente reduzieren. Was müssen wir uns unter „marktorientierten Instrumenten" vorstellen?
Tim Gore: Es gibt derzeit eine heftige Debatte in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO, wie eine Emissionsreduzierung durch marktorientierte Mechanismen zu verwirklichen ist. Denkbar wäre beispielsweise eine Steuer. Es könnte aber auch über einen Weg geschehen, auf dem gleichzeitig auch Gelder generiert werden. Auf ein genaues Schema haben wir uns derzeit noch nicht festgelegt.
Das Hauptproblem ist, ein System zu entwickeln, bei dem die ohnehin schwachen Entwicklungsländer nicht noch zusätzlich belastet werden und das dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten gerecht wird.
Beijing Rundschau: Ihr Antrag sieht vor, einen bedeutenden Teil der Einnahmen aus einer solchen Abgabe den Entwicklungsländern als Kompensation zukommen zu lassen. Wie groß wird dieser Anteil denn sein?
Tim Gore: Letztlich glauben wir, dass die gesamten Einnahmen den Entwicklungsländern zugute kommen sollten. Das Geld wird aber nur teilweise direkt an sie fließen: Etwa 40 Prozent der Einnahmen sollen ihnen als direkte Kompensationen für die gestiegenen Transportkosten zukommen. Zusätzlich wollen wir, dass der überwiegende Teil der verbleibenden 60 Prozent der Gelder an den Green Climate Fund der Vereinten Nationen fließt. Wir gehen davon aus, dass pro Jahr Abgaben in Höhe von insgesamt 25 Milliarden Dollar zusammenkommen werden. 10 Milliarden davon sollen direkt an den Green Climate Fund gehen.
Beijing Rundschau: Wie soll das Geld verwaltet werden?
Tim Gore: Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO, die Schifffahrtsaufsichtbehörde der UN, wird letztlich für die Umsetzung des Systems zuständig sein. Sie wird das Abgabensystem entwerfen und ausführen. Für die technische Umsetzung des Projekts liegen derzeit mehrere Vorschläge auf dem Tisch. Die letzte Entscheidung überlassen wir hier den Experten der IMO.
Wenn es nach uns geht, sollen die Gelder zentral eingezogen werden und dann an den Green Climate Fund weitergeleitet werden. So wäre es möglich, die Finanzierung des Fonds langfristig zu sichern.
Beijing Rundschau: Die EU plant, für die Schifffahrt einen ähnlichen Mechanismus zum Emissionshandel umzusetzen, wie es ihn in Europa bereits für die Luftfahrt gibt. Was halten Sie von dieser Idee?
Tim Gore: Die Pläne der EU stellen unserer Meinung nach keine wirkliche Alternative zu unserem Vorschlag dar, weil es sich hierbei um einen einseitigen, regionalen Ansatz handelt. Die EU hat im Bereich der Luftfahrt bereits einen solchen einseitigen, regional begrenzten Mechanismus etabliert. Letztlich deshalb, weil es nicht gelungen ist, ein weltweites Übereinkommen zu treffen. Jetzt plant die EU eine ähnliche Vorgehensweise auch für die Schifffahrt. Wir hingegen sagen: Was wir brauchen, ist ein globaler Ansatz, der dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten entspricht.
Beijing Rundschau: Herr Gore, wir danken Ihnen für dieses Gespräch! |