14-07-2011
Porträt
Céring Dorjee: Bergsteiger aus Leidenschaft
von Zeng Wenhui

Einbrechende Schneebretter, Rutschen und Fallen, erschöpft, Gehen, ohne zu sehen wohin, so dehnte sich eine Distanz, die normalerweise einen Fußmarsch von einer Stunde bedeutet, zu einem vierzehn Stunden dauernden Albtraum, in dem das Team von Sturm und Eis geschüttelt wurde! Nach der Rückkehr ins Basislager konnte sich niemand des Weinens enthalten. Selbst Céring Dorjee gibt zu: „Angesichts schier unüberwindlicher Schwierigkeiten kommt auch mir der Gedanke ans Aufgeben. Aber wir haben schon so viele Berge zusammen erstiegen, dass wir mit unserem Scheitern der Partei und dem Volk einen schlechten Dienst erweisen würden."

Über seine Kollegen meint Dorjee: „Unter uns Teamkollegen herrscht eine größere Verbundenheit als in einer Familie. Beim Bergsteigen sind wir aufeinander angewiesen. Verwandte, Freunde und sogar die Eltern können uns bei Schwierigkeiten am Berg nicht helfen. Weit weg von Lhasa im Gebirge auf über 6500 Meter können wir uns nur gegenseitig helfen."

Erinnert er sich an einen ganz bestimmten Bergkameraden, so treten ihm Tränen in die Augen. Am 27. Mai 2005 geriet der Jeep seines Teams in einen Steinschlag. Sein Kollege Renna erlag seinen schweren Kopfverletzungen. Renna, der Bergkamerad, hatte ihn auf alle Achttausender begleitet gehabt. Zwei Jahre nach seinem Tod, genau gesagt am 12. Juli 2007 um 12.20 Uhr, war es endlich so weit: Dorjee stand mit Bênba Zhaxi, Loze und Jiji, der Witwe von Renna, endlich auf dem Gipfel des Gasherbrum I. Mit der Urne von Renna in Hand sagte Dorjee, der seine Tränen nicht zurückhalten konnte, nur den einen Satz: „Wir haben es geschafft!"

 

Eintritt in die Partei

Im Oktober 2004 trat Dorjee in die Kommunistische Partei Chinas ein. Er sagt: „Ohne die KPCh hätte sich das Bergsteigen in China nicht so gut entwickeln können. Die meisten meiner Bergkameraden sind Parteimitglieder. Ich fasste schon früh den Entschluss, der KPCh beizutreten, aber wegen meines Berufes war ich oft unterwegs in den Bergen und konnte nur ganz spät im Leben Parteimitglied werden."

Im Olympiajahr 2008 verzichtete Dorjee freiwillig auf die Teilnahme am Fackellauf zur Übergabe des olympischen Feuers und arbeitete lieber im Hintergrund für die Organisation dieses großen Ereignisses, in dessen Rahmen das olympische Feuer auch auf den Gipfel des Qomolangma getragen wurde. Das Tragen der Fackel wäre eine große Ehre für ihn gewesen, aber um den Erfolg des Fackellaufs zu garantierten, delegierte er als vorbildliches Parteimitglied diese Aufgabe an einen jüngeren und kräftigeren Kollegen.

Es gibt im Team derzeit rund fünfzig Bergsteiger, vierzig von ihnen sind Mitglieder der Partei. Im Rahmen der Basisorganisation werden jeden Monat entsprechende Aktivitäten durchgeführt, zu denen das Studium von Parteidokumenten und der Parteigeschichte ebenso zählen wie die Verbreitung des Geistes der alten Bergsteiger wie Wang Fuzhou, Gongbu und Qu Yinhua usw., die in den vergangenen sechzig Jahren unter denkbar schlechten Bedingungen mit mangelhafter Ausrüstung erstmals den Qomolangama von der Nordflanke her erstiegen.

Über die Grundeinstellung seines tibetischen Bergsteigerteams sagt Dorjee: „Wir wollen jetzt und in Zukunft dem Volk und der Gesellschaft dienen."

In Yangbajain gibt es ein Zentrum zum Training für das Höhenbergsteigen. Bergsteiger, die auf den Qomolangama  wollen, können sich dort anmelden, sich einem Lehrgang unterziehen und Tips rund ums Bergsteigen erhalten. „Beim Bergsteigen muss man viele Details berücksichtigen. Man kann diese Tätigkeit nicht auf die leichte Schulter nehmen. In China träumen viele Jugendliche davon, den Qomolangma zu besteigen. Wenn sie in unsere Bergsteigerschule kommen, erklären wir ihnen gleich zu Beginn, dass das Bergsteigen eine Teamarbeit ist. Ohne einen engen Zusammenhalt in der Gruppe setzt man sich nur Gefahren aus."

Dorjee hat zwei Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn arbeitet in Ngari. „Zwar sind die Bedingungen in Ngari nicht so gut wie in Lhasa, aber er will sich dort abhärten", sagt Dorjee nicht ohne Stolz. Die anderen Kinder studieren an Universitäten in der Provinz Jiangsu und in der Stadt Chongqing.

Für das Team gibt es dieses Jahr kein volles Programm in den Bergen. Vormittags haben sie Unterricht in Chinesisch oder Tibetisch über tibetische Geschichte und Kultur. Manchmal hält Dorjee für die Bergbegeisterten Vorlesungen über die Geschichte und die Kultur des Bergsteigens in Tibet. Die Nachmittage sind dem Training gewidmet, damit eine gute Kondition geschaffen wird, ohne die man am Berg nicht überleben kann.

Außerdem wollen sie gerne ein Rettungsteam gründen, das am Qomolangma zum Einsatz kommen soll. Es gibt weder in China noch sonst wo eine spezielle Bergrettungsmannschaft für den Qomolangma. „Beim Bergsteigen kann man auf einen raschen Wetterumschwung etwa mit blitzartig einsetzenden Schneestürmen stoßen, oder man erleidet Sauerstoffmangel. In Himalaya kommen jedes Jahr Menschen beim Bergsteigen ums Leben. Es ist unbedingt notwendig, so ein Rettungsteam zu schaffen", sagt Dorjee. Die Gründung steht nun unmittelbar bevor. Dorjee ist für den Posten des stellvertretenden Leiters vorgesehen.

 

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