01-02-2010
Porträt
Der deutsche Astrophysiker Gerhard Börner: mein Kontakt zu China hat meine Persönlichkeit mitgeformt
von Zeng Wenhui

Gerhard Börner mit seinem Kollegen Jing Yipeng vom Shanghai Astronomical Observatory

Welche astronomische Errungenschaft des antiken Chinas hat Sie am meisten beeindruckt?

Ich hatte einen sehr guten Kollegen, Li Qibin, der leider gestorben ist, er war lange Jahre Direktor des Peking Observatoriums. Durch ihn habe ich viel über die Astronomie des alten Chinas gelernt. Es gibt einen ganz dicken Sammelband über die Errungenschaften der antiken chinesischen Astronomie. Was mich fasziniert hat, ist diese sorgfältige Aufzeichnung der astronomischen Ereignisse, wie z. B. Sonnenflecken. Die Genauigkeit, mit der über 2000 Jahre lückenlos geforscht wurde. Nehmen Sie etwa den Komet Halley, die alle 80 Jahre erscheint. Vom Jahr 500 vor Christus bis heute, jedes Mal, wenn er erschienen ist, ist er von chinesischen Astronomen beobachtet worden. Auch andere Ereignisse am Sternenhimmel wurden aufgezeichnet. Da gibt es einen ganzen Schatz solch alter Beobachtungen. Wir haben damals einige dieser Beobachtungen genutzt und versucht, sie mit modernen Beobachtungen von Röntgensatelliten zu vergleichen. Wir haben festgestellt, dass manche Supernova, die jetzt mit Röntgensatelliten beobachtet wird, vielleicht auf eine von antiken Astonomen in China beobachtete Sternexplosion zurückgeht. Man kann ihre Position am Himmel mit der Beschreibung in den alten Dokumenten vergleichen, das fand ich unglaublich faszinierend.

 

An Chinas Universitäten ist das Studium von Fächern, die wie die Astronomie keinen direkten Bezug zur Wirtschaft haben, nicht so beliebt bei jungen Leuten. Man fürchtet, auf diesem Gebiet nicht so gut verdienen zu können und nur schwer Arbeit zu finden. Was meinen Sie dazu? 

Es gibt natürlich immer einzelne Fächer, die keine große Begeisterung wecken und auch nicht wirklich nützlich für den Beruf sind. Aber die moderne Astronomie hat schon ihre Vorteile, obwohl es kein Fach ist, das unmittelbar praktische Anwendung hat. Ich weiß aus Deutschland, dass junge Leute, die Astronomie studiert haben, auch in der Industrie sehr gut Anstellung finden. Weil sie sehr gut mit Computern umgehen können, weil sie sehr gut mit gedanklichen Modellen arbeiten können, werden sie oft von Banken oder Finanzinstituten als Mitarbeiter eingestellt. Es ist nicht ganz einfach, eine praktische Anwendung für das Wissen zu finden, das man in einem Astronomiestudium erwirbt, aber wenn jemand dafür Interesse hat, kann man ihm durchaus dazu raten, dieses Studium aufzunehmen.  

 

Was kann die Regierung in dieser Hinsicht unternehmen?

Mein Eindruck ist, dass in den letzten Jahren die Astronomie in China enorm gefördert wurde. Gegenwärtig sind die Wissenschaftler in China ausgesprochen gut dran, mein Eindruck ist, dass man es nicht viel besser machen kann, die Situation ist schon sehr gut. Ich würde mir nicht anmaßen, hier einen Rat zu erteilen. Auch die Teilnahme an internationalen Projekten, und auch die Durchführung von Projekten wird in China bestimmt nicht an finanziellen Mitteln scheitern. Das ist wunderbar.

 

Der Film „Avatar" ist weltweit momentan ein Kassenschlager. Glauben Sie, dass es außerirdisches Leben gibt?

Das ist eine schwierige Frage, weil wir nicht wirklich wissen, was die Voraussetzungen dafür sind, das Leben entsteht. Ich glaube, dass es sehr viele Planeten mit Leben gibt, einfach weil es sehr viele Sterne gibt, hundert Milliarden Sterne! Uns gibt es ja auch, hier auf der Erde. Das ist der Beweis, dass sich Leben entwickelt. Ich halte es für möglich, dass es ein Leben auch auf anderen Planeten gibt. Vielleicht in unserer Milchstraße eher selten, weil es doch ein sehr langer Weg ist, bis es zu intelligentem Leben kommt. Aber es gibt ja auch sehr viele andere Galaxien. Ich bin der Meinung, dass es viele bewohnte Welten mit Lebewesen gibt.

 

Glauben Sie als Astronom, dass Astrologie eine Wissenschaft ist?

 Früher war Astrologie und Astronomie praktisch das Gleiche. Bei den antiken Astronomen war das gar nicht getrennt. Wir sind heute als exakte Wissenschaftler natürlich darum bemüht, uns ganz stark von der Astronomie abzugrenzen. Die Astrologie, denke ich, ist mehr so eine Art Psychologie.

Ich glaube nicht, dass die Behauptung der Astrologie, etwas über die Zukunft aus den Sternen lesen zu können, wirklich zutrifft. Dass die Sterne gar keinen Einfluss auf unser Leben haben, würde ich auch nicht sagen: im Großen haben sie sicher Einfluss auf unser Leben, die Sonne ist zum Beispiel verantwortlich für das Leben auf der Erde. Aber ich glaube nicht, dass das individuelle Leben eine Bestimmung hat, die von den Sternen herkommt. Da bin ich sehr skeptisch. Die Astrologie ist eine Pseudowissenschaft. Astrologie gibt sich sehr wissenschaftlich, und teilweise auch sehr mathematisch, sie ist aber nicht wirklich eine Wissenschaft.  

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