20-08-2015
Im Focus
Zu exotisch im konservativen Land
von Edith Stifter

Lisa hat Sinologie und Politikwissenschaften im In- und Ausland studiert. Nach dem Bachelorstudium in Wien hat sie knapp zwei Jahre in China (Beiyu) und Taiwan (Taida) verbracht und danach einen Master an der School of Oriental and African Studies in London und den Diplomlehrgang an der Diplomatischen Akademie Wien absolviert.

Man sollte meinen, dass es mit dieser Qualifikation nicht besonders schwierig wäre, eine gute Stelle zu finden.

„In Österreich war es sehr schwer, einen Job zu finden. Meistens wird man als ‚Exotin' abgestempelt, für die es im österreichischen System keinen Bedarf gibt. Das wurde mir auch einige Male so gesagt. Circa 150 Bewerbungen in verschiedensten Bereichen und Sparten dienen als Beweis dafür", schildert Lisa.

Sie sagt: „Bei Interviews waren die Arbeitgeber immer sehr begeistert vom Lebenslauf und der für viele Österreicher untypisch langen Auslands- und Arbeitserfahrung. Doch am Ende hieß es immer: ‚Chinesisch brauchen wir eigentlich nicht' – obwohl ich viel mehr zu bieten hatte als ‚nur' Chinesisch. Ich hatte Praktika in internationalen Organisationen oder im Außenministerium sowie weitere Berufserfahrung hinter mir."

Lisa hat in Österreich knapp sieben Monate nach einer Stelle gesucht.

„Dann ist es mir zu blöd geworden und ich habe mich weltweit umgeschaut. Jetzt arbeite ich für eine NGO in Südostasien – einen Job, den ich übrigens nach knapp drei Wochen Aufenthalt schon bekommen habe. Die lange Jobsuche in Österreich sehe ich als verlorene Zeit, die ich jetzt wieder aufholen möchte."

Netzwerke sind auch in Österreich sehr wichtig.

„Ich denke, in konservativen Ländern wie Österreich wird nur auf das „richtige" Studium im Lebenslauf geschaut. Wer also ein klassisches Jura- oder Wirtschaftsstudium hinter sich hat, wird einen Job finden. Fremdsprachen und Auslandserfahrungen scheinen keine Rolle zu spielen, wie auch viele meiner KollegInnen berichten."

Die beiden Jahre in China wurden auch oft als „Spaß- und Reisezeit" abgetan. Erasmus-Aufenthalte im europäischen Ausland, die generell eher in diese Kategorie passen würde, wurden dagegen positiv hervorgehoben.

Im Ausland war Chinesisch dann wieder förderlich. Für viele Arbeitgeber bedeutet dies, dass man Durchhaltevermögen und Durchsetzungsfähigkeit besitzt, und weltoffen ist. In Österreich war es definitiv hinderlich. Ein Arbeitgeber hat sie sogar gefragt: „Warum haben Sie Chinesisch studiert? Chinesen sprechen doch alle Englisch!".

Da Lisa einen binationalen Hintergrund hat, wurde auch meist angenommen, dass Chinesisch ihre Muttersprache sei. Einmal wurden sogar die Deutschkenntnisse der gebürtigen Österreicherin gelobt!

Warum sie Sinologie studiert hat und ob sie sich im mit ihrem heutigen Wissenstand nun anders entscheiden würde, beantwortet sie folgendermaßen: „Ich wollte immer Fremdsprachen studieren und habe mich bereits in meiner Schulzeit besonders für die Geschichte und Politik Chinas und Ostasiens interessiert. Meine große Reise- und Abenteuerlust hat wohl auch eine Rolle gespielt."

Während der Jobsuche hat sie ihre Studienwahl manchmal bereut. „Aber wenn ich genau überlege, ich würde es heute nicht anders machen, nur wahrscheinlich mein Grundstudium gleich in einem anderen Land abschließen."