20-08-2015
Im Focus
Im antwortlosen Bewerbungsprozess
von Edith Stifter

Christopher verschickt Unmengen von Bewerbungen.

Christopher ist der „jüngste" der befragten Sinologen, da er sein Studium erst vor kurzem, im Jahr 2014, abgeschlossen hat. Seither arbeitet er 20 Stunden in der Woche und sucht nach einer „richtigen" Stelle. Er will uns hier – stellvertretend für so viele andere – Einblick in diesen etwas frustrierenden Prozess geben.

„Ich habe seit meinem Abschluss im April 2014 bestimmt 100 Bewerbungen verschickt. Gespräche dabei rausgekommen sind vielleicht zehn. Face-to-Face-Interviews drei und sonst viele Absagen oder gar keine Reaktion", fasst er seine bisherigen Bemühungen zusammen.

„Leider wird einem dabei oft nicht gesagt, woran es nun gelegen hat, dass man im Bewerbungsprozess nicht weitergekommen ist", meint er. Vielleicht wäre es ein Trost für ihn zu wissen, dass manche Institute bei europaweiten Ausschreibungen – so spezialisiert das Anforderungsprofil auch scheinen mag – über 1000(!) Bewerbungen erhalten und so gar nicht die Möglichkeit haben, alle eingetroffenen Bewerbungsschreiben zu lesen.

Dass Christopher in knapp einem Jahr etwa 100 Bewerbungen verschickt hat, zeigt, dass er die Jobsuche äußerst ernst nimmt und sicher viel Zeit investiert. „Schwierig ist es, überhaupt Jobs mit Chinabezug rauszusuchen, da meinem Empfinden nach die meisten Angebote eher auf Stellen in China aber sonst ohne Chinabezug sind. Es geht nur um den Standort, z.B. als Ingenieur bei VW. Man kann dort dann Deutsch und Englisch sprechen und hat absolut keine Notwendigkeit sich mit der Kultur oder der Sprache auseinanderzusetzen", beschreibt Christopher ein Phänomen, das auch andere Sinologen bestätigen können.

So mancher angehende Informatiker übersetzt die in einer Summerschool erworbenen Sätze „Ni hao" und „Yi ping pijiu" in Chinesisch-Grundkenntnisse im Lebenslauf. Umgekehrt aber wird man sich sogar mit Fähigkeiten die weit über „E-Mails schreiben und E-Mails lesen" nicht so bald in einer IT-Abteilung bewerben dürfen.

„Chinaexperten mit Sprachkenntnissen oder ähnlichem werden so gut wie nicht gebraucht", stellt er am Ende etwas traurig fest.

Christopher leidet sicher auch ein wenig darunter, dass die während des Studiums oft erzwungenermaßen erworbene Berufserfahrung wenig zähl. „Ich habe keine weitere Ausbildung, habe jedoch auch schon Praktika absolviert und verschiedenste Nebenjobs gehabt", sagt er. Es ist also keinesfalls ein unerfahrener Berufsneuling der sich hier durchkämpft.

„Bei den wenigen Jobangeboten mit interkulturellem Bezug hatte ich bisher auch wenig Erfolg. Zumindest arbeite in momentan beim Youth for Understanding Komitee für internationalen Schüleraustausch. Allerdings wende ich auch hier mein Chinesisch nicht an. Diese Qualifikation geht also eher unter, interkultureller Background und Auslandsaufenthalte sind dafür aber gern gesehen und eventuell sogar ein must-have."