20-08-2015
Im Focus
Nicht auf der Strecke bleiben wollen
von Edith Stifter

Auch Christiane* hat vor kurzem den Weg in die Selbstständigkeit gewählt. Hier schildert sie ihre Erfahrungen nach dem Studienabschluss. Ihr Einstieg in die Berufswelt schien absolut vielsprechend, doch nach der Rückkehr aus China zeigt sich, dass Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Auslandserfahrung ohne ein gutes Netzwerk ihren Wert rasch verlieren. Auch Christiane war an dem Punkt gewesen, an dem sie die Wahl des Studiums und ihren gesamten Berufsweg hinterfragte und sie sucht heute noch die Gründe für die schwierige Jobsuche bei sich. Waren am Ende alle Entscheidungen falsch gewesen?

Obwohl sie bereits Berufserfahrung hatte, begann sie ein unbezahltes Praktikum und hat vor kurzem ein eigenes Unternehmen gegründet. Zwar kann sie derzeit dort das jahrelang mühsam gelernte Chinesisch nicht anwenden, aber man kann davon ausgehen, dass vieles, was sie sich im Studium angeeignet hat – tausende Schriftzeichen zu lernen, trainiert beispielsweise die Merkfähigkeit ungemein – in ihrem neuen Unternehmen hilfreich sein wird.

Christiane hat Sinologie im Hauptfach und Englische Sprache sowie Politikwissenschaft im Nebenfach studiert (Magister). Da ihr die Jobsuche in Deutschland zunächst aussichtlos erschien, bewarb sie sich bei verschiedenen Unternehmen, Stiftungen und anderen gemeinnützigen Organisationen in China. Auch hier konnte sie zunächst nur – aufgrund eines glücklichen Zufalls – bei einem deutschen Unternehmen eine Praktikumsstelle für sechs Monate bekommen. Da sie sich davon nützliche Kontakte und sinnvolle Arbeitserfahrung versprach, willigte sie ein und war zwei Wochen später auch schon vor Ort. Das Praktikum hat ihr dann tatsächlich zu ihrer ersten festen Anstellung bei einer politischen Stiftung in Beijing verholfen. Hier blieb sie beinahe zwei Jahre. „Leider musste ich aus familiären Gründen zurück nach Deutschland, ein Umstand, der mich dann auf den harten Boden der Realität zurückholte."

In China hatten sich das Sinologiestudium sowie ein gutes Kontaktnetzwerk sehr positiv auf ihre Karrierechancen ausgewirkt. Noch während meiner Zeit bei der Stiftung hatte man ihr ein neues Jobangebot, ebenfalls in Beijing, gemacht. Leider konnte sie dieses aus den erwähnten familiären Gründen nicht annehmen. „Zurück in Deutschland sanken meine Jobaussichten dann plötzlich auf fast null, weil mir hier meine Kontakte aus Beijing nicht weiterhelfen konnten."

„Da ich an Hamburg gebunden war, bewarb ich mich auf unterschiedlichste Stellen mit und ohne Chinabezug in den Bereichen Stiftungsarbeit, Marketing und Eventmanagement in der Hansestadt. Es regnete unzählige Absagen ohne je zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Eine sehr deprimierende Zeit, in der ich meine bisherigen Karriereentscheidungen immer wieder in Frage stellte."

„Leider bekommt man in solchen Fällen keine Gründe für die Absage genannt, aber zu vermuten ist, dass ich nicht spezialisiert genug gewesen bin. Das Chinesisch war bei den Stellen ohne Chinabezug mit Sicherheit eher hinderlich, da man mit einer solchen ‚teuren' Zusatzqualifikation nichts anzufangen wusste."

Christiane hat insgesamt über ein Jahr gesucht. Um diese Zeit möglichst sinnvoll zu gestalten, absolvierte sie zwei Fortbildungen im Bereich Webdesign und Online Marketing Management.

„Kurz danach nahm ich aus purer Verzweiflung eine unbezahlte Praktikumsstelle bei einem jungen Start-Up im Bereich Marketing an. Hier versprach man mir eine Anstellung nach erfolgreicher sechsmonatiger Einarbeitungszeit. Leider waren die Arbeitsbedingungen dort alles andere als optimal, so dass es mir nicht schwer viel zu kündigen, als sich für mich die Gelegenheit eröffnete selbstständig zu werden."

„Mittlerweile bin ich seit fast einem Jahr selbstständige Unternehmerin im Bereich Eventmanagement. Leider kann ich hierbei mein Wissen aus dem Sinologiestudium überhaupt nicht anwenden, es sei denn ich bekomme zufällig mal einen chinesischen Kunden, was aber bisher noch nicht der Fall war. Wir stehen jetzt noch ganz am Anfang, aber ich hoffe sehr, dass ich mir hiermit eine solide Existenz aufbauen kann, denn es gibt für mich nichts Schlimmeres als das Gefühl ‚auf der Strecke zu bleiben'."

*Name von der Redaktion geändert.