20-08-2015
Im Focus
Guanxi sind das A und O der Arbeitssuche
von Edith Stifter

Volker hat sein Studium an der Universität Bonn 2001 abgeschlossen. Schon während des Studiums hatte er sich eine Praktikumsstelle beim Deutschen Wirtschaftsbüro Taipei organisiert und flog dann direkt nach dem Diplom nach Taipei. Dort besuchte er einen Sprachkurs und begann dann sein Praktikum.

„Zu Schulzeiten war ich ein großer Fan von Jet Li und Jackie Chan. Deshalb habe ich in der Oberstufe angefangen, Kung Fu und Tai Chi zu lernen. Außer den Kampfsportaspekten hat mich aber auch die chinesische Geschichte interessiert, also, ich wollte mehr über die Hintergründe rausfinden, die in den Filmen angesprochen wurden, die Geschichten, die dahinterstecken", erklärt er sein Interesse an China.

Nach dem Praktikum hatte er dann das Glück, beim Goethe-Institut als Urlaubsvertretung einspringen zu können, woraus sich dann eine Halbtagsstelle entwickelte, später eine Vollzeitstelle.

Wie das kam? „Entscheidend war dabei, dass ich vor Ort war und Leute kennengelernt habe. Meiner Erfahrung nach sind Guanxi das A und O bei der Arbeitssuche, und wenn man die noch nicht von Haus aus mitbringt, ist es gut, in einer überschaubaren Community zu leben, in der man schnell die richtigen Leute kennenlernt."

Nach fünf Jahren in Taiwan kehrte er aus familiären Gründen wieder nach Deutschland zurück. „Da sah es dann mit den Guanxi anders aus – ich habe mindestens 200 Bewerbungen geschrieben, aber keine Arbeit gefunden."

„Die meisten Stellen waren zumindest halb fachfremd, weil es ziemlich wenige Festanstellungen direkt in unserem Bereich gibt. Aber auch bei Stellen, die fast 100 Prozent auf mein Profil passten, habe ich in der Regel nicht einmal ein Vorstellungsgespräch bekommen. Gerade, wenn ich dann mal mitbekommen habe, wer die Stelle schließlich bekommen hat, hatte ich nicht selten das Gefühl, dass die Stelle schon unter der Hand an Bekannte vergeben war, aber noch offiziell ausgeschrieben werden musste".

Leider waren Vermittler wie das Arbeitsamt oder Zeitarbeitsfirmen auch keine große Hilfe, da diese sich nur mit den großen Standardberufen auskennen, und nicht wirklich Ahnung haben, wie sie jemanden mit besonderem Profil vermitteln sollen, oder auch nur, welche Arbeitsmöglichkeiten für jemanden in Frage kommen, der Chinesisch studiert hat.

Auf Taiwan hat Volker auch eine Weiterbildung zum MCSA (Microsoft Certified Systems Administrator) besucht. Seiner Erfahrung nach war diese als Zusatzqualifikation auch hilfreich, allerdings hat es nie ausgereicht, um wirklich in dem Bereich Arbeit zu finden. Da wurden dann doch lieber Leute genommen, die sich komplett von Anfang an auf Servermanagement spezialisiert haben, ohne erst noch Sprachen zu studieren.

„Bei der Arbeitssuche war Chinesisch hilfreich, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Wenn ich mal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, drehte es sich schnell darum, was ich auf Taiwan gemacht habe, wie ich auf Chinesisch gekommen bin und so. Ein sehr guter Eisbrecher und eine praktische Zusatzqualifikation, um sich vom Großteil der Bewerber abzuheben. Aber das für die Stelle erforderliche Fachwissen stand trotzdem immer im Vordergrund, und meist ist dann doch ein Bewerber gewählt worden, der seine erste Ausbildung in diesem Fachbereich gemacht hat, und nicht ich, der eher als Quereinsteiger mit durch Fort- und Weiterbildungen erworbenem Fachwissen ankam."

„Von daher, wenn ich jetzt noch mal anfangen würde, würde ich wohl zuerst eine Ausbildung machen und erst danach die Sprache studieren."

Die Weiterbildung war aber hilfreich, um z.B. Übersetzungsaufträge im Bereich IT zu bekommen, weil in dem Fall wieder das Sprachstudium im Vordergrund stand und die IT-Kenntnisse eine gute Zusatzqualifikation darstellten. Aber in dem Bereich gibt es wenige Festanstellungen.

„Meine ersten Stellen waren auf Taiwan, da konnte ich natürlich zumindest die Sprachkenntnisse anwenden, und auch Übersetzungen kamen immer mal wieder vor. Später in Deutschland habe ich dann vorübergehend als Projektmanager für Wirtschaftsförderung China gearbeitet, auch da konnte ich die Sprache und das Verständnis für die Kultur gut einsetzen. In der Regel wird man ja in einem Bereich Arbeit finden, der zumindest irgendwas mit dem Studium zu tun hat."

Volker hat mit Sinologie, Japanologie, Geschichte und Informatik angefangen – allerdings schon nach zwei Semestern auf Diplom-Übersetzen gewechselt, um „etwas Konkreteres" zu machen. Der Studienwechsel war relativ einfach, da damals Sinologen und Übersetzer im Grundstudium weitgehend den gleichen Unterricht hatten, so dass er nur in den Nebenfächern etwas nachholen musste.

„Man darf sich das Studium aber nicht wie bei einer Ausbildung vorstellen, also, im Unterricht lernt man Handgriff A und B, die man dann auch bei der Arbeit so einsetzt. Als Student ist man eher eigenverantwortlich und muss sich viel selbst aneignen. Viele Studieninhalte waren rein akademisch und sehr theoretisch. Es wurde Grundwissen vermittelt, aber nur wenig konkrete Fertigkeiten, die man dann bei der Arbeit direkt einsetzen konnte. Aber ich sehe das ein bisschen wie früher den Schulunterricht. Wenig von dem, was man in der Schule gelernt hat, setzt man 1:1 später um, aber es bildet alles eine gute Grundlage, auf der man aufbauen kann."

Volker hat sich schließlich als Übersetzer selbstständig gemacht. „Die Arbeit im Projektmanagement zum Beispiel hat auch viel Spaß gemacht, aber bei meiner selbstständigen Arbeit ist der Bezug zu den Studieninhalten eben noch direkter, daher habe ich bei der Arbeit ein noch besseres Gefühl, weil ich genau weiß, was ich mache. Vielleicht ist es auch eine Persönlichkeitsfrage. Die Arbeit im Projektmanagement verlangt mehr einen Verkäufertypen, ich bin aber eher jemand, der etwas Sinnvolles herstellen will, z.B. indem ein guter Text produziert wird."

„Wenn man Glück hat und einen Job findet, der einem liegt und in den man reinwächst, ist das perfekt – die Arbeit muss ja nicht immer zwingend mit dem Studium zu tun haben, man entwickelt sich ja das ganze Leben weiter. Aber, wenn man (wie in meinem Fall) in eine Arbeit gerät, die nicht so ganz passt, ist man froh, es doch wieder in einen Arbeitsbereich zu schaffen, in dem man sich mehr zuhause fühlt. War zumindest bei mir so, ich bin jetzt seit acht Jahren selbstständig und sehr glücklich damit."