Wachsendes Interesse an chinesischen Investitionen
Nach Shens Angaben erreichten die nicht-finanziellen Investitionen Chinas in die EU von Januar bis Mai dieses Jahres 4,21 Milliarden US-Dollar. Sie erhöhten sich im Vergleich zum Vorjahr um 367,8 Prozent.
Feng Lin, Gründer und Geschäftsführer von DealGlobe, einem internationalen Unternehmensdienstleister für Investoren und Verkäufer, berichtete im China Securities Journal (CSJ) vom wachsenden Interesse der Europäer an China. „In der Vergangenheit suchten europäische Unternehmer nach Geschäftsmöglichkeiten in China. Jetzt aber wünschen sie sich, dass chinesische Unternehmen in Europa investieren", erklärte er.
Feng arbeitete vorher für einen privaten Investmentfonds und einen Verband chinesischer Finanziers in London. Aufgrund seiner Erfahrungen kennt er die Bedürfnisse chinesischer Investoren und die Geschäftsmöglichkeiten, die der EU-Markt bietet, nur allzu gut.
Als ihm das enorme Potenzial bewusst wurde, kündigte er im vergangenen Jahr seinen gut bezahlten Job und beteiligte sich an der Gründung von DealGlobe, einem Unternehmen mit Niederlassungen in London und Beijing. Die Firma soll als Brücke zwischen europäischen und chinesischen Unternehmern fungieren, die nach Investitionsmöglichkeiten suchen.
Fengs Vertrauen in das Unternehmen wird durch Statistiken bestätigt. Laut Zahlen der Rhodium Group, einem internationalen Marktforschungsinstitut, erreichten Chinas Direktinvestitionen ins Ausland 2014 18 Milliarden US-Dollar, doppelt so viel wie 2013. Chinesische Unternehmen waren an insgesamt 153 Geschäftsabschlüssen in Europa beteiligt. In den letzten vier Jahren betrugen Chinas Direktinvestitionen nach Europa 10 Milliarden US-Dollar, bevorzugtes Ziel war Westeuropa.
Weltweit haben chinesische Unternehmen weit mehr in Europa als in andere Industrieländen investiert. Im vergangenen Jahr näherte sich die Zahl der von ihnen abgewickelten Übernahmen der Summe der Übernahmen in den USA, Australien und Kanada an.
"Einer der Hauptgründe dafür ist die Konjunkturverlangsamung in der EU und die Abwertung ihrer Vermögenswerte", erklärte Zhang Lizhou, Generalmanager der Abteilung für Investmentbanking in der China Minsheng Bank, in einem Interview mit CSJ.
"Gleichzeitig müssen viele chinesische Unternehmen ihre Branchen modernisieren und weiten ihr Geschäft ins Ausland aus. Sie sind stark an bekannten Marken mit soliden Vermögenswerten, fortschrittlicher Technologie und großen Marktanteilen in den Industrieländern interessiert", so Zhang.
„In den USA sind chinesische Unternehmen außerdem in jüngerer Vergangenheit auf Schwierigkeiten gestoßen, wenn sie Unternehmen aufkaufen wollten, der europäische Markt ist jedoch relativ offen für chinesisches Kapital", erklärte er.
Technologische Investitionen sind ein strategisches Kernstück vieler chinesischer Unternehmen, die ins Ausland gehen. 2014 gründeten diese Unternehmen insgesamt 16 Verkaufszentren, sieben Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, sechs Vertriebsbasen und fünf Hauptsitze in der EU.
Die Yili Group, eines der größten Molkereiunternehmen in China, hat im vergangenen Jahr zusammen mit der niederländischen Universität Wageningen ein Forschungs- und Entwicklungszentrum eingerichtet, das erste seiner Art eines chinesischen Molkereiunternehmens.
"Auf dem Weg zu einem globalen Marktführer wird der EU-Markt für Yilis Forschungs- und Entwicklungsstrategie eine zentrale Rolle spielen", erklärte Pan Gang, Präsident der Yili Group, bei der Eröffnungszeremonie des Forschungszentrums am 25. Februar 2014.
Im Großen und Ganzen haben sowohl Regierungen als auch Unternehmenschefs chinesische Investitionen in der EU willkommen geheißen. Im Januar kam Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls mit einer Wirtschaftsdelegation aus mehr als 50 französischen Unternehmern nach China und erklärte Valls, dass Frankreich an mehr Investitionen aus China interessiert sei.
Vor allem Italien hat die chinesischen Investitionen sehr begrüßt. Im vergangenen Jahr investierten vier große chinesische Unternehmen fast 10 Milliarden Euro (10,97 Milliarden US-Dollar) im Land. Ende Dezember 2014 verkündete die Shanghai Electric Power Co. Ltd. ihre Entscheidung zum Kauf mehrerer Kraftwerke und Energieanlagen in Italien. Bei der offiziellen Vertragsunterzeichnung war auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi anwesend.
Vermögenswerte in europäischen Ländern hätten in jüngerer Vergangenheit niedrige Bewertungen erhalten, erklärte Ding Chun, Forscher im Bereich Europastudien an der Universität Fudan in Shanghai, der Global Times.
Die EU muss sich aus ihrer ökonomischen Malaise befreien, ausländische Investitionen könnten das Heilmittel dazu sein. Darum sorgen die steigenden Investitionen Chinas in Europa nicht nur für Schwung am Markt, sondern sind auch ein Phänomen, das beiden Seiten nutzt.
Bedenken und Risiken
Zwar kurbeln chinesische Investitionen die örtliche Wirtschaft an, sie stoßen teilweise aber auch auf Widerstand und sorgen für Panik. Die Nachricht, dass chinesische Investoren den Club Med, eine weltweite Hotelanlagenkette, und Flughafenanteile in Toulouse kaufen wollten, führte zu großer Besorgnis in den französischen Medien, die den Verlust von Vermögenswerten und Jobs fürchteten.
Im März kaufte Sinochem, Chinas größtes Chemieunternehmen, für 7,1 Milliarden Euro (7,7 Milliarden US-Dollar) 26 Prozent der Unternehmensanteile von Pirelli, dem fünftgrößten Reifenhersteller der Welt. Die Meldung sorgte für viel Wirbel in den italienischen Medien. Aus ihrer Sicht ließ sich Italien den Stolz seiner Industrie abkaufen. Tatsächlich aber war der von Sinochem gebotene Preis deutlich höher als der aktuelle Aktienwert in der Abwärtsspirale der EU-Wirtschaft.
Durch die Fusion von Sinochem und Pirelli entsteht außerdem der viertgrößte Reifenhersteller der Welt und Pirelli wird auch am asiatischen Markt Fuß fassen können.
Trotz dieser großen Übernahmen stehen chinesische Investoren nach dem Kauf europäischer Marken oder Vermögenswerte oft vor unvorhersehbaren Herausforderungen.
Dass Investitionen in Europa scheitern, ist nicht selten. Hinter jeder Chance lauert meist auch ein verborgenes Risiko. So unterscheiden sich die Rechtssysteme und Geschäftsumfelder in den EU-Ländern stark von China. Chinesische Investoren sollten sich daher der Probleme und potenziellen Risiken bewusst sein, bevor sie ein Gebot abgeben.
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