29-07-2015
Im Focus
Bye bye, Love: Chinas Scheidungsrate steigt
von Yuan Yuan

 

 

Eine von vier Ehen wird heute im Reich der Mitte geschieden. Vor allem in der jüngeren Generation halten Beziehungen nicht lange.

Am 25. Juni gab der ehemalige Olympiasieger im Hürdenlauf Liu Xiang nach nur neunmonatiger Ehe die Scheidung von seiner Frau, der Schauspielerin Ge Tian, bekannt. Bei Weibo, Chinas Twitter-Variante, schrieb er, dass er und seine Ehefrau als Paar nicht gut funktioniert hätten.

Liu (32) und Ge (26) heirateten vier Monate nach ihrem Kennenlernen im vergangenen September, wurden danach aber nur selten gemeinsam in der Öffentlichkeit gesehen.

Liu Xiang und Ge Tian bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Shanghai am 11. September 2014. Zei Tage zuvor hatten sie geheiratet.

Heute wird eine von vier Ehen in China geschieden. Liu und Ge sind typische Vertreter der "jungen Generation der Geschiedenen". Beide wurden nach 1980 geboren, hatten keine Geschwister und trennten sich nach kurzer Ehe wieder.

Um das Bevölkerungswachstum zu begrenzen, verschärfte China 1980 die Geburtenkontrolle. Die meisten städtischen Paare durften nur ein Kind bekommen, Paare auf dem Land konnten zwei Kinder haben, wenn das erstgeborene Kind ein Mädchen war. Ende 2011 erhielten Paare landesweit die Möglichkeit, zwei Kinder zu bekommen, wenn beide Partner aus Einkindfamilien stammten. Im Dezember wurden die Beschränkungen weiter gelockert. Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses beschloss, dass Familien ebenfalls ein zweites Kind haben dürfen, wenn einer der Elternteile ein Einzelkind war.

"Die meisten nach 1980 geborenen Kinder haben keine Geschwister, mit denen sie kommunizieren konnten, die gesamte Aufmerksamkeit der Familie richtete sich auf sie", erklärte Sun Yunxiao, stellvertretender Direktor des Chinesischen Jugend- und Kinderforschungszentrums. „Das schränkt ihre Fähigkeiten, mit einem Ehepartner zu kommunizieren, ein. Die Ehe ist aber die Kunst des Kompromisses."

Fast 40 Prozent der jungen Paare lassen sich scheiden

Nach Zahlen des Ministeriums für Zivile Angelegenheiten vom 10. Juni trennten sich 2014 insgesamt 3,6 Millionen Paare. Die Altersgruppe von 25 bis 29 hatte einen Anteil von 38 Prozent, 2,8 Prozent mehr als noch 2013.

"Der Grund für die hohe Scheidungsrate in dieser Gruppe ist, dass für sie nur ihre eigenen Interessen zählen und ihnen die Gefühle der anderen meist egal sind", erklärte Sun. Er fand heraus, dass sich viele junge Leute aus ganz banalen Gründen scheiden lassen. „Manche Begründungen klingen absurd. Ich habe beispielsweise gehört, dass eine Frau die Scheidung wollte, weil sie nicht ertragen konnte, dass ihr Ehemann nach dem Essen Zahnstocher benutzte."

Ein Paar verlässt das Scheidungsbüro des Bezirks Qiaoxi in Shijiazhuang (Provinz Hebei) (CFP)

Zhang Xiao (Name geändert), eine 30-jährige Beijingerin, ließ sich kürzlich nach 13-monatiger Ehe scheiden. „Wir kannten uns sechs Monate, als wir geheiratet haben", erklärt Zhang. „Aber während unserer Ehe weigerte er sich, mir bei der Hausarbeit zu helfen und ich musste die gesamte Kleidung waschen. Keiner von uns kann kochen, also haben wir nur selten zu Hause gegessen. Es fühlte sich überhaupt nicht wie ein Zuhause an".

"Viele junge Leute heiraten heutzutage unüberlegt, ohne genau zu wissen, was eine Ehe bedeutet", erklärt Chu Yunlu, Rechtsanwalt in Beijing, der sich hauptsächlich mit Scheidungsfällen beschäftigt. „Das Bild, das sie von der Ehe haben, stammt vor allem aus Filmen oder dem Fernsehen. Manche glauben, dass die Liebe auf den ersten Blick für immer hält und dass jeder Tag superromantisch sein muss. Wenn das echte Leben diese Erwartungen nicht erfüllen kann, ist die Enttäuschung groß."

Chu rät zu Aufklärungskampagnen über die Ehe, sowohl von Regierungs- als auch NGO-Seite, die den Paaren klarmachen, dass in einer ehelichen Beziehung Verantwortung eine größere Rolle spielt als Romantik.

"Erst nach der Ehe habe ich begriffen, dass die Hochzeit nicht nur die Verbindung von zwei Einzelpersonen, sondern auch von zwei Familien ist", sagt die 28-jährige Gao Min (Name geändert), die sich Mai nach vierjähriger Ehe scheiden ließ.

"Ich hatte diesen Satz vorher schon oft gehört, aber ich war nicht sehr überzeugt davon", sagt sie. „Ich dachte, solange wir uns lieben, können wir jedes Hindernis überwinden."

Gao, Absolventin der renommierten Tsinghua-Universität mit einem Master in Wirtschaftswissenschaften, verliebte sich 2010 in ihren Ex-Ehemann, der an derselben Universität seinen Doktor machte. Beide heirateten 2011.

"Die ersten beiden Jahre waren wir sehr glücklich", erzählt sie. "Das änderte sich, nachdem meine Schwiegermutter 2013 zu uns zog."

Sie war Vegetarierin, während Gao gerne Fleisch isst. „Was ich mag, war ihr ziemlich egal. Sie kümmerte sich nur um ihren Sohn. Sie hat bei uns gekocht und für mich war es kaum möglich, zu Hause Fleisch zu essen", erzählt Gao. Sie beklagte sich bei ihrem Ex-Mann, doch der unterstützte sie nicht. Daraufhin aß sie fast nur noch außerhalb.

Nach Ansicht der Schwiegermutter sind Kinder ein Faktor, um eine Ehe zusammenzuhalten. Doch auch die Geburt der Tochter verhindert nicht, dass Gaos Ehe zerbrach.

"Ich habe mich oft mit meiner Ex-Schwiegermutter über die Kindererziehung gestritten, dadurch wurde die Situation noch schlimmer. Bei komplizierten Familienproblemen reicht Liebe allein nicht aus", erklärt sie.

Heute lebt Gao allein mit ihrer Tochter. „Manchmal denke ich darüber nach, wie ich meiner Tochter von meiner Scheidung erzählen soll, wenn sie größer wird. Ich hoffe, dass sie mich verstehen wird", erzählt sie.

"Viele Eltern der nach 1980 geborenen Kinder mischen sich in die Ehen ihrer Kinder ein", berichtet Zhou Qiangyun, Anwalt aus Shanghai. „Ein Grund dafür ist, dass die meisten jungen Leute das einzige Kind in der Familie waren und die Eltern nicht loslassen können. Viele Eltern glauben außerdem, dass sie ein Recht haben, sich einzumischen, weil sie einen Großteil ihrer Ersparnisse für die Hochzeit ihres Kindes ausgegeben haben, einschließlich Hochzeitszeremonie, Wohnung, Autos und anderer Ausgaben."

Zahlen der Schlichtungseinrichtung für frauen- und kinderbezogene Streitfälle im Shanghaier Bezirk Putuo zeigten, dass bei Paaren, die nach 1980 geboren wurden, in mehr als 90 Prozent aller Eheschlichtungsfälle die Eltern dabei waren. Häufig regelten die Eltern sogar den Großteil des Scheidungsprozesses anstelle ihrer Kinder.

 

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