22-07-2015
Im Focus
China geht stabilerem Wachstum entgegen
von Deng Yaqing

Die Baustelle eines Unternehmens in öffentlich-privater Partnerschaft in Nanchang (Foto: Xinhua)

China geht stabilerem Wachstum entgegen

Verbesserte wirtschaftliche Strukturen und größere Vorteile führen Chinas Volkswirtschaft in eine neue Richtung.

Das chinesische BIP-Wachstum hat sich in der ersten Hälfte des Jahres bei 7 Prozent eingependelt. Dazu kommen eine Reihe zuversichtlicher Signale, wie eine verbesserte Struktur, bessere Wachstumsstrategien, mehr neue Arbeitsplätze als erwartet und ein beschleunigtes Einkommenswachstum der Bürger.

Um das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren, hat die chinesische Regierung eine Reihe von Richtlinien und Maßnahmen bekanntgegeben, von wichtigen Infrastrukturprojekten bis zur Runderneuerung des Investitions- und Finanzsystems, vom Senken der Mindestreservesätze und Zinssätze bis zu Steuersenkungen, von Förderung von Innovation und Unternehmertum bis hin zur Initiierung der Made-in-China-2025-Strategie. „Sie beginnen Wirkung zu zeigen und die nationale Wirtschaft macht positive Veränderungen durch", sagt Sheng Laiyun, Sprecher des Staatlichen Statistiksamts (SSA).

Tatsächlich sind einige Kennziffern stark geblieben und tendieren sogar nach oben. Daten des SSA zeigen, dass der Einzelhandel inflationsbereinigt um 10,5 Prozent gewachsen ist, das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als im Mai und die Exporte zeigten ebenfalls ein positives Wachstum von 2,1 Prozent im Juni, nachdem sie im April und Mai einen Einbruch erlitten hatten.

 

Hochwertiges Wachstum

„Gegenwärtig sind die neuen Wachstumsmomente noch nicht stark genug die traditionellen Wachstumsmotoren, die gegenwärtig ihre Dynamik verlieren, zu ersetzen", sagte Sheng. Er sagt, dass die fragile Erholung der Weltwirtschaft zusätzlichen Druck auf die chinesische Wirtschaft ausübt.

„Wie auch immer, man kann davon ausgehen, dass die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wesentlich besser sein wird", sagt Sheng, der glaubt, dass es außer Frage steht, dass China sein Jahresziel von 7% Wirtschaftswachstum erreichen wird.

Substanzielle Fortschritte wurden bei der Optimierung der wirtschaftlichen Strukturen gemacht. Betrachtet man die einzelnen Branchen zeigt sich, dass die Wertsteigerung des Servicesektors 49,5 Prozent des BIP der ersten Jahreshälfte ausmacht, das ist ein Anstieg von 2,1 Prozentpunkten, verglichen mit der gleichen Periode des Vorjahres.

Betrachtet man die Binnennachfrage trägt der Konsum rund 60 Prozent zum BIP-Wachstum bei, das sind – verglichen mit der Vorjahresperiode – um 5,7 Prozentpunkte mehr.

Diese Veränderungen zeigen, dass China sich von einer produktions- und investmentorientierten Volkswirtschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt, was ja auch das Ziel der wirtschaftlichen Restrukturierungsmaßnahmen gewesen sei, sagt Zhu Baoliang, ein Experte des State Information Center.

Auch die Qualität des Wirtschaftswachstums wurde verbessert. Der Energieverbrauch je BIP-Einheit sank um 5,9 Prozent pro Jahr.

Die Kraft der Privatwirtschaft wurde weiter entfesselt, indem noch mehr Verwaltungsprozeduren vereinfacht wurden und Befugnisse auf niedrigere Ebenen der Administration übertragen wurden, sagt Sheng. In der ersten Jahreshälfte stieg die Wertschöpfung der nichtöffentlichen Industrieproduktion um 8,1 Prozent, also 1,8 Prozentpunkte schneller als das durchschnittliche industrielle Niveau und private Anlageinvestitionen stiegen um 12,5 Prozent. Berücksichtigt man die Inflation, sind das 65,1 Prozent der Gesamtinvestitionen.

Neue Industrien, neue Geschäftsmodelle und neue Produkte wuchsen sprunghaft. Die Hi-Tech Industrie behielt ihr zweistelliges Wachstum bei und war 5 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Industrieniveau. Bei den neuen Geschäftsmodellen war es der Online-Handel, der 1,65 Billionen Yuan (265,65 Milliarden USD) übertraf. Das ist ein Anstieg von 39,1 Prozent von einem Jahr zum anderen. Einige der neuen Produkte, wie Roboter oder Autos und Loks mit neuen Energietechnologien, haben ein besonders starkes Wachstum bei den Outputs an den Tag gelegt.

 

Arbeiter räumen Pakete mit Einzelhandelswaren beiseite, um sie für den Exportzoll des Yiwu Cross-Border E-commerce Supervision Center in Yiwu, Zhejiang, vorzubereiten(Foto: Xinhua)

Das Wohlbefinden der Menschen steigt

Der Gangwechsel der chinesischen Volkswirtschaft bedeutet nicht unbedingt, dass der Lebensunterhalt der Menschen betroffen ist. Das durschnittliche Einkommen für sechs Monate liegt bei 10.931 Yuan (1.760 USD), was inflationsbereinigt einem Wachstum von 7,6 Prozent entspricht – und ist somit stärker als das BIP – gewachsen. „Gewissermaßen zeigt es, dass die strukturellen Anpassungen und Maßnahmen, die darauf abgezielt hatten, den Lebensstandard der Menschen zu verbessern, einige gute Ergebnisse gebracht haben"; sagt Cao Heping, ein Professor an der School of Economics der Beijing Universität, zum China News Service.

In den letzten Jahren hat der Dienstleistungssektor eine sprunghafte Expansion erlebt, durch die viele – auch gut bezahlte – Arbeitsplätze entstanden sind. Der Anstieg des Mindestlohns in vielen Gebieten hilft ebenfalls die Einkommen der Bevölkerungsteile mit niedrigen Löhnen zu steigern, sagt Cao.

In der Zwischenzeit ist der Verbraucherpreisindex (VPI) um 1,3 Prozent in der ersten Hälfte gestiegen, das sind um 0,1 Prozentpunkte mehr als im ersten Quartal und liegt gut bei der Planzahl von 3 Prozent.

Das war gewissermaßen ein Resultat des Wirtschaftsabschwungs, der schwächeren Nachfrage und dem Preisverfall der internationalen Rohstoffmärkte, sagt Cao, der hinzufügt, dass niedrigere Preise ja bedeuten, dass Menschen mehr fürs gleiche Geld einkaufen können.

Das rege Einkommen der Bewohner in Kombination mit gut kontrollierten Preisen zeigen, dass die Wirtschaft stabiler wird und der Wohlstand der Menschen besser abgesichert ist, sagt Fan Jianping, Chefökonom des SIC.

Abgesehen davon war auch die Beschäftigungslage besser als erwartet. In der ersten Hälfte des Jahres entstanden mehr als 7,18 Millionen Arbeitsplätze in den Städten, was bereits 71,8 Prozent des Gesamtjahresziels entspricht. Die Arbeitslosenrate bleibt laut Daten des SSA bei ungefähr 5,1 Prozent. Hinter den günstigen Beschäftigungszahlen steht die rasante Entwicklung der Dienstleistungsbranche, sagt Cao.

Unter großem Abwärtsdruck und inmitten tiefgreifender Anpassungsprozesse der industriellen Strukturen, ist die stabile Beschäftigungslage ein Resultat der Bemühungen der Regierung Innovation und Unternehmertum zu fördern und wird die soziale Stabilität absichern, argumentiert Cao.

 

Gute Aussichten

Die unvollendete Urbanisierung und Industrialisierung zusammen mit der Verbesserung der Konsumstrukturen werden weiterhin Wachstumsimpulse liefern und die Effizienz der gerade veröffentlichten Richtlinien und Maßnahmen wird sich in der nahen Zukunft zeigen, sagt Sheng.

Die Projektbibliothek der öffentlich-privaten Partnerschaften, die im Mai von der National Development and Reform Commission eingerichtet wurde, listet 1.043 Projekte mit Investitionen von insgesamt 1,97 Billionen Yuan (317,17 Milliarden USD). Das allein im Mai genehmigte Kapital erreicht 250 Milliarden Yuan (40,25 Milliarden USD). „Es braucht Zeit, bis ein genehmigtes Projekt echte Investitionen und Produktivität zeigt", merkt Sheng an.

Geld und Steuerpolitik sowie Maßnahmen, den Liegenschaftsmarkt zu revitalisieren sind noch nicht voll ausgeschöpft. Daher werden sie auch in der zweiten Jahreshälfte die Wirtschaft weiter antreiben können", sagt Zhu, der voraussagt, dass Investitionen, Konsum und Exporte besser werden und eine stärkere Rolle spielen werden, um ein Wachstum von 7 Prozent in der zweiten Jahreshälfte sicherzustellen.

Allerdings bleiben Abwärtsrisiken bestehen. Weitere Anstrengungen, um den Kapitalmarkt zu stabilisieren, Probleme von Überkapazitäten zu lösen, Finanzierungskosten zu senken, Steuerreformen und Unternehmensreformen und die Richtlinien, die Angebot und Nachfrage verbessern sollen, voll zur Geltung kommen zu lassen, sagt Zhu.

Zhang Jun, der Leiter des Informationsdepartments am China Center for International Economic Exchanges, sagt, dass sowohl internationale Faktoren, wie die wahrscheinliche Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank und das griechische Schuldenproblem, genauso wie inländische Faktoren, wie der verletzliche Aktienmarkt und der Schuldenabbau der Unternehmen den Aufwärtstrend untergraben könnten.

„Mittel- und langfristig ist es immer noch ein harter Kampf für China, seine Volkswirtschaft auszubalancieren. Im Bodenbildungsprozess werden Unsicherheiten stärker werden. Die Regierung muss Teilrisiken eindämmen, sodass diese keine regionalen oder systemischen Risiken werden", sagt Zhang.

Huang Yiping, ein Professor der National School of Development der Beijing Universität, argumentiert, der voraussichtliche Rückschlag für die chinesische Wirtschaft hängt davon ab, ob die neuen Industriestandbeine durch Innovation, Transformationen und Verbesserungen entstanden sind.

„Auch wenn die sich entwickelten Wachstumsmotoren noch nicht stark genug sind, die Wirtschaft zu schultern, stehen diese neuen Industrien, Produkte und Geschäftsmodelle für einen hoffnungsvollen neuen Weg der zukünftigen Entwicklung", sagt Huang.

 

 

Die wichtigsten makroökonomischen Indikatoren des ersten Halbjahres

- Der Verbraucherpreisindex (VPI), eine wichtige Messlatte für Inflation, stieg um 1,3 Prozent. Der Erzeugerpreisindex (EPI), der die Inflation auf der Großhandelsebene misst, betrug 4,6 Prozent.

- Der Außenhandel sank um 6,9 Prozent auf 11,53 Billionen Yuan (1,86 Billionen USD. Die Exporte stiegen um 0,9 Prozent auf 6,57 Billionen Yuan (1,06 Billionen USD), während die Importe um 15,5 Prozent auf 4,96 Billionen Yuan (798,56 Milliarden USD) sanken.

- Die Wertschöpfung der Industrieunternehmen über einer bestimmten Größe – einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Yuan (3,15 Millionen USD) pro Jahr stieg um 6,3 Prozent.

- Anlageinvestitionen betrugen 23,71 Billionen Yuan (3,82 Billionen USD), das entspricht inflationsangepasst einem Anstieg von 12,5 Prozent.

- Investitionen im Immobiliensektor erreichten 4,4 Billionen Yuan (708,4 Milliarden USD, das entspricht inflationsangepasst einem Anstieg von 5,7 Prozent.

- Der Einzelhandel erreichte ein Gesamtvolumen von 14,16 Billionen Yuan (2,28 Billionen USD), was einem Anstieg von 10,5 Prozent nach Inflation entspricht. Der Online-Einzelhandel erreichte 1,38 Billionen Yuan (222,18 Milliarden USD), das entspricht einem Anstieg von 38,6 Prozent und beträgt 9,7 Prozent des gesamten Einzelhandelumsatzes.

- Das verfügbare ProKopfEinkopfEinkommen der Stadtbewohner liegt bei 15.699 Yuan (2.528 USD), was inflationsbereinigt einem Wachstum von 6,7 Prozent entspricht.

- Das Pro-Kopf-Einkommen der Landbewohner liegt bei 5.554 Yuan (894 USD), was inflationsbereinigt einem Wachstum von 8,3 Prozent entspricht.

- Neue in Yuan denominierte Anleihen betragen 6,56 Billionen Yuan (1,06 Billionen USD), das sind 537,1 Milliarden Yuan (86,47 Milliarden USD) mehr als im Vorjahr.

- Ende Juni lag der M2, ein weitgefasstes Maß der Geldmenge, das zirkulierendes Bargeld und Einlagen kalkuliert, bei 133,34 Billionen Yuan (21,47 Billionen USD), das ist ein Anstieg von 11,8 Prozent.

- Das gesamte Social Financing, ein Maß für Mittel die von Organisationen der Realwirtschaft erhoben wurden und ein grobes Maß für die Liquidität einer Volkswirtschaft im Allgemeinen, betrug 8,81 Billionen Yuan (1,42 Billionen USD).

 (Quelle: Staatliches Statistikamt, alle Wachstumsraten im Jahresvergleich)