Dagmar Schmidt (SPD) ist Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Im Juni empfing das Gremium seltenen Besuch. Eine Delegation der Chinesisch-Deutschen Freundschaftsgruppe im Nationalen Volkskongress (NVK) kam mit Mitgliedern des Petitionsausschusses zusammen, um sich über deren Arbeit zu informieren und den Gastgebern ihrerseits Chinas Großprojekt „Wirtschafsgürtel an der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts" zu präsentieren. Im E-Mail-Interview mit der Beijing Rundschau äußerte sich Schmidt kurz nach dem Treffen zu diesem Projekt, den Möglichkeiten deutsch-chinesischer Kooperation in Zentralasien und neuen Perspektiven für die Beziehungen zwischen beiden Ländern.
Die SPD-Politikerin Dagmar Schmidt (42) ist Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen-Parlamentariergruppe im Bundestag und stellvertretendes Mitglied des Petitionsausschusses
Beijing Rundschau: Als Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, haben Sie beim Empfang der Delegation der Chinesisch-Deutschen Freundschaftsgruppe im Nationalen Volkskongress (NVK) erklärt, dass Sie für ein gegenseitiges Kennenlernen werben. Warum denken Sie, dass China wichtig ist und es sich lohnt, in den Austausch mit China zu investieren? Können Sie auch etwas zur Aufgabe der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe und ihrer Funktion in diesem Zusammenhang sagen?
Dagmar Schmidt: China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde und hat die zweitgrößte Volkswirtschaft. Es exportiert immer mehr Produkte nach Deutschland und Europa und ist einer der größten Importeure deutscher Produkte. Außerdem ist China schon jetzt ein wichtiger Garant für die regionale Stabilität und wird diese Stellung mit seiner Initiative zum Aufbau eines Wirtschaftsgürtels an der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts noch weiter ausbauen. Allerdings sollte der wirtschaftliche und politische Austausch nicht die einzige Ebene der Beziehungen bleiben. Um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu festigen und nachhaltig in den Gesellschaften zu verankern, ist der gesellschaftliche und kulturelle Austausch zwischen Deutschland und China zwingend notwendig. Deshalb sollten nicht nur Politikerinnen und Politiker sowie Unternehmerinnen und Unternehmer an dem Austausch teilhaben, sondern auch und vor allem die Zivilgesellschaften in Deutschland und China. Also der „einfache Mann (und die Frau) auf der Straße". Gerade sie müssen wir mit ins Boot holen. An ihnen liegt es, ob auch die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen sich zu einem nachhaltigen Langzeiterfolg entwickeln werden.
Zu meinen wichtigsten Aufgaben als Vorsitzende der Deutsch- Chinesischen Parlamentariergruppe zähle ich, die bereits vorhandenen Dialoge in diesem Austausch weiterzuführen und zu verstärken, wie auch neue Arten des Kennenlernens zu eröffnen und anzustoßen. Ein erstes Anliegen der Parlamentariergruppe ist es natürlich, dass sich die Entscheidungsträger beider Seiten besser kennenlernen. Die Parlamentariergruppen sind fraktionsübergreifend, sie bestehen also aus Mitgliedern aller Parteien. Wir stehen jedem und jeder Abgeordneten offen gegenüber, der oder die an China ein Interesse hat. Dies bedeutet auch, dass wir zu fast allen Themen Expertinnen und Experten haben, die sich mit ihren Kollegen und Kolleginnen auf der chinesischen Seite austauschen können. Wir wollen den Austausch aber, wie schon erwähnt, nicht nur auf die Politik beschränken, sondern auch die Zivilgesellschaft und die breite Öffentlichkeit mit einbeziehen und so bestehende Vorurteile abbauen. Konkret planen wir gerade ein Austauschprogramm für junge deutsche und chinesische Nachwuchskünstlerinnen und –künstler. Diese sollen sowohl in Peking (Beijing) als auch in Berlin zusammenarbeiten und durch die dabei entstehenden Kunstwerke helfen, mehr Verständnis, Kenntnis und Interesse am jeweiligen anderen Land zu wecken.
Sie haben außerdem gesagt, dass die Initiativen des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zum Aufbau eines Wirtschaftsgürtels an der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts bei den deutschen Parlamentariern auf „positive Resonanz" gestoßen sei. Was denken Sie selbst über diese Pläne?
Ich begrüße es, dass China sich aktiv in der Region einbringt und sich als ein verlässlicher Partner auf der internationalen Bühne zeigt. China hat mit seinen vielen ethnischen Minderheiten ein großes Geschenk. Gerade mit der uigurischen Nationalität in Xinjiang hat China Menschen, die Brücken in die zentralasiatische Region schlagen können, da sie Mentalität und Kultur gut kennen.
Für mich stellt die Seidenstraße ein schönes Bild dar. Bisher wurde häufig von Brücken zwischen China auf der einen und Deutschland und Europa auf der anderen Seite gesprochen. Im Gegensatz zu einer Brücke zwischen China und Europa, impliziert das Bild der Straße, dass alle dazwischen teilhaben, die Straße nutzen, auf– und abfahren können. Dies bedeutet Inklusion und Kooperation mit allen beteiligten Ländern entlang der Straße.
Die EU hat sich mit ihrer EU-Zentralasien-Strategie die Ausweitung der Zusammenarbeit mit Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan auf die Fahnen geschrieben. Wie kann die EU zusammen mit China überlegen, wie die eurasische Verbindung zu neuem Leben erweckt werden kann? Welche Möglichkeiten bieten sich Ihrer Ansicht nach für die Zusammenarbeit zwischen China und Europa bzw. Deutschland im Rahmen der Seidenstraßen-Initiativen?
Gerade in diesem Zusammenhang sind die nationalen Minderheiten Chinas von extrem wichtiger Bedeutung. Gerade für Zentralasien können die Uiguren wichtige Mittler sein. Auch wir in Deutschland haben mit den sogenannten Russlanddeutschen, die in den Neunzigerjahren aus der ehemaligen Sowjet Union, viele davon aus Kasachstan, nach Deutschland kamen, Menschen, die auch die zentralasiatische Kultur und Mentalität bestens kennen und verstehen.
Beide Seiten, China und Deutschland, müssen dieses Potential, das wir haben, nutzen, um effektiv mit den zentralasiatischen Staaten zusammenarbeiten zu können. So ist es für mich denkbar, bestehende Kooperationsprogramme zwischen Deutschland und China auf Zentralasien auszuweiten. Neben guten Partnerschaften in wirtschaftlichen Projekten können China und Deutschland auch zu einem gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Austausch beitragen. Ich halte es außerdem für wichtig, dass Russland in solche Projekte ebenfalls eingebunden wird.
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