14-07-2015
Im Focus
BRICS Staaten wollen eine größere Rolle im Weltfinanzsystem übernehmen
 von Bai Shi

Sechs Jahre nach der Gründung hat die BRICS-Gruppe der fünf wichtigsten Schwellenländer – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – erneut ein Gipfeltreffen abgehalten. Ufa, die Hauptstadt der Republik Baschkortostan in der Russischen Föderation, war vom 8. bis zum 9. Juli Gastgeber des 7. Gipfels.

 

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi in Ufa, Russland

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping trifft sein russisches Gegenüber, Wladimir Putin, in Ufa, Russland.

Sechs Jahre nach der Gründung hat die BRICS-Gruppe der fünf wichtigsten Schwellenländer – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – erneut ein Gipfeltreffen abgehalten. Ufa, die Hauptstadt der Republik Baschkortostan in der Russischen Föderation, war vom 8. bis zum 9. Juli Gastgeber des 7. Gipfels.

Das erste Gipfeltreffen der BRIC-Länder fand 2009, ebenfalls in Russland, in Jekaterinburg, statt. Damals nahmen die Staats- und Regierungschefs aus Brasilien, Russland, Indien und China daran teil. Sie entwickelten einen, von einem Ökonom der Investmentbank Goldman Sachs aufgebrachten, Gedanken zu einer richtigen Organisation. Besonders durch ihre starken Wirtschaftswachstumsraten stieg der Einfluss dieser Länder, da sie nach der Weltfinanzkrise 2008 zu den Motoren der Weltwirtschaft geworden waren.

Nachdem Südafrika im Jahr 2011 der Gruppe beigetreten war, stieg die Anzahl der Mitglieder der BRICS auf fünf Länder an. Heute ist BRICS einer der wichtigsten Akteure in der globalen Weltwirtschaft und die Mitgliedsländer erwirtschaften gemeinsam 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.

Bei dem Gipfel in Ufa erreichten die BRICS-Länder breite Übereinstimmung, eine wirtschaftliche Partnerschaft aufzubauen und eine Gemeinschaft, um ihre nationalen Interessen in Bezug auf die Weltordnung zu vertreten, zu errichten. Sie einigten sich auch darauf, ihre Kooperation in Bezug auf einige globale Agenden, wie die der „Nachhaltigen Entwicklungsziele" der UN Post-2015-Agenda, des Klimawandels und der Reform des internationalen Finanzsektors, zu verstärken.

Wachstumsperspektiven

Allerdings bereitet das in den vergangenen beiden Jahren langsamer gewordene Wirtschaftswachstum der BRICS-Länder einige Sorgen.

China, das Land mit dem größten Wirtschaftswachstum der fünf Länder, adaptiert sich langsam an das niedrigere Wirtschaftswachstum. Laut Daten des chinesischen Staatlichen Statistikbüros betrug das jährliche Wachstum von 2012-14 durchschnittlich 7,5 Prozent, was verglichen mit einem Wachstum von 10 Prozent zwischen 2002 und 2011, ein starker Rückschlag ist.

Die Rohstoffexporte Russlands und Brasiliens, die eine Hauptquelle ihrer Staatseinnahmen sind, sind in den letzten Jahren drastisch gesunken. Der Einbruch des internationalen Ölpreises traf die russische Wirtschaft schwer. Auch Brasilien leidet unter dem gesunkenen Bedarf von Eisenerzen und Landwirtschaftsprodukten, seinen wichtigsten Exporten. Auch Indien und Südafrika sind verschiedenen wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt.

Angesichts dieser Rückschläge stellen einige Skeptiker die Rolle der BRICS in der Weltwirtschaft in Frage.

Das Thema des Gipfels in Ufa ist die BRICS-Partnerschaft: Ein mächtiger Faktor der weltweiten Entwicklung, von dem Offiziellen und Beobachter sagen, dass er eine Herausforderung für die Skeptiker an der Rolle der BRICS auf der internationalen Bühne, darstellt.

„Momentan fehlt der richtige Schwung für die Erholung der Weltwirtschaft. Die Industrienationen sind sich bei den makroökonomischen Maßnahmen nicht einig. Der internationale Markt ist von drastischen Fluktuationen beeinflusst und die Rohstoffpreise sind niedrig. All diese negativen Faktoren beeinflussen das Wachstum der BRICS-Länder", sagt der chinesische Vize-Außenminister Cheng Guoping bei einem Briefing am 6. Juli.

Laut Cheng ergreifen die Regierungen der BRICS-Länder Maßnahmen, um ihre Wirtschaftsstrukturen den Transitionen anzupassen. „Die Verlangsamung des Wachstums ist in der Tat wünschenswert und periodisch", fügte er hinzu. „Trotz des niedrigeren BIP-Wachstums haben die BRICS-Staaten ein schnelleres Wachstum als die meisten anderen Volkswirtschaften beibehalten. Ich denke, dass die BRICS-Länder weiterhin wichtige Wachstumszentren für das zukünftige Wachstum der Weltwirtschaft sein. Nach den notwendigen Reformen werden sie noch größere Chancen haben."

Wang Youming, der Direktor des Department for Developing Countries Studies des China Institute of International Studies, wiederholt diese Aussagen. „Verglichen mit den Industrienationen haben die BRICS-Länder größeres Potential und werden langfristig mehr zu Weltwirtschaft beitragen.", sagte Wang dem Xinhua Daily Telegraph, einer Beijinger Tageszeitung.

 

Teile eines Ganzen

Seit dem ersten BRIC-Gipfel im Jahr 2009 blieb die Welt misstrauisch, wie gut die aufstrebende Gruppe sein würde. Immerhin waren die einzelnen Mitglieder der BRICS sehr unterschiedlich in Bezug auf ihr politisches System, ihre wirtschaftlichen Strukturen und ihre nationalen Interessen.

„Die BRICS-Länder haben in den vergangenen Jahren einen Mechanismus und eine Plattform ihrer Kooperation etabliert und somit einige gute Resultate erzielt", sagte der chinesische Botschafter in Russland, Li Hui, in einem Interview mit der chinesischen Presse am 7. Juli.

China hat beispielsweise einige Verträge mit Russland unterzeichnet, inklusive großer Öl- und Erdgasversorgungsverträge. Brasiliens führender Flugzeughersteller, die Embraer Commercial Aviation, hat einen großen Anteil am chinesischen Flugzeugmarkt. Chinas wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Indien und Südafrika hat ebenfalls Fortschritte gemacht.

Li betonte, dass die BRICS-Länder einzigartige Fortschritte in ihrer bilateralen und multilateralen Kooperation machen, da sich ihre Volkswirtschaften sehr gut ergänzen. Noch wichtiger, sie alle haben wachsende Märkte.

Gegenwärtig betragen die kombinierten In- und Exporte der BRICS-Länder etwa 16 Prozent des weltweiten Handels, aber der Handel unter den fünf Staaten beträgt lediglich 336 Milliarden USD, das sind 1,5 Prozent des weltweiten Handels. „Es gibt noch viel zu verbessern", sagte Li.

Nach der Finanzkrise 2008 haben die wichtigsten Industrienationen versagt, eine weltweite Erholung zu erreichen. Unter diesen Umständen müssen die Entwicklungsländer ihre Kooperation vertiefen, besonders die BRICS-Staaten", erklärte Fan Yonming, Direktor des BRICS-Studienzentrums an der Fudan Universität in Shanghai dem Xinhua Daily Telegraph.

 

Eine neue Bank

Eine Woche vor dem Gipfel in Ufa, hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, Chinas höchster Gesetzgeber, den am 15. Juli 2014 in Fortaleza, Brasilien, unterzeichneten Vertrag über die „BRICS New Development Bank" (NDB) ratifiziert.

Bisher haben alle Gesetzgeber der BRICS-Staaten zugestimmt und somit die Bank mit den notwendigen rechtlichen Voraussetzungen versehen, sodass sie ihr Geschäft im Januar 2016 aufnehmen kann.

Laut der Erklärung von Fortaleza wird die NDB ihren Hauptsitz in Shanghai haben und soll Infrastrukturprojekte und nachhaltige Entwicklungsprojekte in BRICS-Staaten und anderen Entwicklungs- und Schwellenländern finanzieren. Das genehmigte Startkapital liegt bei 100 Milliarden USD und zunächst steuert jedes der Länder 10 Milliarden bei. Die Bank wird auch zeitgleich mit dem Hauptsitz ein regionales Zentrum in Südafrika einrichten.

Der erfahrene indische Banker Kundapur Vaman Kamath wird zum ersten Präsidenten der NDB berufen.

Die NDB wird der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedsländer starken finanziellen Rückhalt bieten, sagte Li.

Shen Chen, ein Forscher für China Studien an der Universität Stellenbosch in Südafrika, sagt, dass die BRICS-Staaten trotz ihrer unterschiedlichen ökonomischen Stärke gleichwertig in der neuen Bank vertreten seien.

„Die NDB will Entwicklungsdarlehen für Infrastruktur und Industrie in Entwicklungsländern ohne politische Bedingungen anbieten. Es soll so die inadäquaten gegenwärtigen Finanzinstitutionen komplementieren und so das Wachstum in den Entwicklungsländern erleichtern", sagte Shen.

Shen geht davon aus, dass die NDB nur der Anfang der Zusammenarbeit der BRICS-Staaten beim Aufbau einer vernünftigen und fairen Wirtschaftsordnung ist. Ihre gemeinsamen Anstrengungen werden bemerkenswerte Veränderungen für die Weltfinanzordnung bringen.