03-07-2015
Im Focus
Der Preis guter Investitionen: Chinesische Investoren in Europa
von Mei Xinyu

Nachdem die chinesischen Direktinvestitionen in die EU weiter stark steigen, beginnt man sich in Europa zu fragen, ob die bezahlten Preise ihre Berechtigung haben.

Eine chinesische Konsumentin liest bei einer Promotion-Show in Shanghai Broschüren des Club Méditerranée. Das französische Unternehmen war im Januar 2015 von der chinesischen Fosun International Ltd. gekauft worden.

Laut Statistiken haben die Direktinvestitionen Chinas in die EU im Jahr 2013 4,52 Milliarden USD erreicht. Die Financial Times schätzte im Februar 2015, dass die chinesischen Direktinvestitionen sich im Jahr 2014 sogar noch vervierfacht hätten.

Angesichts des schwachen Euros und den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank wird davon ausgegangen, dass Direktinvestitionen aus China und anderen Ländern, durch die billigeren europäischen Wertpapiere und die niedrigeren Finanzierungskosten für europäische Anlagen, stimuliert werden.

Die chinesischen Auslandsdirektinvestitionen sind seit 2015 weiter gestiegen. Besonders zwei große Käufe fanden Beachtung: Anfang Januar hat die chinesische Fosun International Ltd. den französischen Ferienanlagenbetreiber Club Méditerranée (Club Med) übernommen, Ende März hat die China National Chemical Corp. (ChemChina) das italienische Unternehmen Pireli, den fünftgrößten Reifenproduzenten der Welt, für 7,1 Milliarden Euro gekauft.

In europäischen Medien werden die Kaufpreise der Chinesen als zu niedrig bezeichnet. Die quantitativen Lockerungsmaßnahmen der EU haben gute Bedingungen für ausländische Investoren, auch chinesische, geschaffen um europäische Anlagen zu niedrigen Preisen zu kaufen, was diese Befürchtungen weiter nährt. Fosuns Erwerb des Club Med wurde von der französischen Öffentlichkeit als politische Angelegenheit interpretiert und die öffentliche Diskussion führte zu einem langwierigen Fusionsprozess.

Trifft es zu, dass chinesische Investoren niedrige Preise oder harte Bedingungen anbieten? Selbstverständlich hat das Management der gekauften europäischen Unternehmen differenzierte Ansichten dazu.

Das Managementteam von Club Med hoffte auf die Übernahme durch die chinesischen Investoren, seit sie daran gedacht hatten, die Firma zu verkaufen. Und ChemChinas Kauf von Pireli galt als lohnende Transaktion und als der beste Weg, die Zerschlagung der Firma zu vermeiden, weshalb die Verhandlungen auch die Zustimmung des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi hatten.

Ob man es will oder nicht, in Bezug auf Unternehmensakquisition wird es wohl die beste Option für die betroffenen Unternehmen sein, auf die chinesischen Investoren zuzugehen. Man kann nicht mehr ignorieren, dass China heute ein internationaler Tourismusmarkt ist und somit viel Potential bringt. Im Jahr 2013 haben chinesische Touristen 128,6 Milliarden USD im Ausland ausgegeben und im Jahr 2014 haben chinesische Staatsbürger mehr als 100 Millionen Reisen zu Zielen im Ausland gemacht. Der europäische Reisemarkt dagegen befindet sich in der Zwischenzeit im Schrumpfen. Club Med sah sich seit Jahren mit einem Engpass konfrontiert und der chinesische Markt bringt das Wachstum, das es so dringend braucht. Das Unternehmen braucht einen chinesischen Investor, um die Tür zum chinesischen Markt aufzustoßen. Und Pireli erreicht mit Hilfe des chinesischen Investors eine bessere Marktposition, da China mittlerweile der größte Automobilproduzent und Absatzmarkt der Welt ist.

Vom kaufmännischen Standpunkt aus betrachtet, sind sowohl Fosuns Kauf von Club Med als auch ChemChinas Kauf von Pireli oder jeder andere Erwerb großer chinesischer Unternehmen wertvoll für die europäischen Länder, deren Sorgen unnötig sind, da sie durch diese Transaktionen keinerlei Verluste erleiden werden.

Man kann aus den Transaktionspreisen leicht erkennen, dass es die Chinesen sind, die sich sorgen sollten, zu hohe Preise zu bezahlen. Bei all diesen Transaktionen boten die chinesischen Käufer wesentlich höhere Preise als ihre Konkurrenten.

Beim ersten Übernahmeangebot im Mai 2013 bot Fosun 17 Euro pro Aktie, was über dem damaligen Aktienpreis von Club Med lag. Der letztliche Kaufpreis erreichte 24,6 Euro pro Aktie, was 45% über dem ersten Angebot lag. ChemChina bezahlte für Pireli einen Aktienpreis, der das 23-fache des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) ausmachte. Die Aktienpreise des französischen Reifenherstellers Michelin oder des koreanischen Reifenherstellers Kumho lediglich beim 16- bzw. 11-fachen ihres KGVs lagen.

Unsere Befürchtung ist, dass chinesische Investoren exorbitante Preise beim Kauf europäischer Unternehmen bezahlen, da sie den Reiz europäischer Kapitalanlagen für chinesischen Konsumenten überschätzen. Sie werden möglicherweise auch die Produktionseffizient europäischer Produktionsunternehmen überschätzen und die Unbeweglichkeit des europäischen Arbeitsmarktes unterschätzen. Im Endeffekt überschätzen chinesische Investoren die möglichen Profitmargen der von ihnen gekauften Unternehmen, was sie viel zu hohe Preise zahlen lässt.

Als Club Med gekauft wurde, nannten die chinesischen Investoren den berühmten französischen Vergnügungs- und Freizeit-Lebensstil als Grund für ihr Vertrauen, Profite erzielen zu können. Sie gehen wohl davon aus, dass diese Resultate dem Wachstum des touristischen Konsumverhaltens der Chinesen folgen würden. Aber auch wenn die chinesische Wirtschaft immer stärker wird und mehr und mehr Chinesen im Ausland reisen können, werden sie weiterhin gewillt sein, für westliche Dienstleistungen wesentlich mehr als im heimischen Markt zu bezahlen?

Angesichts ChemChinas Kaufs von Pireli, sollten wir nicht unterschätzen, welchen Schaden die Produktivität durch den unflexiblen Arbeitsmarkt genommen hat.

Maurice Taylor, der CEO des amerikanischen Reifenherstellers Titan, sagte 2013: „Französische Arbeiter bekommen hohe Löhne aber arbeiten nur drei Stunden [am Tag]." Er setzte fort, dass sein Unternehmen „dumm" wäre, eine kränkelnde französische Fabrik zu übernehmen.

Warum bleibt die Arbeitslosenrate in Europa so hoch? Ein Arbeitsmarkt, der hohe Gehälter und eingeschränkte Flexibilität fördert, ist dafür verantwortlich. Er schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und die, die nach wie vor kompetitiv wären, würden eher ihre Produktion outsourcen als in ihren Heimatländern zu produzieren, um so Arbeitsrechtdispute zu vermeiden.

Viele weise Männer innerhalb und außerhalb der EU haben das erkannt, aber die europäischen Eliten genauso wie die Öffentlichkeit haben sich an dieses System gewöhnt. Es mangelt ihnen nicht nur an Originalität, sie kritisieren ironischerweise auch ihre Kritiker. Taylors Worte beispielsweise erregten Entsetzen in Frankreich, was natürlich in keiner Weise zur Lösung des Problems beitrug.

Fehlinvestitionen aufgrund überoptimistischer oder uniformierter Erwartungen werden traurigerweise häufiger. Nach Jahren großer Verluste mussten japanische Investoren das New Yorker Rockefeller Center verkaufen. Das chinesische Unternehmen CITIC Pacific kaufte zwei Eisenminen in Australien um 415 USD und erlitt hohe Verluste, da die Eisenerzpreise kurz danach einbrachen.

Natürlich werden von den chinesischen Auslandsdirektinvestitionen sowohl China als auch das Gastgeberland profitieren. Wir stimmen damit überein, dass chinesische Investoren vernünftige Preise bezahlen sollen und nicht überoptimistisch sein sollen. Wir hoffen daher auch, dass die Gastgeberländer keine exorbitanten Preise fordern, die im Endeffekt beiden Partnern Schaden zufügen würden.

(Der Autor forscht an der chinesischen Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftskooperation)