01-07-2015
Im Focus
Deutsche Unternehmen "wie China in der 'neuen Normalität' angekommen"

Der deutsche Botschafter Michael Clauss und der Vorsitzende der Außenhandelskammer China, Lothar Herrmann, bei der Präsentation des Business Confidence Survey

 

Nach dem jüngsten Business Confidence Survey der Außenhandelskammer Greater China beurteilen deutsche Unternehmen in China ihre wirtschaftliche Situation 2015 deutlich weniger optimistisch als in den beiden Jahren zuvor. Nach wie vor beklagt werden die geringen Fortschritte bei der Gleichbehandlung deutscher Unternehmen, positiv eingeschätzt werden die Auswirkungen der Antikorruptionsmaßnahmen der Regierung.

China ist der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands, 2014 lag die bilaterale Handelsbilanz  bei rund 160 Milliarden Euro. Die deutsche Initiative „Industrie 4.0." zur Informatisierung der Fertigungstechnik und ihr chinesisches Gegenstück „Made in China 2025" sollen die Zusammenarbeit im Bereich Innovation weiter verstärken. Die Perspektiven scheinen gut: „Nach einer Studie der HSBC wird China in 15 Jahren sogar der wichtigste Handelspartner Deutschlands sein", hob der deutsche Botschafter Michael Clauss anlässlich der Präsentation der Studie der Außenhandelskammer in Beijing hervor.

Mehr als 3000 deutsche Unternehmen vertritt die Kammer in Festlandchina und Hongkong, 439 davon nahmen vom 11. Mai bis 12. Juni an ihrer jährlichen Umfrage zur Einschätzung von  Wirtschaftsperspektiven, Investitionsklima und Marktumfeld in China teil. Dabei zeichnete sich im Vergleich zu 2013 und 2014 jedoch ein neuer Trend ab. Ganz offensichtlich wirkte sich die fortgesetzte Konjunkturverlangsamung in der ersten Jahreshälfte auch auf die Beurteilung der eigenen Perspektiven aus. „Wir verzeichnen eine erhebliche Eintrübung der wirtschaftlichen Einschätzung", formulierte Lothar Herrmann, Vorsitzender der Außenhandelskammer China, die Ergebnisse der Studie im Überblick.

Während 2014 noch 48,9 Prozent der befragten Unternehmen von einer Verbesserung der Wirtschaftslage in China ausgingen, waren es in diesem Jahr nur noch 27 Prozent. 33,8 Prozent der Unternehmen erwarten dagegen eine Verschlechterung der Lage, zum Vergleich: 2014 teilten nur 17,5 Prozent diese Einschätzung. „2014 war allerdings auch eins der besten Jahre für die deutsche Wirtschaft in China", räumte Hermann ein.

Trotz allem liegt der Anteil der Unternehmen, die damit rechnen, ihre Geschäftsziele für 2015 zu erreichen, noch bei über 50 Prozent. Besonders großer Optimismus herrscht laut Umfrage in der Autobranche, während die Vertreter der Chemie-, Maschinenbau- und Verbrauchsgüterindustrie gemischtere Erwartungen äußerten. Deutlich weniger Unternehmen als 2014 glauben jedoch daran, ihre Geschäftsziele übertreffen zu können. „Es herrscht insgesamt eine abwartende Haltung", so Hermann. 

 

Probleme mit Personalakquise

Wie schon bei der Vorjahresumfrage stehen Personalprobleme auf Platz eins des deutschen Sorgenkatalogs. 82,4 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass das Finden qualifizierter Arbeitskräfte ein Problem darstelle (2014: 74,1 Prozent). Stark gestiegen im Vergleich zum Vorjahr sind die Befürchtungen im Hinblick auf Währungsrisiken (59,1 Prozent bzw. 48,6 Prozent). Verbesserungsbedarf gibt es aus deutscher Sicht auch im Hinblick auf die zugesicherte Gleichbehandlung deutscher Unternehmen. „Viele Bereiche sind noch an Joint Ventures gebunden", führte Clauss an. Als weitere Beispiele nannte er die längeren Zulassungsverfahren für deutsche Pharmaunternehmen, Restriktionen für Versicherungen und Komplikationen beim Import landwirtschaftlicher Produkte.

Deutlich abgenommen haben dagegen die Bedenken wegen des Diebstahls geistigen Eigentums, nämlich von 57,7 Prozent auf 48,1 Prozent der Nennungen. „Das liegt daran, dass deutsche Unternehmen jetzt in China Patente anmelden können", so Hermann.  Und erstmals aus den Top Ten der Unternehmensprobleme herausgefallen ist die Korruption.

 

Positive Einschätzung der Antikorruptionsmaßnahmen

Die Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung wirkte sich nach Hermanns Angaben am positivsten auf die Beurteilung des Investitionsklimas aus. Auch das moderatere Wachstum in China wird in dieser Hinsicht wohlwollend eingeschätzt und zählt für deutsche Unternehmen neben den Wirtschaftsreformen, auch wenn diese als zu langsam bewertet werden, mit Werten von jeweils über 50 Prozent zu den drei wichtigsten investitionsfördernden Faktoren. Entsprechend blieb auch die Zahl der Unternehmen, die Investitionen an neuen Standorten planen, stabil. „Deutsche Unternehmen bevorzugen dabei die Ballungszentren im Osten des Landes", erläuterte Hermann, „Grund dafür dürften vorhandene Arbeitskräfte und Infrastruktur sein."

Ungeachtet der konjunkturellen Eintrübung und der Schwierigkeiten, mit denen deutsche Unternehmen in China zu kämpfen haben mögen: Grund für Pessimismus gibt die Umfrage aus Sicht der Handelskammer nicht: „Es herrscht eine realistischere Einschätzung der Wirtschaft vor. Wir sind wie China in der 'neuen Normalität' angekommen", so das Fazit von Hermann.