Auch wenn der Zweite Weltkrieg vor gut 70 Jahren zu Ende ging, sind die seelischen Narben der Nationen, die unter dem Krieg gelitten haben, noch frisch. Für die Vereinigten Staaten ist der Krieg eine nachdrückliche Erinnerung an ihr möglicherweise letztes, mehrheitlich akzeptiertes militärisches Engagement, als das Land auf dem Weg war, die Weltmacht Nummer eins zu werden.
Der Krieg blieb im Geist der Amerikaner präsent, dazu trug die Populärkultur mit Filmen wie „Der Soldat James Ryan", Fernsehserien wie „The Pacific" oder „Band of Brothers" und auch Videospielen wie „Medal of Honor" bei. Dennoch vergessen die Amerikaner anscheinend die wichtige Verbindung Chinas zum Krieg.
Der Kriegsschauplatz in China und Südostasien, manchmal auch der "vergessene Kriegsschauplatz" genannt, vereinte Amerikaner und Chinesen im Kampf gegen das Kaiserreich Japan, das die gesamte ostasiatische und pazifische Region angegriffen hatte. Einige der ersten Kriegseinsätze gegen die Japaner ereigneten sich hier, durchgeführt vom amerikanischen Geschwader „Fliegende Tiger", einer Gruppe amerikanischer Freiwilliger in der chinesischen Luftwaffe. Obwohl er ein wichtiges und dauerhaftes Vermächtnis hinterlassen hat, trifft dieser Kriegsschauplatz in der amerikanischen Öffentlichkeit nicht mehr auf die gleiche Resonanz wie andere Aspekte des Krieges.
In China hat der Kampf gegen Japan jedoch bis heute dauerhafte und schmerzende Narben hinterlassen. Daher mag es aus chinesischer Perspektive überraschend erscheinen, dass die Amerikaner die wichtigen Ereignisse an diesem Kriegsschauplatz vergessen konnten.
Das Yuezhong-Museum für Historische Bilder (MoHi) in Shenzhen (Provinz Guangdong) will Amerikaner mit einer neuen Ausstellung unter dem Titel „Nationale Erinnerungen: Bilder, die von der chinesisch-amerikanischen Zusammenarbeit während des Zweiten Weltkrieges erzählen" an diesen vergessenen Teil ihrer Geschichte erinnern.
Die Ausstellung im MoHi soll eine Brücke zwischen beiden Nationen schlagen, Verbündete zusammenbringen, die einst Seite an Seite kämpfen. Sie zeigt seltene Archivfotos der chinesisch-amerikanischen Kooperation aus der damaligen Zeit, zusammengetragen aus Sammlungen in aller Welt.
Ein großer Anteil der Ausstellungsfotos und –materialien lag bis 2010 verschlossen im amerikanischen Nationalarchiv und stammt von der 164th Signal Photo Company der Fernmeldeeinheit der US-Armee, die den Krieg in China und Südostasien dokumentierte. Die Aufnahmen sind von unschätzbarem Wert, chinesische und amerikanische Wissenschaftler halfen bei ihrer Herausgabe und die wichtigsten fanden Eingang in die neue Ausstellung.
Das Museum stellte seine Sammlung bereits bei der BookExpo America (BEA) vom 27. bis 29. Mai im New Yorker Javits Center vor. China war Ehrengast dieser großen Verlagsmesse und nahm mit einer Rekorddelegation daran teil.
Exponate mit Chinabezug wurden an prominenter Stelle präsentiert, es gab einen klaren China-Schwerpunkt mit einer heterogenen Gruppe von Verlegern und Autoren. Auch in der Berichterstattung der Medien wurde die Ausstellung des MoHi erwähnt, direkt nach der Nachricht von der Veröffentlichung der amerikanischen Ausgabe von „Xi Jingping: China Regieren", dem neuen Buch von Chinas Staaspräsident.
Die Schau auf der Buchmesse zeigte seltene Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg, die die Zusammenarbeit zwischen den beiden Mächten veranschaulichen. Die bereits erwähnten „Fliegenden Tiger" wurden an prominenter Stelle gezeigt, denn sie haben vielleicht das dauerhafteste Vermächtnis aus dieser Zeit hinterlassen. Ein anderes Foto zeigt, wie eine große Menschenmenge in Tianjin die Ankunft der US-Marine nach der Niederlage der Japaner bejubelt. Alle diese Fotos werden auch in der Dauerausstellung des Museums in Shenzhen gezeigt.
China befand sich während dieses historischen Zeitraums in einer komplexen Phase seiner Entwicklung. Das Land war zerrissen vom Bürgerkrieg und kämpfte gleichzeitig gegen die japanischen Angreifer. Die USA waren ein offizieller Verbündeter der von Chiang Kai-shek angeführten Kuomintang-Regierung, trotz der zahlreichen Berichte über die weitverbreitete Korruption. Die MoHi-Ausstellung weicht dieser Realität nicht aus, sie zeigt Fotos mit amerikanischen und chinesischen Truppen, einschließlich Chiang.
Einige der bedeutsamsten Fotos stammen jedoch von Aufnahmen der Kooperation zwischen den Kommunisten, zu dieser Zeit noch eine revolutionäre Kraft, und den Amerikanern. Auf einem dieser Fotos ist der spätere politische Führer Mao Zedong (1893-1976) zusammen mit der Beobachtungsgruppe der US-Armee in Yan'an in der Provinz Shaanxi, dem damaligen Sitz der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), zu sehen. Ein anderes Bild zeigt den berühmten chinesischen Staatsmann Zhou Enlai (1898-1976) im Gespräch mit David Barrett (1892-1977), einem Oberst der US-Armee, der für die Mission verantwortlich war.
Die in der Ausstellung dargestellte Kooperation war auch bekannt als „Dixie-Mission", eine verdeckte Kontaktaufnahme der Amerikaner mit der KPCh und der Volksbefreiungsarmee. An diese Mission erinnern sich in den USA jedoch nur wenige, vor allem nach der McCarthy-Ära und der landesweiten Paranoia zum Höhepunkt des Kalten Krieges. Durch die Ausstellung können die Erinnerungen an die Zusammenarbeit jedoch an eine neue Generation von Chinesen und Amerikanern weitergeben werden.
Bei der Buchmesse nicht gezeigt wurden die zahlreichen Filme aus dieser Zeit. Bei einigen handelt es sich um kurze Propagandafilme des US-Militärs, in denen es um Unterstützung für seine Kriegsanstrengungen in China warb. Andere Filme beinhalten Interviews mit Kriegsveteranen, die das Museum gesammelt hat. Das Interviewmaterial umfasst mehrere hundert Gesprächsstunden, damit besitzt das MoHi eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen mündlicher Berichte von jenem Kriegsschauplatz.
Mission des MoHi ist es, "im Ausland verstreute Bilder zu Chinas Geschichte und mündlich überliefertes historisches Material aus Dörfern zu sammeln, um die nationalen und persönlichen Erinnerungen, die in den offiziellen historischen Berichten verschwiegen werden, bekannt zu machen." Mit einem Verwaltungskomitee aus Dokumentarfilmern, Fotografen, Journalisten, Autoren, Kuratoren und anderen Wissenschaftlern hat das Museum außerdem einen ausgeprägten Respekt für Akademiker. Einer der Ehrendirektoren ist John Easterbrook, ehemaliger US-Oberst und Enkel von General Joseph Stilwell, der die Amerikaner auf den Kriegsschauplätzen in China und Südostasien mutig anführte.
Die Fotoausstellung kann als Erinnerungshilfe für die Kooperation zwischen den USA und China dienen. Während Amerikaner dazu neigen, den Kontext dieses Kriegsschauplatzes zu vergessen, sind seine Auswirkungen in der chinesischen Bevölkerung unvergessen. Wenn beide Länder die Ausstellung anerkennen, können sie vielleicht voneinander im Hinblick auf die Erinnerungen an diese bewegte Zeit der Weltschichte lernen. Die vergessene Kooperation während des Zweiten Weltkriegs, die die Ausstellung „National Memories" zeigt, kann dazu beitragen, das dringend nötige interkulturelle Verständnis zwischen beiden Ländern zu fördern.
Der Autor ist Doktorand an der pädagogische Hochschule der Columbia University |