01-04-2015
Im Focus
Regierung will privaten Kreditmarkt regulieren
von Zhou Xiaoyan
Die Finanzrisiken auf dem P2P-Kreditmarkt steigen. Nun sind detaillierte Verordnungen für eine staatliche Regulierung in Arbeit.

CFP

Wan Di (33) ist leitender Projektmanager bei einem chinesisch-ausländischen Joint-Venture in Beijing. Sein Konto ist voll, sein Terminplan ebenso. Wans größtes Problem ist daher, sein Geld ohne großen Zeitaufwand zu investieren.

Als Wan 2013 von CreditEase, einer der führenden Peer-to-Peer-(P2P)-Plattformen für Kreditgeschäfte in China, hörte, fand er die für ihn passende Lösung. Seitdem hat er rund 60 Prozent seiner gesamten Investitionen darüber abgewickelt, pro Jahr erwirtschaftete er 10 bis 12 Prozent Zinsen. "Das ist ein ziemlich hoher Ertrag für eine festverzinsliche Anlage", erklärte er im Gespräch mit der Beijing Review.

Bei der P2P-Kreditvergabe wird Geld an Einzelpersonen und kleine Unternehmen verliehen, ohne dass ein traditioneller Finanzintermediär wie eine Bank ins Spiel kommt. Da sich mehr und mehr Einzelinvestoren für diesen Weg entscheiden, haben P2P- Kreditgeschäfte in den vergangenen Jahren in China exponentiell zugenommen.

In China gibt es eine Menge finanzschwacher kleiner Unternehmen, deren Finanzierungsbedarf häufig von den großen Banken vernachlässigt wird. Das Land mit seinem ausgeprägten Hang zum Sparen ist ebenso voll von cleveren Einzelinvestoren, die den Wert ihres knapp bemessenen Bargelds steigern wollen. Die P2P-Kreditbranche nutzt diese Geschäftsnische und bringt kreditwürdige Darlehensnehmer mit klugen Investoren zusammen.

Das mag zwar verlockend klingen, doch die aufkeimende Branche wird nicht von der Regierung kontrolliert, es gibt weder eine Markteintrittsschwelle noch Standards für Geschäftsabläufe. Seit dem vergangenen Jahr haben die zahlreichen Pleiten von P2P-Websites bzw. ihre Abschaltung Investoren im Hinblick auf die Betrugs- und Ausfallrisiken, die mit den hohen Erträgen einhergehen, die diese Unternehmen versprechen, in Alarmbereitschaft versetzt. Es wurde deutlich, dass eine strenge Regulierung durch die Regierung notwendig ist.

Drohende Gefahren

Die P2P-Kreditgeschäfte wurden 2006 in China eingeführt. Wegen des leistungsschwachen Aktienmarkts seit 2008 und der niedrigen Einlagenzinsen der Banken wandten sich chinesische Investoren auf der Suche nach höheren Gewinnen schnell den P2P-Websites zu.

Diese Websites bieten den Investoren bessere Erträge als die kommerziellen Kreditgeber an, die durchschnittlichen Zinsen lagen im Februar bei 15 Prozent, zum Vergleich: der Richtwert für die Einlagenzinsen der Bank of China betrug 2,5 Prozent. Das meldete Wangdaizhijia.com (wörtlich: "Heimat der Online-Kreditvergabe "), ein Onlineportal, dass die Branche analysiert.

Im Februar 2015 überschritt die Zahl der P2P-Online-Kreditplattformen 1600, sie verzeichneten ausstehende Darlehen in Höhe von 124,6 Milliarden Yuan. Nach Angaben von Wangdaizhijia.com lag die Zahl der monatlich aktiven Kreditgeber bei 800.000, die Zahl der aktiven Kreditnehmer bei 160.000.

Der schnell wachsende Sektor ist durch die fehlende staatliche Regulierung eine Brutstätte für Risiken. Laut Wangdaizhijia.com gerieten im Februar 59 P2P-Online-Kreditplattformen in geschäftliche Schwierigkeiten, 13 stellten ihren Betrieb ein, 21 bemühen sich um die Auszahlung der Investoren und 24 sind ganz vom Markt verschwunden. Auch Branchenriesen waren davon nicht ausgenommen.

Am 12. März wurde Lufax.com, eine der führenden P2P-Kreditplattformen und gleichzeitig der Online-Finanzarm der Ping An Insurance, von der Dagong Global Rating Group, einer chinesischen Ratingagentur, auf die Schwarze Liste gesetzt. "Dagong beschloss, Lufax wegen wichtiger Veränderungen beim eingetragenen Kapital, unangemessener Offenlegung von Informationen und parteibezogener Garantien von der Warnliste auf die schwarze Liste zu setzen", hieß es in einer Stellungnahme, die der Beijing Rundschau vorliegt.

Obwohl Lufax am 16. März das negative Rating von Dagong offiziell bestritt, war der öffentliche Krach mit Dagong für die Investoren ein Warnschuss im Hinblick auf die wachsenden Probleme in der Branche.

275 der über 1500 Kreditplattformen in China gingen 2014 nach Angaben von Wangdaizhijia.com in Konkurs oder hatten Zahlungsschwierigkeiten, im Vorjahr waren es nur 76. "In diesem Jahr könnte die Anzahl der Pleiten sogar bei 500 liegen", warnte Zhu Mingchun, Marketingchef bei Wangdaizhijia.com.

Die Zügel anlegen

Da die Risiken im P2P-Kreditsektor steigen, sind die Rufe nach einer strengen staatlichen Kontrolle lauter geworden. Während der dritten Tagung des 12. Nationalen Volkskongresses, dem obersten Gesetzgeber Chinas,  verkündete Zentralbankpräsident Zhou Xiaochuan, dass neue Vorschriften für Internet-Finanzdienstleistungen in Arbeit seien und bald veröffentlicht würden.

"Die Regulierung ist eine gute Nachricht für die gesamte Branche, da man so die Spreu vom Weizen trennen kann. Es sind definitiv gute Neuigkeiten für diejenigen Online-P2P-Plattformen, die bereits strenge Risikokontrollen eingeführt und ihre Geschäftsabläufe standardisiert haben. Sie werden nach der Veröffentlichung der Regierungsverordnungen mehr Wachstum verzeichnen können", erklärte Zhou Chunsheng, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Cheung Kong Graduate School of Business. „Eine Umstrukturierung des Geschäftsfelds ist auf dem Weg."

Zhang Jun, Geschäftsführer der P2P-Kreditplattform Ppdai.com, lobt die staatlichen Kontrollmaßnahmen.  "Kontrolle ist eine gute Sache für die Branche. Es gibt drei wichtige Elemente für eine Risikosenkung: unabhängige Verwalter für das Kundengeld, eine transparente Offenlegung von Informationen und Schutz für die Investoren", erläuterte er. 

Im Januar strukturierte die chinesische Bankenaufsichtsbehörde ihre angegliederten Abteilungen um und gründete unter dem Namen „Abteilung für Angelegenheiten der Finanzinklusion" eine Sonderabteilung für die flügge werdende P2P-Kreditbranche.

Medienberichten zufolge traf sich die Sonderabteilung am 11. März mit Insidern, um über einen Verordnungsentwurf für die Branche zu diskutieren, aber endgültige Bestimmungen stehen noch aus. Der Verordnungsentwurf beinhaltet u.a. eine Markteintrittsschwelle – mindestens 30 Millionen Yuan eingetragenes Kapital – und strenge Bedingungen für das Leverage Management. Die Verschuldungsquote, d.h. das Verhältnis der ausstehenden Darlehen zum eingezahlten Kapital, sollte unter dem Zehnfachen des Kapitals der  P2P-Kreditplattformen liegen, hieß es.

30 Millionen Yuan seien eine angemessene Summe, meint Guo Hangyu, Mitbegründer von Dianrong.com, einer Website für P2P-Kreditgeschäfte. "Eine zu niedrige Markteintrittsschwelle birgt Risiken. Ist sie zu hoch, werden finanzielle Innovationen behindert", erläutert Guo. Er hat jedoch Zweifel an der Verschuldungsbegrenzung, übertrieben strenge Grenzwerte und  schränken seiner Ansicht die Entwicklung des Sektors ein.

"Die Verschuldungsquote zur Regulierung von Finanzinstituten zu nutzen, ist eine traditionelle Methode, auch bei Banken. Anbieter von Online-Finanzdienstleistungen unterscheiden sich aber von konventionellen Finanzinstituten. Die Festsetzung einer Verschuldungsquote senkt die inhärenten Risiken der P2P-Websites nicht zwingenderweise", meint Guo. "Wenn eine solche Website beispielsweise über eine große Menge eingetragenes Kapital verfügt, ist eine große Anzahl ausstehender Darlehen erlaubt. Die Website kann wegen einer schlechten Risikokontrolle aber dennoch scheitern", erläuterte er. „Daher wird die Fähigkeit zur Risikokontrolle die Rettungsleine für P2P-Kreditplattformen sein, die staatliche Regulierung sollte sich darauf konzentrieren."

Ähnlicher Ansicht ist Zhou Shiping, Aufsichtsratsvorsitzender der P2P-Kreditplattform Hongling Capital. Die Begrenzung der Verschuldungsquote widerspreche der Theorie der Regulierungsbehörden, dass es sich bei P2P-Plattformen um Informationsvermittler handele. "Wenn sie lediglich Informationsvermittler sind, warum sollten sie dann aber einer Verschuldungsbegrenzung unterliegen? Die Regulierungsgrundlage für die P2P-Branche sollte eine vollkommen andere als für Banken sein. Ob eine Plattform verlässlich ist oder nicht, hat wenig mit ihrer Verschuldungsquote zu tun", meint Zhou.

"Einige P2P-Kreditplattformen sind im Grunde Kredithaie. Um Risiken zu vermeiden, sollten Investoren nur die größten und bekanntesten Akteure am Markt auswählen", empfiehlt Projektmanager Wan. „Ich denke, die Kontrolle durch die Regierung wird zu großen Veränderungen in der Branche führen."

Genau wie Wan zählen hunderttausende Investoren die Tage bis zur Einführung der Regulierung – bis dahin bleiben sie auf sich gestellt.