10-03-2015
Im Focus
Xi Jinpings Asien-Pazifik-Traum
von An Gang

China erweitert seine Entwicklungspläne für die Region.

Konstruktive Gespräche: Teilnehmer des APEC-Gipfels am 9. November in Beijing

Als Chinas Staatspräsident 2012 Xi Jinping erstmals das Konzept des chinesischen Traums vorstellte, interpretierten Beobachter seine Idee als einen vagen Versuch, die Einheit des chinesischen Volks zu stärken. Zwei Jahre später wird Xis Regierungsstil mittlerweile aufgrund seiner Erfolge bei Wirtschaftsreformen, Korruptionsbekämpfung und in internationalen Beziehungen allgemein anerkannt. Nur wenige würden noch behaupten, dass der chinesische Traum nur inhaltsleere Rhetorik ist, denn die Realität hinter der Vision nimmt Tag für Tag Gestalt an.

Der chinesische Traum beschränkt sich nicht auf die chinesische Bevölkerung, er ist nicht vom Rest der Welt isoliert. Für Chinas Staatsoberhaupt ist die weitere Integration und vertiefte Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft  eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung des chinesischen Traums in der Moderne. In den vergangenen zwei Jahren besuchte Staatspräsident Xi Jinping mehr als 30 Länder auf fünf Kontinenten und betonte im Kontakt mit der örtlichen Bevölkerung wiederholt, dass der chinesische Traum „nicht nur den Chinesen nutzen wird, sondern den Menschen in aller Welt."

Ein Traum für den Asien-Pazifik-Raum

China jongliert mit mehreren geopolitischen Identitäten. Zum einen ist es ein Land der Asien-Pazifik-Region, die für die chinesische Diplomatie besonders wichtig ist. Chinas Wirtschaft, zurzeit die zweitgrößte der Welt, macht ein Viertel der Wirtschaft dieser Region aus. Acht seiner zehn wichtigsten Handelspartner befinden sich hier. Als Chinas ehemaliger Staatsführer Deng Xiaoping vor 36 Jahren die Reform- und Öffnungspolitik einleitete, zählten Länder im Asien-Pazifik-Raum wie Japan, Thailand, Singapur und die USA wegen ihrer Bedeutung für Chinas Wirtschaftsexpansion zu den ersten Zielen seiner Staatsbesuche. Die Verbindung zwischen dem chinesischen Traum und der Welt hat ebenfalls in dieser dynamischen Region ihren Ausgangspunkt. 

Bei seiner Rede zu Eröffnung des APEC-Gipfels im vergangenen November in Beijing forderte Xi Jinping die Länder des Asien-Pazifik-Raums auf, gemeinsam eine zukunftsorientierte Partnerschaft aufzubauen. „Wir sind verpflichtet, einen asiatisch-pazifischen Traum für unsere Bevölkerung zu schaffen und zu erfüllen", erklärte er. Grundgedanke sei es, im Geist der asiatisch-pazifischen Gemeinschaft aus einem Gefühl des gemeinsamen Schicksals zu handeln, nach den Prinzipien von Frieden, Entwicklung und einer für beide Seiten vorteilhaften Kooperation zu handeln. Es geht darum, bei der globalen Entwicklung ganz vorne mit dabei zu sein und größere Beiträge zum Wohle der Menschheit zu leisten, ein Weg hin zu wirtschaftlicher Dynamik, freiem Handel und einfacheren Investitionen, einer Verbesserung der Projekte an der Seidenstraße und engerem persönlichen Austausch.

Xi Jinpings Asien-Pazifik-Traum ist nur einfach eine Sache der öffentlichen Diplomatie; er ist vielmehr ein systematisches strategisches Projekt, die regionale wirtschaftliche Integration dient ihm als Plattform. Während des APEC-Treffens im vergangenen November kündigte Xi eine Freihandelszone im Rahmen der Asien-Pazifik-Pläne an, die bereits die Unterstützung von mehr als 20 Ländern gewonnen hat. China hat bereits einen Seidenstraßenfonds in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar eingerichtet, um den Aufbau der Infrastruktur und die industrielle Expansion in den Ländern entlang des Wirtschaftsgürtels an der Seidenstraße und der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts zu fördern. China hat sich ebenso für die Einrichtung der Asian Infrastructure Investment Bank eingesetzt und die Hälfte des Startkapitals von 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt, um die regionale Entwicklung zu stärken.  Die Währungsdiplomatie ist ein weiteres Aktionsfeld, der chinesische Yuan ist mittlerweile nach dem US-Dollar die am zweithäufigsten genutzte Währung im Außenhandel. Ein Drittel der bilateralen Währungsswap-Vereinbarungen und zwei Drittel der chinesischen Freihandelsabkommen wurden mit Ländern der Asien-Pazifik-Region getroffen.

Chinas regionaler Wirtschaftsplan ist eine Erweiterung seiner strategischen Revitalisierung. Dieser Plan bringt keine hegemonialen Bestrebungen durch militärische Expansion mit sich. China hat keine derartigen Absichten und die Komplexität und Diversität der regionalen Situation im Asien-Pazifik-Raum schließt das Auftauchen jeder Möchtegern-Hegemonialmacht aus.

Eine Brücke zwischen China und den USA

Chinas wachsender Einfluss in der Asien-Pazifik-Region wird unweigerlich mit den Interessen der USA kollidieren. Als Reaktion auf Chinas schnellen Aufstieg gab US-Präsident Barack Obama in seiner ersten Amtszeit seine Asien-Pazifik-Strategie bekannt, was zu gewissen Missverständnissen zwischen China und den USA führte. In seiner zweiten Amtszeit hat Obama seitdem versucht, seine Rhetorik abzumildern, um Beijings Bedenken zu verringern. Kurz nachdem John Kerry im April 2013 das Amt des Außenministers übernahm, stattete er Asien einen Besuch ab. Die USA könnten zur Erfüllung des chinesischen Traums beitragen, erklärte Kerry. In einer Rede in Tokio bezeichnete und definierte er die amerikanische Version des pazifischen Traums als „eine Version, in der Nationen und Menschen eine Partnerschaft formen, die unsere gemeinsame Zukunft prägt" und die auf „einer nie dagewesenen Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Gesellschaft" beruht.

In den anderthalb Jahren danach wurde die Idee des pazifischen Traums selten von hochrangigen US-Beamten aufgegriffen; bei der Werbung für ihre eigene Asienstrategie hat die Regierung Obama jedoch kaum nachgelassen. Die USA legen großen Wert auf die chinesisch-amerikanischen Beziehungen und betrachten China als einen wichtigen Partner in vielen Bereichen wie Wirtschaft und Handel sowie  regionale Konflikte und Klimawandel, aber Ziel ihrer Asien-Pazifik-Politik bleibt die Erhaltung der amerikanischen Führungsposition in der Region, eine Haltung, die zwangsweise Rivalität mit China bedeutet. So wurde China beispielsweise aus der von den Amerikanern geleiteten Verhandlungen zur Transpazifischen Partnerschaft ausgeschlossen, dafür erzielte es aber Fortschritte bei der Formulierung einer größeren Freihandelsvereinbarung im Asien-Pazifik-Raum. Im Südchinesischen Meer ist China wegen der Absichten der USA, sich öffentlich in die Seestreitigkeiten einzumischen, in höchster Alarmbereitschaft.

Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung verschiebt sich rasant in den Asien-Pazifik-Raum. Die Träume der beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt werden im Pazifik aufeinanderstoßen, das daraus folgende Zusammenspiel wird die Zukunft der Region und der gesamten Welt beeinflussen. Falls China und die USA zur Konfrontation in der Region neigen sollten, könnten andere Länder gezwungen sein, Partei zu ergreifen und es entstünde ein neuer Kalter Krieg, der die regionale Entwicklung ernsthaft stören könnte.

Der chinesische und der amerikanische Traum unterscheiden sich, aber beide sind miteinander verbunden. Ihr größter gemeinsamer Nenner ist ihr Appell an Frieden, Stabilität und Wohlstand. Nur wenn beide Länder langfristig Stabilität und Wohlstand durch fairen Wettbewerb und Kooperation schaffen, können sie einen pazifischen Traum realisieren, der der Traum aller Mitglieder der Region ist. Das Haupthindernis auf dem Weg dahin ist das strategische Misstrauen, das sich in der falschen Mentalität zeigt, Berichte von der „chinesischen Gefahr" und „amerikanischen Verschwörung" zu lancieren. Ein anhaltender strategischer Dialog und eine für beide Seiten nutzbringende Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen sind der klarste Weg für nachhaltigen Frieden und Entwicklung im Asien-Pazifik-Raum.