05-02-2015
Im Focus
EU-Geldpolitik: Ein zweischneidiges Schwert
von Wang Jun

Günstigerer Euro: Ein aufgeblasenes Eurozeichen vor dem neuen Hauptsitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Die EZB verkündete einen 1-Billionen-Euro-Plan zum Anfkauf von Staatsanleihen und sorgte damit für einen starken Kursabfall des Euro(CFP)

Die EU-Geldpolitik der quantitativen Lockerung könnte Chinas Exporte in die Eurozone stärken, aber auch den Yuan unter Druck setzen.

Nach langer Überlegung beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) dem Kurs der US-Notenbank zu folgen und die Gelddruckmaschine anzuwerfen. Es ist noch unsicher, ob die Eurozone sich dadurch auf eine deutliche Konjunkturerholung freuen kann, wie dies nach der quantitativen Lockerung in den USA zu beobachten war. Aber die Maßnahmen haben Auswirkungen bis nach China und beeinflussten bereits den Yuan.

Am 22. Januar verkündete EZB-Präsident Mario Draghi ein erweitertes Anleihekaufprogramm, demnach will die EZB den Banken jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen für 60 Milliarden Euro abkaufen. Das Programm soll wahrscheinlich bis Ende September 2016 in Kraft bleiben und in jedem Fall fortgesetzt werden, bis die Inflationsrate sich mittelfristig 2 Prozent nähert. Das bedeutet, dass insgesamt fast 1 Billion Euro auf dem Markt im Umlauf sein werden.

Gleich nach der Ankündigung dieser umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen stürzte der Eurokurs auf ein Elfjahrestief von 1,13 US-Dollar. Der Leitkurs des Yuan erhöhte sich am Folgetag um 1,409 Basispunkte auf 6,9795 gegenüber dem Euro. Nach Angaben des China Foreign Exchange Trading System handelte es sich um den größten Tagesanstieg seit November 2011, erstmals in der Geschichte war ein Euro weniger als 7 Yuan wert.

Die EZB-Maßnahmen und die Normalisierung der US-Währungspolitik werden den US-Dollar stärken. Das wiederum könnte einen Abwertungsdruck auf den Wechselkurs des Yuan gegenüber dem US-Dollar erzeugen, erklärte Pan Gongsheng, Vize-Präsident der People's Bank of China (PBC), der chinesischen Zentralbank, bei einer Pressekonferenz des Informationsbüros des Staatsrats am 23. Januar.

Yuan unter Druck

Die beschleunigte quantitative Lockerung der Zentralbanken Europas und Japans wird die Wechselkurse des Euro und des Yen weiter nach unten drücken. Durch die deutliche wirtschaftliche Erholung und die Abschwächung der geldpolitischen Lockerung durch die Fed würde der US-Dollar gestärkt, heißt es auch in einem Bericht der Minsheng Securities Co. Ltd.

Nach dem Start des EZB-Programms sank der Leitkurs des Yuan am 23. Januar laut China Foreign Exchange Trading System um 95 Basispunkte auf 6,1342 gegenüber dem US-Dollar. Der Kurs des Yuan gegenüber dem US-Dollar sank am zweiten Handelstag, dem 26. Januar, weiter und erreichte den niedrigsten Wert seit Juni 2014.

Der Yuan steht gegenüber dem US-Dollar unter Abwertungsdruck, die Intervention der PBC wird verhindern, dass dieser Druck zu stark wird. Zudem könnte der Wechselkurs des Yuan in zwei Richtungen schwanken. Seine Aufwertung gegenüber anderen Währungen wird gleichzeitig beschleunigt, da er inoffiziell an den US-Dollar gekoppelt ist.

„Die europäische Variante der quantitativen Lockerung wird mehr Kapital nach China bringen, während der erwartete Kursanstieg in den USA den Abwertungsdruck auf den Yuan erhöht ", erklärte Deng Haiqing, Chefanalyst bei CITIC Securities Co. Ltd., in einem Interview mit der National Business Daily. "Wenn in beiden Richtungen Druck auf den Yuan ausgeübt wird, lässt sich nicht vorhersagen, ob er auf- oder abgewertet wird."

Der seit April 2014 zu beobachtende Markttrend zu nicht lieferbaren Termingeschäften zeige, dass der Wechselkurs des Yuan nun auf einem ausgeglichenen Niveau sei; daher werde sowohl die Abwertung des Euro als auch die Aufwertung des US-Dollar den Wechselkurs beeinflussen. Es sei immer noch unklar, ob der Yuan auf- oder abgewertet werde, so Deng.

Nachdem die PBC am 21. November 2014 eine Zinssenkung verkündet hatte, sank der Wert des Yuan rapide. Die Zahlen der PBC zeigen, dass die ausstehenden Mittel für Devisen im Dezember 2014 im Vergleich zum Vormonat um 128,91 Milliarden Yuan abnahmen, die stärkste monatliche Senkung seit Dezember 2003. Dies sei möglicherweise auf die Intervention der PBC zur Verringerung des Abwertungsdrucks zurückzuführen, erklärte Deng.

"Geht man von diesem Sachverhalt aus, so widerstrebt chinesischen Banken die Abwertung des Yuan", erklärte er. Die Abwertung könnte den Entwicklungsprozess in der Freihandelszone von Shanghai und die Internationalisierung des Yuan behindern. Es sei wenig logisch, dass China versuche, seine Exporte durch eine Währungsabwertung anzukurbeln.

Laut Economic Information Daily könnte die quantitative Lockerung in der Eurozone den Abwertungswettbewerb zwischen den Währungen intensivieren. Der Yuan werde sich einem verstärkten Abwertungsdruck ausgesetzt sehen, er werde aber nicht nennenswert abgewertet werden und möglicherweise gegenüber anderen Währungen aufgewertet.

Lu Zhengwei, Chefökonom bei der Industrial Bank Co. Ltd., widerspricht. Der effektive Wechselkurs des Yuan befinde sich zurzeit nicht auf einem ausgewogenen Niveau, er sei lange zu hoch bewertet worden. Das sei auch der Hauptgrund dafür, dass sich die chinesische Wirtschaft nicht so schnell wie erwartet erholen konnte. Könnte der überhöhte Kurs durch eine Abwertung korrigiert werden, könnte China leicht eine Wachstumsquote von über 7,5 Prozent erreichen. Seiner gewagten Einschätzung zufolge wird der Yuan in diesem Jahr um immerhin 5 Prozent abgewertet werden.

Auswirkungen auf China

Da das Ausmaß der aktuellen Lockerungsmaßnahmen deutlich größer als erwartet ausfiel, wird der Euro kurzfristig wahrscheinlich weiter abgewertet und der Dollar gestärkt. Da der Yuan inoffiziell an den US-Dollar gekoppelt ist, wird die Aufwertung des US-Dollar auch den Wechselkurs des Yuan gegenüber anderen Währungen nach oben treiben und so Druck auf Chinas Exporte ausüben.

Langfristig wird die Konjunkturerholung in der Eurozone jedoch Chinas Exporte steigern. 2014 war die EU weiterhin Chinas größter Handelspartner. Das Handelsvolumen zwischen China und der EU betrug nach Angaben der Allgemeinen Zollverwaltung 615 Milliarden US-Dollar, ein Zuwachs von 9,9 Prozent. Davon machten Chinas Exporte in die EU insgesamt 371 Milliarden US-Dollar, seine Importe aus der EU 244 Milliarden US-Dollar aus, das entspricht Steigerungen von 9,4 bzw. 10,7 Prozent.

"Das Programm wird die Wirtschaft in der Eurozone stärken, die Nachfrage steigern und möglicherweise Chinas Exporte stärken, da Europa einer der wichtigsten Handelspartner Chinas ist", erklärte Pan auf der Konferenz.

Außerdem werde das Vertrauen der Investoren wahrscheinlich weiter gestärkt. Die Abwertung des Euro und sinkende Ölpreise würden aber den Druck einer importierten Deflation für China erhöhen.

Um das Deflationsrisiko und den Druck auf das Wachstum zu verringern, werde die PBC ihre Geldpolitik möglicherweise weiter lockern, prognostizierte die Economic Information Daily. Es wird damit gerechnet, dass Chinas Regierung währungspolitische Instrumente der Lockerung und Diversifizierung nutzen wird, um ein stabiles Wachstum sicherzustellen.

Gleichzeitig werden die Lockerungsmaßnahmen der EU die Position des Euro als zweitwichtigste Reservewährung der Welt untergraben. Andererseits wird Chinas Währung dank ihres stabilen Wechselkurses, des Hochgeschwindigkeitswachstums und der großen Wirtschaftsmacht des Landes wohl mehr und mehr von internationalen Investoren akzeptiert werden.

Der EZB-Plan zum Anleihekauf wird eine enorme Liquidität freisetzen, die den Euro schwächt, Kapital abzieht und in die USA zurückströmen lässt. „Die große Liquidität in der Eurozone wird zweifellos Nachwirkungen haben, die Stärkung des Dollar-Wechselkurses wird Kapital zurück in die USA bringen. All dies wird die Unsicherheit des internationalen Kapitalflusses erhöhen", erklärte Pan. Möglicherweise werde China einen Teil dieses Kapitals erhalten, hieß es in der Economic Information Daily.

Die Lockerungsmaßnahmen in der Eurozone bringen auch neue Chancen für die Internationalisierung des Yuan.