07-01-2015
Im Focus
Der Preis der gleichen Rente
von Wang Jun

Die Vereinheitlichung des Rentensystems kostet China Billionen Yuan
 

Chinas althergebrachtes, duales Rentensystem steht vor dem Aus. Beim 12. Nationalen Volkskongress am 23. Dezember 2014 sagte Vizepremier Ma Kai vor dem Ständigen Ausschuss, der alle zwei Monate tagt, der Staat werde das Rentensystem für Angestellte des Staates und öffentlicher Einrichtungen reformieren. Die staatliche Rente und die betriebliche Rente sollen infolgedessen vereinheitlicht werden.

Laut Ma hätten diverse Institutionen unter dem Beschluss der Zentralregierung einen Strukturplan entworfen, basierend auf umfangreichen Studien. Der Entwurf wurde daraufhin vom Exekutivausschusse des Staatsrats sowie vom Ständigen Ausschuss des Politbüros des Zentralkomitees der KPCh bewilligt. Die Reform ist Teil der konstruktiven Pläne, ein neues Rentensystem aufzubauen, das Angestellten von Staat, Regierung und öffentlichen Institutionen dieselben Leistungen gewährt wie Angestellten von Unternehmen. Die Reform wird landesweit und zeitgleich mit der Reform des Gehaltssystems durchgeführt.

Unter dem momentanen Rentensystem zahlen Angestellte staatlicher und öffentlicher Einrichtungen nicht in die Rentenkasse ein, dies wird in vollem umfang vom Staat übernommen. Dagegen müssen Angestellte in der privaten Wirtschaft acht Prozent ihres Einkommens in ihr Rentenkonto einzahlen. Bei Renteneintritt besitzen betriebliche Angestellte dann einen Rentenanspruch von ca. 40-60% ihres früheren Einkommens, wohingegen staatliche Angestellte 80-90% ihres Einkommens erhalten. "Den Plänen zur Rentenreform ist zugestimmt worden und voraussichtlich werden sie bald veröffentlicht, was einen weiteren großen Schritt für die Reform bedeuten wird", sagt Lu Xuejing, der Dekan des Instituts für Arbeit und soziale Sicherheit an der Capital University of Economics and Business.

Nie Riming, Forscher am Shanghai Institute of Finance and Law, ist der Ansicht, dass die wichtigsten Punkte in Mas Bericht die gleichzeitige Umsetzung der Reform der betrieblichen und der staatlichen Rente und die Einrichtung eines landesweiten, einheitlichen Rentensystems sind.   

Hohe Kosten

Laut einem Bericht im 21st Century Business Herald, gibt es in China zur Zeit sieben Millionen staatliche Angestellte und 37 Millionen Angestellte öffentlicher Einrichtungen. Die Auflösung des dualen Rentensystems bedeutet, dass diese 37 Millionen Menschen in das Rentensystem für Arbeitnehmer des Privatsektors aufgenommen werden.

Das System für eine so große Zahl von Menschen umzustellen, bedeutet hohe Kosten. Aus einem Aufsatz, der im Jahr 2013 von Lu Mingtao verfasst wurde, einem Doktoranden am wirtschaftlichen Institut der Chinesischen Akademie der Sozialwisschenschaften, geht hervor: Angenommen, das duale Rentensystem wird auf Rentner vor und bis zum Jahr 2010 angewendet und das neue System greift für alle ab 2011, dann muss der Staat 3,9 Billionen Yuan (ca. 637.25 Mio. Dollar) für Staatsangestellte und etwa 5,2 Billionen Yuan (ca. 849.67 Mio. Dollar) für Angestellte öffentlicher Stellen in die Rentenkasse zahlen. Im Jahr 2010 betrugen die gesamten Steuereinnahmen des Staates 8,31 Billionen Yuan (ca. 1,36 Mio. Dollar).

In einer anderen Schätzung Nies ergibt sich, dass der Staat in etwa 3,7 Billionen Yuan (604,58 Mio. Dollar) an Angestellte öffentlicher Institutionen zahlen müsste und weitere 4,5 Billionen (735,29 Mio. Dollar) an Staatsangestellte.

Wie kann China diese Summen aufbringen? Nie liefert zwei Vorschläge: entweder kommt der Staat mithilfe von Steuereinnahmen dafür auf, oder die Rentenkasse der privaten Arbeitnehmer wird eine Zeit lang angezapft. „Beide Optionen bedeuten einen immensen finanziellen Druck", sagt Nie. „Die Steuereinnahmen des Staates reichen dafür eigentlich gar nicht aus".

Viele Experten unterstützen die Reform, die das duale Rentensystem abschaffen soll: „Anfangs wird die Reform die Bezüge einiger Leute kürzen, doch auf lange Sicht werden alle davon profitieren", sagt Cheng Jie, freiarbeitender Forscher am Institut für Bevölkerung und Arbeitsmarktökonomie des CASS. „Indem man 37 Millionen Menschen einem Pool von hunderten Millionen Menschen hinzufügt und auf die Ressourcen der gesamten Bevölkerung zurückgreift, wird es viel einfacher für China werden, Risiken zu aufzuteilen". Cheng ist ebenfalls der Meinung, dass für die Umstrukturierung von staatlichen Unternehmen die finanzielle Lücke hauptsächlich mit Geldern aus Steuereinnahmen gefüllt werden solle.

 Su Hainan, Vizepräsident der chinesischen Vereinigung für Arbeitsmarktforschung, meint, dass die Zentralregierung nicht die kompletten Kosten von den örtlichen Regierungen einfordern wird, da die Rentenreform landesweit zur gleichen Zeit ausgeführt werden soll. „Würden die gesamten Kosten von den regionalen Regierungen getragen werden, wäre es höchst wahrscheinlich, dass nur diejenigen die Reform durchführen würden, die es sich leisten könnten", so Su. Auch er ist der Ansicht, dass die Reform zu Anfang die Ansprüche einiger Menschen kürzen würde, im Nachhinein aber für alle von Vorteil wäre.

Der Leiter des Zentrums für internationale Sovialversicherungsforschung des CASS, Zheng Bingwen, sagt, dass die Rentenreform landesweit ausgeführt und von der Zentralregierung finanziert werde.

 

Unterschiedlich volle Rentenkassen

In Mas Bericht heißt es weiter, China werde den Aufbau eines uniformen Rentensystems  auf der Grundlage vereinheitlichter Verwaltungsvorgänge in den Provinzregierungen durchführen. Die Auszahlung von Kapitalversicherungen für nicht erwerbstätige Stadt- und Landbewohner werde in der Hand der Provinzregierungen liegen.

Laut den Zahlen des Ausschusses für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des 12. Nationalen Volkskongresses, führen zur Zeit von allen 31 Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten nur sechs ein einheitliches Rentensystem: Beijing, Tianjin, Shanghai, Tibet, Qinghai und Shaanxi. Dem Bericht zufolge liegt es am unterschiedlichen Kostenaufwand und an der unterschiedlichen Größe der jeweiligen Rentenkassen, dass sich die Rentenstruktur von Region zu Region erheblich unterschiedlich gestaltet.

Nie schätzt, dass im Jahr 2012 die südchinesische Provinz Guangdong die vollste Rentenkasse besaß, in etwa 387,96 Mrd. Yuan (ca. 63,39 Mdr. Dollar). Die leerste Kasse herrschte in Tibet, dort waren es nur 2,46 Mrd. Yuan (401,96 Mio. Dollar). Im selben Jahr betrug die Durchschnittsrente in Guangdong 1.924 Yuan (314,39 Dollar), wobei neun Erwerbstätige einen Rentner finanzierten, während in Heilongjiang, einer Provinz im Nordosten, der Durchschnitt bei 1.488 Yuan (243,14 Dollar) lag und nur anderthalb Erwerbstätige auf einen Rentner kamen. Dies bedeutete eine schwere finanzielle Last für die arbeitstätige Bevölkerung.

Um ein einheitliches Rentensystem aufzubauen, werden Provinzen und Kommunen mit vollen Rentenkassen die leeren Kassen einiger Provinzen kompensieren müssen. Und das werden sie nicht tun wollen" meint Nie. Es wird sehr schwer werden, so ein uniformes Netz aufzubauen".      

Es wird eine Menge Probleme zu lösen geben", meint Yang Yansui, der Leiter des Forschungszentrums für Beschäftigung und soziale Sicherheit an der Tsinghua Universität. Er fügt hinzu, dass auf der dritten Plenarsitzung des 18. Zentralkomitees der KPCh klare Vorgaben zur Rentenreform gemacht wurden: eine Vereinheitlichung der Verwaltung der Grundrente, die Reformierung der Rente für Angestellte des Staates und öffentlicher Einrichtungen und eine langsame Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Mehr dazu:
Infografik zur Reform des dualen Rentensystems in China