Chinas Möbelindustrie will innovativer werden und ihr Produktdesign verbessern. Inspirationen holt sich die Branche aus dem In- und Ausland.
Traditionelle chinesische Möbel am Austragungsort des 22. Treffens der Wirtschaftsführer beim APEC-Gipfel in Beijing (Li Tao)
Gemeinschaftsarbeit: Zhu Xiaojie (2. v.li.) posiert hinter einem Stuhl, den er zusammen mit dänischen Designern entworfen hat (Gong Di)
Ungewöhnliches Design: Die Lone Chairs, entworfen von Zhu Xiaojie und dem Dänen Lone Olsen, wurden auf der Beijing Design Week 2013 gezeigt (CFP)
Prächtige und elegante chinesische Möbel schmückten den Hauptaustragungsort des diesjährigen APEC-Gipfels in Beijing, das Internationale Kongresszentrum im Bezirk Huairou. Kreisförmig angeordnete Holztische und Lehnstühle, umgeben von Paravents, strahlten den Zauber von Chinas Kultur und Design aus.
Lehnstühle sind etwas typisch Chinesisches. „Jeder Stuhl war handgefertigt", erklärte Li Hong, Abteilungsleiter bei BBMG Tiantan Furniture Co. Ltd., einem großen Möbellieferanten für die APEC-Treffen in Beijing. Die Stühle seien speziell auf die Körpermaße der Staatsoberhäupter zugeschnitten worden und daher besonders komfortabel, so Li.
Die Stühle unterschieden sich allerdings durch Fußstützen und versteckte Rollen von traditionellen Modellen. Die Position der Fußstütze konnte auf Wunsch verändert werden, um den Sitzkomfort zu erhöhen. Und durch die Rollen wurden die mehr als 10 Kilogramm schweren Mahagonistühle leichter transportierbar.
Die Herstellung eines solchen Sitzmöbels dauert mindestens ein halbes Jahr. „Um zu verhindern, dass das Mahagoni in der trockenen Luft Risse bekommt, werden spezielle Techniken angewandt", erklärte Yang Jincai, Geschäftsführer von BBMG Tiantan Furniture Co. Ltd. Die Stühle seien mit natürlichem Wachs ummantelt worden, der eine Schutzschicht um das Holz bildet und mit geruchloser, schadstofffreier Politur auf Wasserbasis lackiert worden.
"Die geschwungenen hölzernen Paravents, Stühle und andere Möbelstücke sind allesamt sehr beeindruckend", findet Chen Shengqiang, Geschäftsführer von BOL Furniture Co. Ltd. in der Provinz Guangdong. Als Insider achtete Chen auf jedes einzelne Möbelstück in den Konferenzräumen.
Besonders beeindruckt haben ihn zwei Wandreliefs aus Mahagoniholz im Hauptballsaal des Internationalen Konferenzzentrums. Die beiden 15 Meter langen und 4,5 Meter hohen Wandbilder zeigen Pflaumenblüten, die in komplizierter und aufwändiger Technik aus Holz geschnitzt wurden. Die fünf Blütenblätter stehen für Freude, Glück, Langlebigkeit, Erfolg und Frieden. Die Blüten, als Knospe, halb-geöffnet oder in voller Blüte dargestellt, sind sauber gezeichnet und angeordnet. Sie dienten als Dekoration für den Konferenzraum und verliehen dem Austragungsort einen zusätzlichen chinesischen Touch.
"Hinter jedem Kunstwerk steht eine ganze Reihe von Designern und Kunsthandwerkern", erklärte Chen. Er selbst ist Möbeldesigner und Inhaber eines Geschäfts. Er glaubt, dass die Designer das Kernelement für ein Möbelunternehmen sind. Sein Unternehmen legt besonderen Wert auf die Anstellung und Ausbildung künftiger Designer und bietet ihnen ein Gehalt und eine Position, die ihrem Wert entsprechen.
Für ziemlich viele Designer laufe es jedoch weniger gut, weil viele Unternehmen weder Geld noch Mühe in das Design und die Entwicklung stecken wollten und ihre Innovationsbemühungen oft nicht angemessen belohnt würden, meint Chen.
Die Möbelbranche leide unter Plagiaten und homogenem Wettbewerb, so Chen. Seine Zuversicht im Hinblick auf Innovationen sei jedoch gestiegen, nachdem Ministerpräsident Li Keqiang während des achten Sommertreffens in Davos vom 10. bis 12. September in Tianjin hervorgehoben habe, dass die Regierung strengere Strafen bei Verstößen gegen die geistigen Eigentumsrechte verhängen wolle.
Chinas Möbel genossen früher internationalen Ruf, in jüngerer Vergangenheit entstand jedoch der Eindruck, dass es an Kreativität und schöpferischem Mehrwert fehlte. Die heimische Möbelindustrie bemüht sich nun um mehr internationale Anerkennung. 2012 hatten chinesische Möbelhersteller und Designer ihre Premiere auf der Möbelmesse in Mailand und sorgten mit originellen Designs für Aufmerksamkeit. Die Messe existiert seit 50 Jahren und ist eine der renommiertesten Veranstaltungen für Möbelhersteller, was die Zahl der Aussteller angeht.
Rund 80 Stühle, die von mehr als 50 chinesischen Designern entworfen wurden, wurden auf der Messeveranstaltung Slow Seating--Contemporary Chinese Design gezeigt. Der Corriere della Sera, eine Zeitung mit einer der höchsten Auflage in Italien, widmete dem Auftritt der zeitgenössischen chinesischen Designer eine gesamte Seite.
Zhu Xiaojie, stellvertretender Direktor des Chinesischen Komitees für Möbeldesign, erklärte, die Mailänder Möbelmesse sei einer der wichtigsten Designmessen weltweit und ein Barometer für globale Designtrends. Der Messeauftritt der chinesischen Hersteller und Designer könnte dazu beitragen, das stereotype Image des chinesischen Designs zu verändern.
"Wir wollen die falsche Wahrnehmung von Produkten „Made in China" verändern und chinesische Möbel in die Weltklasse hieven", erklärte Tian Wanliang, Generalsekretär des Informations- und Beratungsbüros der China Building Decoration Association. Chinas Premiere auf der Mailänder Messe sei ein guter Anfang, meint Tian. Chinesische Möbelunternehmen sollten mehr auf Originalität und Qualität ihrer Produkte achten, statt nur an Profit und Wachstum zu denken, rät er.
2013 waren mehr als 20 bekannte chinesische Designer auf der Mailänder Möbelmesse präsent und zeigten von ihnen entworfene Teetische, Stühle und Teeservices mit einem besonderen chinesischen Charme.
Ost-West-Austausch
Vom 26. September bis 3. Oktober war Zhu mit einer Einzelausstellung auf der Beijing Design Week vertreten. Dabei zeigte er Möbel, Porzellan, Pelze und andere von ihm entworfene Produkte.
Als Designer und Unternehmer achtet er vor allem auf den Austausch und die Kooperation mit in- und ausländischen Kollegen. Er arbeitete mit Designern aus zahlreichen Ländern zusammen, es entstanden zahlreiche Gemeinschaftsprodukte. Mit dem Dänen Lone Olsen entwarf er den Lone Chair. Als Verzierung benutzten sie Fellstreifen, die die natürliche Schönheit des Holzes und die einfache, aber ästhetische Form des Möbels unterstrichen.
Zingana, ein kostbares Holz aus Westafrika, ist Zhus bevorzugtes Material. „Durch seine hellgelbe Textur, die dunkelbraune Maserung und vor allem seine schrägen Linien ist es ein sehr, sehr schönes Material", erläutert er.
Nach seiner Schulzeit in Australien kehrte Zhu nach China zurück und suchte nach Wegen, wie man die Schönheit des Zingana am besten zur Geltung bringen könnte. Er gründete ein Unternehmen, das sich mit den Eigenheiten des Materials beschäftigte und Produkte daraus entwickelte, und er schuf seine Möbelmarke „Opal". Zhu entwarf erfolgreich eine Reihe von Möbeln, deren Stil sich durch eine Mischung aus modernem und traditionellem chinesischem Design auszeichnet. Ende letzten Jahres brachte er dann eine weitere Marke auf den Markt.
Obwohl Zhu wegen seiner besonderen Kenntnisse und seines außergewöhnlichen Designs in der Möbelbranche bekannt ist, scheint er jüngst neben seiner Liebe für Holz auch seine Liebe für Pelze aus Kopenhagen entdeckt zu haben. In seinem Cross-Over-Design kombiniert er Zenin einem östlichen Kontext mit der Vitalität der westlichen Natur.
2010 ging Zhu Xiaojie nach Dänemark. Es sei mehr Schicksal als Zufall gewesen, dass er mit dem dänischen Unternehmen Kopenhagen Fur arbeiten konnte, sagt er. Alles begann mit einem Stuhl in Y-Form des dänischen Meisterdesigners Hans Wegner, der sich dabei von chinesischen Möbeln der Ming-Dynastie (1368-1644) inspirieren ließ. Zhu war begeistert, wie genau und subtil ein westlicher Designer den Charme des Ostens zum Ausdruck bringen konnte. Er begann damit, Holz und Fell zu kombinieren: zwei komplett unterschiedliche, aber komplementäre Materialien.
Talente fördern
Zhu ist außerdem Präsident des Wenzhou Furniture College. Für ihn sind originelle Designs der Schlüssel zur Entwicklung von Chinas Möbelindustrie.
Allerdings sind Möbeldesigner bislang Mangelware in China. Vorläufige Statistiken der Branche zeigen, dass es mehr als 30.0000 Möbelhersteller in China gibt, die weniger als 3000 Designer beschäftigen. Das heißt, dass lediglich ein Designer auf zehn Möbelhersteller kommt. Noch problematischer ist, dass sich die Qualität der Designer stark unterscheidet. Die meisten sind nicht mehr als Handwerker, die die Werke anderer imitieren können, erfahrene und kreative Designer sind extrem selten.
Doch mittlerweile beginnt die Möbelindustrie, mehr Wert auf das Produktdesign zu legen. „Vorher konzentrierten sich die Unternehmen vor allem auf den Verkauf, jetzt streben sie nach Produktinnovation, indem sie mit Designern zusammenarbeiten", sagt Zhu. Wegen des Mangels an talentierten einheimischen Designern müssen große Unternehmen einiges Geld hinblättern, um ausländische Designer anzustellen.
Mit dem steigenden Bewusstsein von der Bedeutung der Möbeldesigner haben Ausbildungsagenturen und Berufsschulen, vor allem in den Zentren der Möbelproduktion in Provinzen wie Guangdong und Zhejiang, damit begonnen, entsprechende Kurse anzubieten.
Im Wenzhou Furniture College werden Studenten von Meistern ausgebildet und lernen moderne Designkonzepte kennen. Zhu stellte dazu ein Designbuch mit 60.000 Worten (100 Seiten) für die Studenten zusammen. Zhu erklärte seinen Studenten oft, dass ein Designer eine Kombination aus Künstler und Handwerker sei und ein guter Designer zunächst einmal ein guter Handwerker sein müsse. In Praktika lernen die Studenten dann, ihr Wissen in die Praxis umzusetzen.
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