Auf der 4. Plenartagung des XVIII. Zentralkomitees der KP Chinas, die vom 20. bis 23. Oktober 2014 in Beijing stattfand, wurde „die verfassungsgemäße Regieren des Staates" und „die verfassungsgemäße Machtausübung" in den „Beschluss des ZK der KP Chinas über einige wichtige Fragen zur umfassenden Förderung eines gesetzesgemäßen Regierens des Staates" aufgenommen. Es ist das erste Mal seit der Gründung der VR China, dass die KP Chinas als Regierungspartei den Begriff der Rechtstaatlichkeit in einem wichtigen Dokument festhält.
Zudem wurde am 1. November der Beschluss, den 4. Dezember zum Tag der Verfassung zu machen, auf der elften Sitzung des Ständigen Ausschusses des XII. Nationalen Volkskongresses (NVK) geprüft und bewilligt, eine Premiere seit dem 65-jährigen Bestehen der VR China. Die Begriffe der „verfassungsgemäßen Regieren des Staates" und „der verfassungsgemäßen Machtausübung" sowie die Einrichtung eines Tages der Verfassung haben landesweit ein großes Echo hervorgerufen und schüren die Hoffnung auf die Umsetzung einer rechtstaatlichen Gesellschaft.
Zweifellos sind ein verfassungsgemäßesRegieren und eine verfassungsgemäße Machtausübung ein wichtiger Garant für einen Rechtsstaat. Blickt man auf die rechtstaatlichen Zustände in China, wird klar, dass ein verbessertes Rechtssystem Voraussetzung für das verfassungsgemäße Regieren des Staates und eine Grundlage für Rechtstaatlichkeit ist.
Der Aufbau eines Rechtssystems begann nach der Gründung der VR China 1949. Bis Mitte der fünfziger Jahre wurden das „Gemeinsame Programm der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes", die als provisorische Verfassung galt, sowie mehrere Gesetzesvorlagen formuliert. Am 29. September 1949 trat die provisorische Verfassung der Volksrepublik China in Kraft. Auf der ersten Sitzung des Nationalen Volkskongresses im Jahr 1954 wurde dann die erste Verfassung der Volksrepublik China erlassen. Die grundlegenden Prinzipien der Rechtstaatlichkeit wurden festgelegt und eine erste Grundlage für den Aufbau eines Rechtsstaats geschaffen. Nach den 1950er Jahren, besonders während der "Kulturrevolution" (1966-1976), spielte die Verfassung in der politischen Praxis jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Ende der 1970er Jahre lernte die KP Chinas ihre Lektion aus der Geschichte und traf die wichtige Entscheidung, dass der Staat sich künftig auf den Aufbau der Wirtschaft konzentrieren solle. Es begann die Zeit der Reform- und Öffnungspolitik und das Prinzip des „gesetzesgemäßen Regierens des Staates" wurde festgelegt. Vor diesem Hintergrund wurden die aktuelle Verfassung sowie das Strafgesetz, die Strafprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Zivilrecht, die allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts und das Verwaltungsverfahrensrecht erlassen. Der Aufbau eines Rechtsstaats trat in eine neue Entwicklungsphase ein.
Mit der Vertiefung der Öffnung und Reform seit den 1990er Jahren hat die chinesische Regierung damit begonnen, das sozialistische Rechtssystem chinesischer Prägung aufzubauen, um sich an die wirtschaftliche Globalisierung anzupassen und marktwirtschaftliche Erfordernisse zu erfüllen. Sie arbeitete eine Reihe juristischer Mechanismen aus, die die rechtstaatlichen Prinzipien einer modernen Gesellschaft widerspiegeln.
Nach fast 50 Jahren hat Chinas ein für seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung geeignetes juristisches System chinesischer Prägung etabliert.
Nimmt man diese juristischen Mechanismen genau unter die Lupe, wird deutlich, dass das gültige Rechtssystem noch verbesserungswürdig ist. So wurde beispielsweise bei der Revision der Verfassung im Jahr 1999 das gesetzesgemäße Regieren des Staates in die Verfassung aufgenommen, in der juristischen Praxis herrschte allerdings weiterhin persönliche Willkür anstelle des Gesetzes. Obwohl es in der Verfassung heißt: „Kein Gesetz, keine administrative oder lokale Verordnung oder Vorschrift darf im Widerspruch zur Verfassung stehen", verstoßen viele Regeln und Vorschriften von Lokalregierungen gegen die Verfassung.
Noch wichtiger ist, dass einige Artikel der Verfassung noch nicht in die Rechtsprechung aufgenommen wurden.
Auf der Feier zum 30-jährigen Verfassungsjubiläum erklärte Staatspräsident Xi Jinping: „Die Verfassung ist das Grundgesetz des Staates und beinhaltet die allgemeinen Statuten für die Staatsführung sowie die Stabilisierung des Landes. Sie ist das oberste Gesetz, höchste rechtliche Autorität und hat die größte Rechtskraft, sie ist von grundlegendem und dauerhaftem Charakter und betrifft die Gesamtheit des Landes. Die Verfassung auf der ganzen Linie umzusetzen, gilt als primäre und grundlegende Aufgabe beim Aufbau des sozialistischen Rechtstaates." Deshalb ist es von großer Bedeutung, wie man die Prinzipien, die Richtlinien und den Geist der Verfassung in Gesetzen und Bestimmungen umsetzen kann.
Behörden und Ämter sollten daher sämtliche Gesetze und Reglungen im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen. Einerseits sollen dabei Widersprüche zur Verfassung sobald wie möglich geprüft und revidiert werden, andererseits sollen diejenigen Artikel der Verfassung, die noch nicht gesetzlich verankert wurden, baldmöglichst Aufnahme in die Rechtsprechung finden.
Denn erst mit der Einrichtung eines verfassungsgemäßen Rechtssystems kann man wirklich von Rechtstaatlichkeit und einem verfassungsgemäßen Regieren des Staates sprechen.
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