Erfolgversprechendes Signal: Chinas Präsident Xi Jinping (re.) und Japans Premierminister Shinzo Abe bei einem Treffen, das auf Wunsch Japans am 10. November in Beijing stattfand (MA ZHANCHENG)
Trotz vielversprechender Signale müssen zur Verbesserung der politischen Beziehungen aber immer noch große Hindernisse bewältigt werden.
Die Hoffnung auf eine Verbesserung der chinesisch-japanischen Beziehungen wuchs, als sich Chinas Staatspräsident Xi Jinping und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe vor dem Treffen der Wirtschaftsführer vom 10. bis 11. November beim 22. APEC-Gipfel trafen.
Das Treffen am 10. November fand auf Bitten Japans statt und war das erste Treffen zwischen dem chinesischen Staatsoberhaupt und dem japansichen Regierungschef, seitdem sich die bilateralen Beziehungen infolge einer Reihe von Streitigkeiten über historische und territoriale Angelegenheiten in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert hatten.
2012 verkündete Japans Regierung den "Kauf" der zu chinesischem Territorium gehörigen Diaoyu-Inseln, was China zu entsprechenden Gegenmaßnahmen veranlasste. Nachdem Abe Ende 2012 zum zweiten Mal das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, hielt Japan an seiner harten Haltung im Hinblick auf die Territorialstreitigkeiten fest, die Spannungen mit China erhöhten sich. Chinesische und japanische Schiffe verstärkten die Kontrollen in den umstrittenen Gewässern, es kam zu einigen Konfliktsituationen. Infolgedessen wurden die politischen Gespräche zwischen beiden Seiten auf Eis gelegt.
Japans Regierung hat sich nicht nur bei den territorialen Konflikten unüberlegt verhalten. Im Juli bewilligte die Regierung Abe eine umstrittene Neuinterpretation der japanischen Verfassung, wodurch das Verbot für die Streitkräfte, ihr Recht auf kollektive Selbstverteidigung auszuüben, aufgehoben wurde. Viele Beobachter halten dies für einen möglichen ersten Schritt zu einer neuen Militarisierung Japans.
Auch die Geschichte hat für böses Blut zwischen beiden Ländern gesorgt und kompliziert die aktuellen Beziehungen. Die japanische Regierung hat lange eine ambivalente Haltung zu den Gräueltaten der Armee während des Zweiten Weltkriegs eingenommen. Viele japanische Politiker haben trotz starken Widerstands der Länder, die unter der japanischen Invasion gelitten haben, wiederholt den Yasakuni-Schrein besucht, in dem 14 Kriegsverbrecher der schlimmsten Kategorie geehrt werden. Abes Besuch des Schreins im vergangenen Jahr hatte ernsthafte Auswirkungen auf Japans Beziehungen zu seinen ostasiatischen Nachbarn. Neben China beklagte auch Südkorea Abes Fehltritt.
Abe brachte in diesem Jahr bei mehreren internationalen Veranstaltungen den Wunsch zum Ausdruck, Chinas Staatspräsidenten während des Treffens der Wirtschaftsführer beim APEC-Gipfel in Beijing zu treffen. Chinas Außenministerium forderte daraufhin die japanische Seite auf, die erforderliche und gesunde Atmosphäre für ein Treffen zu schaffen.
Der Durchbruch in der diplomatischen Krise wurde jedoch erst wenige Tage vor dem APEC-Treffen erzielt.
Chinas Staatsratskommissar Yang Jiechi und Japans Sicherheitsberater Shotaro Yachi erzielten während ihrer Gespräche in Beijing am 7. November eine Vier-Punkt-Vereinbarung. Im Geiste der „direkten Auseinandersetzung mit der Geschichte und einer positiven Haltung zur Zukunft" kamen beide Seiten darin überein, den politischen, diplomatischen und sicherheitstechnischen Dialog wiederaufzunehmen und die voneinander abweichenden Positionen im Hinblick auf die Diaoyu-Inseln anzuerkennen.
Beobachtern zufolge war die Vereinbarung das Ergebnis des steigenden Drucks aus dem In- und Ausland auf die Regierung Japans. Letztendlich scheint Abe seine Chinapolitik unter diesem Druck angepasst zu haben. Während seines Treffens mit Xi erklärte er, dass Japan entschlossen sei, weiterhin den Weg einer friedlichen Entwicklung zu beschreiten. Die aktuelle Regierung werde aber die gleichen Ansichten wie ihre Vorgänger zu historischen Themen beibehalten, fügte er hinzu.
Japan sei bereit, die Vier-Punkte-Vereinbarung umzusetzen, damit in Zusammenhang stehende Angelegenheiten angemessen zu regeln und die Vereinbarung zum neuen Ausgangspunkt für die Förderung der Verbesserung und Entwicklung der strategischen und beidseitig nutzbringenden Beziehungen zwischen Japan und China zu machen, erklärte Abe. "Chinas friedliche Entwicklung ist eine bedeutende Chance für Japan und die Welt", erklärte er an Xi gerichtet.
Das Treffen zwischen Xi und Abe sei auf Wunsch Japans zustande gekommen, es unterscheide sich von einem Arbeitsbesuch oder förmlichen Regierungsbesuch, betonte Qu Xing, Direktor des China Institute of International Studies. „In gewissem Sinne wird das Treffen zur Verbesserung der chinesisch-japanischen Beziehungen beitragen. Für eine zukünftige Versöhnung zwischen China und Japan kommt es auf Japan an", sagte er.
Xi hob beim Treffen mit Abe erneut die politische Grundlage für die Verbesserung der bilateralen Beziehungen hervor. "Japans Regierung muss sich an die vier politischen Dokumente für die chinesisch-japanischen Beziehungen halten und die Verpflichtungen, die die Regierungen eingegangen sind, würdigen, einschließlich der Rede des ehemaligen Premierministers Tomiichi Murayama, der feststellte, dass Japan durch Kolonialherrschaft und Aggression großen Schaden und Leid in der Bevölkerung vieler Länder, vor allem in Asien, angerichtet hat und dass derartige Fehler in der Zukunft nicht wiederholt werden sollten", erklärte Xi. „Nur auf diese Weise könnte Japan freundliche und zukunftweisende Bindungen mit seinen asiatischen Nachbarn entwickeln."
Bei den vier politischen Dokumenten zwischen China und Japan handelt es sich um die gemeinsame Erklärung Chinas und Japans von 1972, den chinesisch-japanischen Friedens- und Freundschaftsvertrag von 1978, die chinesisch-japanische Erklärung von 1998 und eine gemeinsame Stellungnahme zum umfassenden Ausbau der strategischen und wechselseitig nutzbringenden Beziehungen, die 2008 unterzeichnet wurde.
Wenn Japan die Vier-Punkt-Vereinbarung ernstnehme und es gewissenhaft umsetze, könnten sich die Beziehungen zwischen beiden Länder schrittweise verbessern, meinen chinesische Beobachter; anderenfalls würden die Spannungen weiter zunehmen.
Die Vier-Punkt-Vereinbarungsei ein notwendiger diplomatischer Schritt zur Verbesserung der japanisch-chinesischen Beziehungen, erklärte Gao Hing, stellvertretender Direktor des Instituts für Japanstudien an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS). Es gebe unter japanischen Politkern jedoch eine lange Tradition, Versprechen zu brechen, merkte er an.
"Wir sollten nicht allzu optimistisch im Hinblick auf die Verbesserung der beidseitigen Beziehungen sein", erklärte er. Die Streitigkeiten über historische und territoriale Angelegenheiten werden wahrscheinlich andauern. Wir müssen in Alarmbereitschaft bleiben. Die Kontrollen zur Sicherstellung der Souveränität in den Gewässern der Diaoyu-Inseln sollten weitergehen", so Gao.
Yang Bojiang, ebenfalls stellvertretender Direktor am Institut für Japanstudien an der CASS, betonte, dass die Konflikte zwischen China und Japan tief verwurzelt seien. Abe sei gezwungen gewesen, aktiv zu werden, weil er sich einem wachsenden politischen Druck im eigenen Land und im Ausland ausgesetzt sah, meint Yang.
"Wirtschaftlich gesehen neigt sich der kurzfristige Anreizeffekt der Abenomics dem Ende zu, und bislang ist kein langfristiger Stimulus für die Zeit danach in Sicht. Daher haben viele internationale Finanzinstitute ihre Wachstumsprognosen für Japans Wirtschaft nach unten korrigiert", erklärte Yang. „Davon abgesehen, stellen sich viele Japaner die Frage, warum Abe keine gesunden Beziehungen zu seinen Nachbarländern unterhält."
Die USA, Japans wichtigster Partner, haben das Land ebenso aufgefordert, Verhandlungen zur Konfliktlösung zu führen.
"Wenn Abe in Zukunft den Konsens durchbrechen sollte, wird er nicht nur den chinesisch-japanischen Beziehungen schaden, sondern auch seiner politischen Karriere", meint Yang. „Der vor uns liegende Weg ist voller unvorhersehbarer Wendungen. Eine Rückkehr der Spannungen ist nicht auszuschließen. Wir sollten also wachsam bleiben."
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