25-09-2014
Im Focus
Chinas Industrieparks müssen sich verändern
von Zhou Xiaoyan

Einst durch steuerliche Vorzugsbehandlung und niedrige Grundstückspreise begünstigt, müssen sich Chinas wirtschaftlich-technische Entwicklungszonen nun modernisieren, wenn sie neuen Herausforderungen standhalten wollen.

Vor 30 Jahren befand sich im Südwesten des Stadtzentrums von Tianjin eine riesige brach liegende Saline. Ausgerechnet dieses ausrangierte und unfruchtbare Land in der Nähe der Bohai-Küste wurde zu dem Ort, der der nordchinesischen Stadt wirtschaftlich die meisten Früchte einbringt. Grund dafür ist die Entscheidung der Zentralregierung aus dem Jahr 1984, dort eine wirtschaftlich-technische Entwicklungszone einzurichten, um China weiter nach außen zu öffnen. 

Wirtschaftlich-technische Entwicklungszonen sind Industrieparks, in denen Unternehmen, vor allem aus dem Ausland, von steuerlicher Vorzugsbehandlung und günstigen Preisen für die Landnutzung profitieren.

"Die Entwicklungszone in Tianjin ist der stärkste Motor für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt geworden. Hier befinden sich 5282 Unternehmen aus 88 Ländern, von denen 89 zu den Fortune Global 500, den 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt, zählen. Mehr als 4000 Ausländer und 500.000 Chinesen leben und arbeiten in dieser Zone", erklärt Xu Hongxing, Vorsitzender des Verwaltungskomitees des Industrieparks, der in punkto Gesamtwettbewerbsfähigkeit übrigens auf Platz eins aller Entwicklungszonen Chinas liegt.

Das Modell von Tianjin wurde später im ganzen Land kopiert. Bislang wurden 215 nationale Entwicklungszonen gegründet, sie spielen eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, für Auslandsinvestitionen und die Generierung von Steuereinnahmen. „Seit 30 Jahren sind sie der Motor für Chinas Wachstum", so Xu.

Dennoch stehen sie heute vor neuen Herausforderungen, daher brauchen sie eine Modernisierung und Veränderung. "Die Hauptfunktion der Entwicklungszonen sollte sich von simpler Produktionsgeschwindigkeit auf Qualität, von regierungs- zu marktgesteuertem Wachstum, von homogenem Wettbewerb zu differenzierteren Wachstumsmodellen und vom schwerpunktmäßigen Aufbau der Infrastruktur hin zur Einrichtung eines günstigen „soften" Umfelds verlagern", erklärte Chinas Vizeministerpräsident Wang Yang während seiner Grundsatzrede beim Internationalen Investitionsforum, einer Nebenveranstaltung der 18. Internationalen Messe für Investitionen und Handel (China International Fair for Investment and Trade, CIFIT) in Xiamen (Provinz Fujian) am 8. September.

Ein starker Motor

1984 beschloss Chinas Regierung, Entwicklungszonen in den Städten an der Ostküste zu gründen, um die Reform und Öffnung des Landes zu beschleunigen. Von 1984 bis 1988 wurden auf Landesebene 14 solcher Zonen eingerichtet, darunter in Tianjin, in Dalian (Provinz Liaoning), Qinhuangdao (Provinz Hebei) und Qingdao (Provinz Shadong).

"Die Entwicklungszonen profitieren vom effektivsten und komfortabelsten System in China. Als sie ins Leben gerufen wurden, sollten sie ursprünglich vor allem ausländische Investitionen anziehen. Also ist es sehr wichtig, für ein globalisiertes Investitionsumfeld zu sorgen, dazu zählen eine dienende Regierung, ein fairer Markt, ausreichend Personal sowie gute Bildungsmöglichkeiten und medizinische Versorgung", erklärte Xu.

Später wurde das Programm auf die weniger entwickelten Städte im Inneren Chinas und dann im Westen des Landes ausgeweitet. "Die Entwicklungszonen sind zum Rückgrat des wirtschaftlichen Wachstums geworden und eine der stärksten Kräfte bei der Öffnung des Landes nach außen. Im vergangenen Jahr machten ihre Auslandsinvestitionen fast ein Fünftel der gesamten Auslandsinvestitionen in China aus, das BIP entsprach einem Achtel des landesweiten BIP", erklärte Vizeministerpräsident Wang.

Die Entwicklungszonen seien in vielerlei Hinsicht die Speerspitze des Wirtschaftswachstums, erklärte auch Handelsminister Gao Hucheng. "Sie spielen die entscheidende Rolle dafür, dass Auslandsinvestitionen ins Land kommen und Industriecluster entstehen, sie fördern technische Innovationen, eine ökologische Entwicklung und eine ausgewogenere Entwicklung der verschiedenen Regionen", so Gao.

Eine große Zahl von Reformmaßnahmen sei herausgegeben worden, nachdem Pilotprojekte in Entwicklungszonen stattgefunden hätten, erklärte Zeng Xiwen, Vizepräsident von Unilever Nordasien. "Noch wichtiger: Diese Zonen haben eine Reihe von Personen gefördert, die den geeigneten Geist für die Durchführung der Reformen besitzen", so Zeng.

Zeit für Veränderungen

China lege immer noch großen Wert auf Auslandsinvestitionen, aber der Fokus habe sich verlagert, so Wang. "Auch wenn China nun über ausreichende Investitionen verfügt, werden wir niemals die Funktion des ausländischen Kapitals überblicken. In der Zukunft wird China mehr Wert auf die Einführung von modernen Technologien, Managementerfahrungen und eines globalen Talentpools legen, statt nur um Investitionen zu werben", erklärte Wang.

Innovation sei der Schlüssel für die künftige Entwicklung der Entwicklungszonen, erklärte Yang Zhiping, Vorsitzender des Verwaltungskomitees des Industrieparks von Suzhou, dazu zählen institutionelle und technologische Innovationen sowie Innovationen in der Verwaltung. 

Laut Yang leben mittlerweile eine Million Menschen in der wirtschaftlich-technischen Entwicklungszone von Suzhou, daher müsse sich die Region in mindestens drei Aspekten verändern.

"Zunächst einmal sollte das Wachstumsmodell von der reinen Verarbeitung zur High-End-Produktion verändert werden. Zweitens ist eine Veränderung im Sozialmanagement notwendig. Von den eine Million Menschen in Suzhou sind 600.000 Wanderarbeiter. Für so viele Menschen Jobs zu schaffen und eine Gesellschaft mit so viel Mobilität zu managen, ist schwierig. Schließlich sollten die Verwaltungskomitees der Industrieparks effizientere und komfortablere Dienstleistungen für Unternehmen anbieten, die Aufsicht durch die Öffentlichkeit akzeptieren und wissenschaftliche Entscheidungen treffen", erklärte Yang.

Auch bei der Auswahl von Investmentprojekten sollten die Industrieparks genauer hinsehen, fügten die Beamten hinzu. "Als die Entwicklungszonen gegründet wurden, waren sie bereit, ausländische Investitionen aus jeder verfügbaren Quelle zu akzeptieren. Aber jetzt haben sich die Dinge verändert. Die meisten bevorzugen Unternehmen mit mehr Mehrwert, anstelle von verarbeitenden Betrieben. Sie versuchen auch, örtlichen Unternehmen bei der Schaffung eines gesunderen Geschäftsumfelds zu helfen", sagte Yang bei einer Nebenveranstaltung der 18. CIFIT.

Bei der Bewertung möglicher Investoren sollte die Höhe der Investition nicht das einzige wichtige Kriterium sein, so Yang. "Die Frage, ob die Investitionsprojekte mit Chinas Gesetzen und Vorschriften, seiner Industriepolitik und den Umweltanforderungen übereinstimmen, erfordert eine sorgfältige Prüfung. Die Entwicklungszonen sollten auch berücksichtigen, ob Geschäftszentralen sowie Forschungs- und Entwicklungsteams gleich mit gegründet werden", so Yang.

Die Entwicklungszonen halten auf nationaler Ebene am Prinzip fest, „ein erstklassiges Investitionsumfeld nach internationalen Standards zu schaffen", erklärte Clement Hung, Vorsitzender von Deloitte China. Seiner Ansicht nach könne China aus der Erfahrung anderer Länder beim Aufbau der Industrieparks lernen.

"Zunächst können breit gestreute Sponsoren die schnelle Entwicklung der Industrieparks fördern. In Industrieländern wie den USA und Europa werden sie hauptsächlich vom Markt geschaffen, während sie in China hauptsächlich mit Regierungsmitteln aufgebaut werden. Zweitens kann ein breit gestreutes Management-Team die Effizienz des Investitionsumfelds verbessern. Chinas Entwicklungszonen werden normalerweise von einem Verwaltungskomitee gemanagt, während es im Ausland verschiedene Managementmethoden gibt, so können Forschungsteams von Universitäten an der Spitze stehen oder Regierung, Markt und Gesellschaft gemeinsam die Leitungsfunktion übernehmen. China sollte mehr Möglichkeiten für das Management testen", erklärte Huang während der CIFIT.

Einige Entwicklungszonen vergrößern ihr Territorium weiterhin zügellos und nutzen Preisvorteile, um Investoren anzulocken. „Einige bekämpfen sich sogar wegen politischer Vorteile und Regierungssubventionen", sagt Xu.  "Dieses Entwicklungsmodell kann nicht aufrechterhalten werden  Die Industrieparks sollten Unternehmen dazu anregen, ihre Produktionstechnologien zu modernisieren, um am Ende eine grünere Produktion mit höherem Mehrwert zu erzielen", forderte er.

(Bericht aus Xiamen, Provinz Fujian)