Die neuen Richtlinien für die Reform des Anwohnermeldesystems sollen die Benachteiligung der Land- gegenüber der Stadtbevölkerung beenden
Neue Identität: Zhao Jiufa, Wanderarbeiter aus der Provinz Guizhou, zeigt seinen neuen Personalausweis und Hukou für Jinjiang (Provinz Fujian)
Am 30. Juli veröffentlichte der Staatsrat neue Richtlinien für die Reform des Anwohnermeldesystems (Hukou). Demnach sollen Stadt- und Landbewohner nicht mehr getrennt registriert werden. Damit endet das duale Meldesystem, dass die Nation seit den 1950er Jahren in Land- und Stadtbevölkerung unterteilte.
Ein Ziel der Reform sei es, den rund 100 Millionen Wanderarbeitern und anderen Landbewohnern dabei zu helfen, sich bis 2020 in einer Stadt niederzulassen und die gleichen öffentlichen Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können wie die Stadtbewohner, erklärte Huang Ming, Vizeminister des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit, bei einer Pressekonferenz über die neuen Richtlinien. Offiziellen Statistiken zufolge arbeiteten Ende Juni 174 Millionen Bauern in Städten fernab ihrer Heimat.
Ein weiteres Ziel der Reform sei die Schaffung eines effizienteren Anmeldesystems, so Huang. „Das System soll die geselschaftliche Verwaltung und die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen sowie die Gewährleistung der Bürgerrechte erleichtern", erklärte er. Städte sollen Einschränkungen beim Meldesystem lockern und grundlegende öffentliche Dienstleistungen für alle Anwohner mit ständigem Wohnsitz verfügbar machen.
Die Zentralregierung treibe die Reform mit nie dagewesener Entschlossenheit voran, so Huang. „Diese Reformrunde unterscheidet sich insofern, als dass sie eine umfassende Überarbeitung des Anmeldesystems bedeutet, die vorherigen Reformen waren meist nur stückweise Korrekturen", erklärte er.
Ungleiche Sozialleistungen
Die Richtlinien bedeuten einen weiteren Fortschritt für die Urbanisierung. Statistisch gesehen bezieht sich der Begriff
„Anwohner mit dauerhaftem Wohnsitz" auf Menschen, die seit mindestens sechs Monaten in einer Stadt wohnen, und zwar mit und ohne Hukou-Status. Offizielle Zahlen zeigen, dass der Anteil der Stadtbewohner mit dauerhaftem Wohnsitz von 1978 bis 2013 von 17,9 Prozent auf 53,7 Prozent stieg. Zurzeit machen Anwohner mit städtischem Hukou aber nur 36 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Städte von 193 auf 658, die Zahl der Gemeinden von 2173 auf 20.113. Der Trend zur Urbanisierung wird weiter zunehmen. 17,7 Prozent der Gesamtbevölkerung von Städten und Großstädten sind nicht als Stadtbewohner registriert, daher haben sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe und andere Leistungen, sie sind Bewohnern mit lokalem Hukou vorbehalten.
Als China noch eine Planwirtschaft war, waren viele Sozialleistungen an den städtischen Hukou geknüpft. Dazu zählten die Zuteilung von Arbeit und Lebensmitteln, Krankenversicherungen und Renten sowie Wohnungen mit niedriger Miete. Die Bauern lebten dagegen von den Erträgen ihres Landes und waren nicht durch Sozialversicherungsprogramme abgesichert. Seit sich China in eine Marktwirtschaft verwandelt hat, gehört die staatliche Zuteilung von Jobs, Lebensmitteln und Wohnraum an die Stadtbewohner jedoch der Vergangenheit an.
In den vergangenen Jahren haben sich die Regierungen auf unterschiedlichen Ebenen darum bemüht, Sozialleistungen auch für Wanderarbeiter zugänglich zu machen. So sind beispielsweise Wanderarbeiter, die einen Arbeitsvertrag haben, durch das Arbeitsvertragsgesetz geschützt. Ihre Arbeitgeber sind verpflichtet, sie gegen Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfälle und Krankheit abzusichern. In Beijing sind Wanderarbeiter seit 2012 in derselben Krankenversicherung versichert wie die städtischen Angestellten.
Das Bildungsministerium drängt außerdem öffentliche Schulen dazu, auch die Kinder von Wanderarbeitern aufzunehmen. Ende 2013 gab es in China rund 12 Millionen Kinder von Wanderarbeitern im schulpflichtigen Alter, mehr als 80 Prozent können an ihren Wohnorten zur Schule gehen, so Vizebildungsminister Liu Limin.
Dennoch gibt es immer noch Sozialleistungen, in deren Genuss nur die Besitzer eines städtischen Hukous kommen. Studenten ohne einen Hukou für Beijing können nicht nach denselben Auswahlkriterien wie örtliche Studenten an der Universitätszulassungsprüfung teilnehmen. Wer keinen örtlichen Hukou besitzt, mindestens fünf Jahre in Beijing gearbeitet und Sozialversicherungsabgaben gezahlt haben, bevor er in der Stadt ein Haus kaufen darf.
Bei 33 öffentlichen Dienstleistungen und Unterstützungszahlungen gebe es weiterhin große Ungleichheiten zwischen Stadt und Land. Dazu zählten die Bereiche Bildung, Immobilien, Renten und sogar Entschädigungen für Verkehrsunfälle, meldete die Nachrichtenagentur Xinhua. Und auch Bürger nicht mehr als Land- oder Stadtbewohner klassifiziert werden sollen, so werden die Ungleichheiten in den zuvor erwähnten 33 Dienstleistungen trotzdem nicht unverzüglich abgeschafft.
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