08-08-2014
Im Focus
Zhou Yongkang : Riesen-Tiger in der Falle
von Li Li

Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Spitzenpolitiker zeigt die Entschlossenheit der Partei im Anti-Korruptionskampf

Enge Verbindung: Zhou Yongkang (Mitte) bei einer Sitzung der Delegation aus Chongqing während der fünften Jahressitzung des 11. Nationalen Volkskongresses im März 2012. Zhou sitzt neben Bo Xilai (re.), dem ehemaligen Parteichef von Chongqing, der wegen Korruption, Veruntreuung und Amtsmissbrauch eine lebenslange Haftstrafe verbüßt (LI XUEREN)

Am 29.

Juli verkündete die KP Chinas, ein Verfahren gegen Zhou Yongkang einzuleiten. Er ist der jüngste „Tiger", der sich nun im Fadenkreuz der Antikorruptions-Ermittler befindet.

Mit den Untersuchungen ist die Zentrale Disziplinkommission (ZDK) beauftragt. Sie ermittelt gegen Zhou, ein ehemaliges Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros, wegen "ernsthafter Disziplinarverstöße". Er ist der höchstrangige Politiker der gesamten Parteigeschichte, der sich wegen Korruption verantworten muss.

Aufstieg und Fall

Zhou wurde 1942 in einer Bauernfamilie in Wuxi (Provinz Jiangsu) geboren. Sein Vater verkaufte Aale, seine Mutter züchtete Seidenraupen. 1966 machte er seinen Abschluss an der Chinese University of Petroleum, die später unter dem Namen Beijing Petroleum Institute bekannt wurde. In den folgenden 30 Jahren machte er Karriere in der überwiegend staatseigenen Ölbranche. 1966 wurde er Geschäftsführer der China National Petroleum Corporation (CNPC), dem größten Energieunternehmen des Landes.

Zwei Jahre später gelang ihm ein bemerkenswerter Wechsel in die Politik. Für kurze Zeit war er Leiter des Ministeriums für Land und Ressourcen, bevor er 1999 Parteichef der Provinz Sichuan wurde. Drei Jahre später wurde er zum Minister für Öffentliche Sicherheit ernannt. Diese Position hatte er bis 2007 inne, dann wurde er in den Ständigen Ausschuss des ZK-Politbüros befördert und übernahm die Leitung des Komitees für Politische und Juristische Angelegenheiten. Zhou beendete seine politische Laufbahn auf dem 18. Parteitag der KP Chinas im Jahr 2012.

Die Bekanntmachung der Anklage gegen ihn beendete monatelange Spekulationen und Gerüchte. Damit wurde klar, dass auch führende Parteimitglieder nicht immun gegen disziplinarische Maßnahmen der Partei und das Gesetz sind.

Die aktuelle Parteispitze hat beschlossen, sowohl  hochrangige Funktionäre ("Tiger"), als auch Beamte auf unteren Ebenen ("Fliegen", die gegen die Staatsgesetze und die Parteidisziplin verstoßen, im Rahmen ihrer Antikorruptionskampagne zu verfolgen. Seit er im November 2012 die Parteiführung übernahm, leitet Xi Jinping die Antikorruptionsmaßnahmen und rief die gesamte Partei zu Wachsamkeit auf. Für Chinas Staatspräsidenten stellt Korruption eine Bedrohung für das Überleben der Partei dar. Er versprach, dass es keine „Ausnahmen" geben werde und keine Nachsicht geübt werden solle, egal, gegen wen ermittelt werde.

Die Verfolgung eines hochrangigen Parteimitglieds wie Zhou hat den positiven Nebeneffekt, korrupte Parteimitglieder und Beamte abzuschrecken. Laut Website der ZDK wurde seit November 2012 gegen rund 40 Beamte auf Provinz- und Ministeriumsebene oder darüber wegen Korruption oder anderer schwerwiegender Disziplinarverstöße ermittelt.

Im Juni kündigten die Behörden Ermittlungen gegen Su Rong, damals Vizevorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volks und vorher Parteichef in mehreren Provinzen, an.

In einem Kommentar der Parteizeitung People's Daily vom 30. Juli hieß es, es sei verrückt, auf ein Entkommen zu hoffen und die Illusion zu hegen, dass es einen „sicheren Rückzugsort" gebe, wenn es um Gesetz und Parteidisziplin gehe.

Der Fall Zhou sei ein weiteres Zeichen dafür, dass keine Macht außerhalb des institutionell erlaubten Rahmens ausgeübt werden und kein Parteimitglied sich außerhalb von Recht und Disziplin bewegen dürfe, hieß es weiter.

Als die Nachrichtenagentur Xinhua die Ermittlungen gegen Zhou bekannt machte, verbreitete sich die Meldung schnell im Netz. Gleichzeitig kündigte die Partei an, auf der vierten Plenarsitzung des 18. ZK im Oktober wichtige Themen im Zusammenhang mit der Förderung der Rechtstaatlichkeit diskutieren zu wollen.

"Die Bekanntgabe der Ermittlungen gegen Zhou ist Teil der Vorbereitungen zur vierten Plenarsitzung. Die Ergebnisse der Ermittlungen werden auf der Parteisitzung überprüft und in den Parteidokumenten festgehalten", erklärte Li Chengyan, Professor an der School of Government der Universität Peking.

Vor Zhou wurde seit Beginn der Öffnungs- und Reformpolitik in den späten 1970er Jahren nur gegen vier Mitglieder des ZK-Politbüros wegen Bestechung ermittelt. Es handelt sich um den ehemaligen Bürgermeister Beijings, Chen Xitong, den ehemaligen Parteichef Shanghais, Chen Liangyu, den ehemaligen Parteichef Chongqings, Bo Xilai, und den ehemaligen Vizevorsitzenden der Zentralen Militärkommission Chinas, Xu Caihou.

Die Ermittlungen gegen führende Parteimitglieder folgen einem Standardverfahren. Im Falle von Zhou wird die ZDK einen Bericht mit ihren Schlussfolgerungen an das ZK-Politbüro zur Überprüfung übergeben. Das Politbüro wird dann entscheiden, dass Zhou aus der Partei ausgeschlossen  und den Anklagebehörden überstellt wird.

Im Kommentar der People's Daily hieß es, dass kein Parteimitglied über der Parteidisziplin stehe, Beamte und Parteimitglieder müssten am Ende dafür zahlen, wenn sie skrupellos eigennützige Ziele verfolgen oder ihre Macht missbrauchen würden. Die Zeitung forderte mehr Anstrengungen, um den Geist der Partei, den Glauben an sie und die Parteidisziplin zu stärken.

Im vergangenen Oktober besuchte Zhou die China University of Petroleum zu ihrem 60-jährigen Bestehen. Es war sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit.

Familienbindungen

Seit langem wurde über Ermittlungen gegen Zhou spekuliert, die Disziplinkommission der Partei hatten die Schlinge mehr als ein Jahr lang immer enger gezogen. Gegen zahlreiche Berater und Protegés von Zhou wurde seit Dezember 2012 ermittelt, darunter ehemalige Partei- und Regierungsspitzen von Sichuan, ein ehemaliger Manager der China National Petroleum Corporation und ein ehemaliger Minister der SASAC (State-owned Assets Supervision and Administration Commission).

Zhou galt auch als Förderer von Bo Xilai, dem in Ungnade gefallenen Parteichef von Chongqing, der im vergangenen Jahr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Korruption, Veruntreuung und Amtsmissbrauch verurteilt wurde.

Viele von Zhous Verwandten standen ebenso unter Verdacht, Zhou unterstützt zu haben, um sich selbst massiv zu bereichern. So wurde gegen seinen Bruder Zhou Yuanqing, seine zweite Ehefrau Jia Xiaoye und seine Schwiegereltern ermittelt. Am Tag, als das Verfahren gegen Zhou publik wurde, meldete das Nachrichtenmagazin Caijing, dass sein ältester Sohn Zhou Bin in Yichang (Provinz Hubei) wegen des Verdachts der Beteiligung an „illegalen Geschäften"  verhaftet worden sei.

In mehreren Medienberichten wurde aufgezeigt, wie Zhou Bin (42) sein Öl- und Immobilienimperium aufgebaut hat. Dazu soll er Beziehungen genutzt haben, die zwar nicht namentlich genannt werden, aber auf Zhou hindeuten. Das Nachrichtenmagazin Caixin berichtete in seiner Online-Ausgabe, dass Zhou Bin und seine Frau in Beijing Immobilien im Wert von mehr als 130 Millionen Yuan besäßen. Außerdem hieß es, dass er zu seinem eigenen Vorteil mit Rechten für staatliche Ölfelder gehandelt habe.

Zhou Bin war zudem Geschäftspartner von Liu Han, einem ehemaligen Multimillionär und Bergbau-Tycoon, der im Mai wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verschwörung zum Mord zum Tode verurteilt wurde.