23-07-2014
Im Focus
BRICS-Staaten gründen Entwicklungsbank und Währungsfonds
von Bai Shi

Die neuen Finanzeinrichtungen sind als Ergänzung zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds gedacht und sollen vor allem Infrastrukturprojekte in Schwellenländern finanzieren.

Vereinigt: Die BRICS-Anführer – Russlands Präsident Wladimir Putin, Indiens Premierminister Narendra Modi, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, Chinas Staatspräsident Xi Jinping und Südafrikas Präsident Jacob Zuma v.l.n.r.) - beim sechsten Gipfel der Schwellenländer im brasilianischen Fortaleza am 15. Juli (Lan Hongguang)

Brasilien sorgt weiterhin für weltweite Aufmerksamkeit, auch wenn der Fußball-Weltcup gerade zu Ende gegangen ist. Am 15. Juli fand in Fortaleza im Nordosten des Landes das sechste Gipfeltreffen der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika statt. Das Motto lautete: „Inklusives Wachstum: nachhaltige Lösungen."

An dem Gipfeltreffen nahmen Brasiliens Präsidentin Dilma Roussef, Russlands Präsident Wladimir Putin, Indiens Premierminister Narendra Modi, Chinas Staatspräsident Xi Jinping und Südafrikas Präsident Jacob Zuma teil. Sie diskutierten über Lösungen für Entwicklungsprobleme und präsentierten Erfolge ihrer Zusammenarbeit.

Das Gipfeltreffen von Fortaleza läutet die zweite Runde der jährlichen BRICS-Meetings ein, bei denen sich die Mitgliedsländer als Gastgeber abwechseln. Der erste BRICS-Gipfel fand 2009 im russischen Jekaterinburg noch ohne Südafrika statt und leitete den Beginn der Zusammenarbeit der Schwellenländer ein.

In den vergangenen fünf Jahren entwickelte sich BRICS zu einer beeindruckenden Partnerschaft, die in einem komplexen internationalen Umfeld zu vielen gemeinsamen Interessen gefunden hat. Zurzeit befasst sich der Staatenblock mit der Einführung von Kooperationsinitiativen in mehr als 30 Bereichen.

Zweifellos steht die Gründung der Neuen Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) und die Einrichtung eines eigenen Währungsreservefonds (Contingent Reserve Arrangement, CRA) ganz oben auf der diesjährigen Gipfel-Agenda. Beides ein lang erwarteter Erfolg, der einen großen Fortschritt für die Rolle der BRICS-Länder im internationalen Finanzsystem bedeutet.  

Der Hauptsitz der Entwicklungsbank sei in Shanghai geplant, hieß es in der Erklärung von Fortaleza. Die Bank soll den Aufbau der Infrastruktur und nachhaltige Entwicklungsprojekte in den BRICS-Staaten sowie anderen Schwellen- und Entwicklungsländern finanzieren. Dafür soll ein Stammkapital von 100 Milliarden Dollar und ein Grundkapital von 50 Milliarden Dollar bereitgestellt werden, das unter den Gründungsmitgliedern gleichberechtigt aufgeteilt wird. In Südafrika soll außerdem zeitgleich zum Hauptsitz ein regionaler Ableger entstehen.

Der Währungsreservefonds soll über ein Anfangskapital von 100 Milliarden Dollar verfügen. Sein Ziel ist es, Ländern mit kurzfristigen Kapitalengpässen zu helfen und die Zusammenarbeit der BRICS-Staaten zu fördern. Außerdem soll der Fonds bestehende internationale Finanzeinrichtungen ergänzen und das globale finanzielle Sicherheitsnetz stärken. NDB und CRA stehen auch anderen Entwicklungsländern offen. Jedes BRICS-Mitglied stellt dem Fonds je nach finanzieller Ausgangslage eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung. China stellt mit 41 Milliarden Dollar den größten Anteil und erhält einen Kredit von 20,5 Milliarden Dollar. Südafrika zahlt 5 Milliarden Dollar ein und erhält dafür einen Kredit in doppelter Höhe.

Eine alternative Lösung?

Seit ihrer Bekanntmachung steht die BRICS-Bank im Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit. Westliche Medien fragen sich, ob sie eine Alternative zum aktuellen Bretton-Woods-System sein wird, einschließlich Internationalem Währungsfonds und Weltbank.

"Die neue Bank soll die Entwicklung in den BRICS-Staaten fördern, vor allem den Aufbau der Infrastruktur. Sie dient den Bedürfnissen der BRICS-Länder und ist als sinnvolle Ergänzung zu bestehenden internationalen Finanzeinrichtungen gedacht, weniger als Konkurrenz", erklärte Huang Wei, Wissenschaftler am Institut für Weltwirtschaft und Politik an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua.

Seit 2009 versuchen die BRICS-Länder, Wege zu einer besseren Zusammenarbeit im globalen Finanzsystem zu finden. Beim 4. Gipfeltreffen im indischen Neu-Delhi im Jahr 2012 einigten sich die Mitglieder auf die Gründung einer Entwicklungsbank, die von den BRICS-Staaten und anderen Entwicklungsländern finanziert und gemanagt werden sollte. In den vergangenen zwei Jahren arbeiteten Finanzminister und Zentralbankpräsidenten daran, die Rahmenbedingungen für die neue Bank auszuarbeiten und zu koordinieren.

Die bestehenden internationalen Finanzeinrichtungen sind nicht in der Lage, die Bedürfnisse der schnell wachsenden Schwellenländer zu erfüllen. Die Weltbank beispielsweise hilft unterentwickelten Ländern bei der Bekämpfung der Armut. BRICS-Staaten könnten dort wegen ihrer steigenden Pro-Kopf-Einkommen keine Kredite erhalten, erklärte Huang.

Außerdem gibt es in Schwellenländern einen großen Finanzierungsbedarf für Investitionen in die Infrastruktur. Kommerzielle Kreditgeber ziehen jedoch kurzfristige Projekte einem langfristigen Engagement in risikobehaftete Infrastrukturprojekte vor. Die neue Bank solle diese Finanzierungslücke schließen, so Huang.

"China hat viel Erfahrung und ausreichende Kapazitäten für den Ausbau der Infrastruktur. Die neue Bank wird chinesischen Unternehmen in diesem Bereich Möglichkeiten zur Kooperation mit anderen BRICS-Mitgliedsländern verschaffen", erläuterte Huang. Der Aufbau der Infrastruktur wird zudem die Kommunikation und den Handel miteinander erleichtern und Arbeitsplätze schaffen. „Es ist eine effektive Methode, inklusives Wachstum zu erzielen."

Bei seinem Chinabesuch am 8. Juli habe auch Weltbankpräsident Jim Yong Kim die Bankgründung begrüßt, berichtete die South China Morning Post in Hongkong. Die BRICS-Bank sei keine Bedrohung für die Weltbank, erklärte Kim. Sie werde vielmehr bei der Reduzierung der Armut helfen und das Wachstum ankurbeln. Der Finanzierungsbedarf für Investitionen in die Infrastruktur erreicht jedes Jahr fast 1 Billion Dollar, die Weltbank kann jedoch nur 60 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen.

Eine faire Reform

"Die Einrichtung der NDB und des CRA wird das internationale Finanzsystem verbessern und vielfältiger machen", erklärte Zhang Haibing, Experte für Internationale Wirtschaft am Shanghaier Institut für internationale Studien, gegenüber der Beijing News.

Das gegenwärtige Finanzsystem ist in hohem Maße auf Bretton-Woods-Institutionen angewiesen, die 1946 und 1947 unter Führung der USA gegründet wurden. In diesem System spielen die BRICS-Staaten nur eine untergeordnete Rolle. Keine ihrer Währungen ist im Internationalen Währungsfonds als Reservewährung anerkannt.

Beobachter meinen, dass die BRICS-Länder größeren Einfluss verdienen, da sie für mehr als 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsaktivität verantwortlich sind. Ihre Devisenreserven machen mehr als 40 Prozent, ihr Wachstum der letzten zehn Jahre mehr als 50 Prozent am globalen Gesamtergebnis aus.

Bereits 2009 einigte sich die internationale Gemeinschaft auf eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen. So erklärte sich der Internationale Währungsfonds 2010 beispielsweise bereit, den Anteil der BRICS-Länder zu erhöhen und die Institution demokratischer und multilateraler zu gestalten.

Laut Reformplan sollten Schwellenländer wie Brasilien, Russland, Indien und China zu den Top Ten der Anteilseigner des IWF zählen. Der Plan wurde 2013 jedoch vom US-Kongress abgelehnt. Mit einem Anteil von 17,69 Prozent sind die USA der größte Anteilseigner des IWF und verfügen über ein Veto-Recht gegenüber dem Vorstand.

Wegen ihrer benachteiligten Position in den bestehenden internationalen Finanzinstitutionen sind Schwellenländer häufig durch Schwankungen der US-Finanzpolitik beeinträchtigt. Die Einrichtung der neuen Bank und des Währungsreservefonds würden den BRICS-Ländern einen Weg zeigen, sich ein eigenes Instrument für ihre finanzielle Sicherheit aufzubauen, nachdem ihre gerechtfertigten Appelle an IWF und Weltbank gescheitert seien, erklärte Zhang.  

Die Entwicklungsbank sei eine neue Option für Entwicklungsländer, wenn sie künftig in finanziellen Schwierigkeiten stecken, erklärte Shen Jiru, Wissenschaftler am Institut für Weltwirtschaft und Politik bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

In der Vergangenheit haben viele Entwicklungsländer die Weltbank und den IWF um Hilfe gebeten, doch deren Kredite werden nur unter strengen Auflagen vergeben.  Schuldnerländer zahlen daher einen hohen politischen Preis für die Unterstützung. Im Gegensatz dazu werde sich die NDB nicht in die inneren Angelegenheiten dieser Länder einmischen, was sie deutlich von Weltbank und IWF unterscheide, so Shen.