04-05-2014
Im Focus
Jing-Jin-Ji-Wirtschaftszone: Ein neues Dreigespann
von Deng Yaqing

 

Für Beijing wird es Zeit, wirtschaftlich abzuspecken und Synergien mit Tianjin und Hebei zu schaffen

 

 

 Hochhäuser schießen aus dem Boden: Baustellen im Binhai New District in Tianjin

  

Nachdem er für zehn Jahre auf Eis lag, ist der Entwicklungsplan für die Jing-Jin-Ji-Region, der eine Fusion von Beijing (Abkürzung: Jing), Tianjin (Abkürzung: Jin)  und der Provinz Hebei (Abkürzung: Ji) vorsieht, unter dem neuen Namen Capital Economic Circle wieder aufgetaucht. Im Februar forderte Staatspräsident Xi Jinping die Koordinierung und den Zusammenschluss einer Wirtschaftszone rund um Beijing und konstatierte die Notwendigkeit, Entwicklung, Umwelt, Bevölkerung und Ressourcen aufeinander abzustimmen und gab somit ein offizielles Zeichen dafür, dass die Umsetzung des Plans beschleunigt wird.

Das Planungsgebiet umfasst Beijing, Tianjin und Teile der Provinz Hebei, ein Areal, in dem mehr als 100 Millionen Menschen wohnen, dreimal soviel wie in der Megastadt Tokio. Das Gebiet weist ein BPI von mehr als 6 Milliarden Yuan auf und umfasst eine Fläche von 216.000 Quadratkilometern.

Der Economic Circle bietet Lösungen für „städtische Krankheiten" wie Verkehrsstaus und Luftverschmutzung, von denen Beijing zurzeit heimgesucht wird. Mit einer Bevölkerung von mehr als 20 Millionen Menschen ist die Stadt das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Chinas. Abgesehen davon befindet sich hier die größte Zahl bekannter Universitäten, renommierte Krankenhäuser und das größte Zentrum der Hightech-Industrie.

„Beijing sollte sich von der Vorstellung lösen, in jedem Bereich Erster zu sein, und einige weniger wichtige Funktionen an seine Nachbarn delegieren", fordert Yang Weimin, stellvertretender Chef des Büros der Zentralen Leitungsgruppe zum Thema Finanzen und Wirtschaftsangelegenheiten, das zum ZK gehört.

Beijing sollte seinen Status als politisches, kulturelles und außenpolitisches Zentrum Chinas behalten, betonte Staatspräsident Xi, aber gleichzeitig einige der nicht-wesentlichen Industriesektoren wie das produzierende Gewerbe, das für eine hohe Umweltverschmutzung verantwortlich ist, schrittweise auslagern. Außerdem sollte die exzessive Konzentration von finanziellen, medizinischen und Bildungsressourcen allmählich abgebaut werden.

 

Unterscheidungen

Der Zusammenschluss der Jing-Jin-Ji-Region gilt als wichtigste Wirtschaftszone Nordchinas und als drittwichtigster Wachstumsmotor, direkt nach dem Perlfluss- und Yangtse-Delta in Süd- bzw. Ostchina.

Verglichen mit dem Yangtse- und Perlflussdelta ist der neue städtische Ballungsraum weniger nach außen orientiert. 2012 machten Exporte 15,12 Prozent des BPI aus, deutlich weniger als am Yangtse-Delta (60,44 Prozent) und am Perlflussdelta (63,37 Prozent).

Die Industriekonzentration an der Perlflussmündung entstand durch die Öffnung und Reform des Landes während der 1980er Jahre, die Industrie am Yangtse-Delta entwickelte sich seit den 1990er Jahren, als lokale Regierungen mehr Befugnisse erhielten und Kontakte zum Markt aufbauten. Der Aufbau des Jing-Jin-Ji-Ballungsraums wurde vor allem durch Regierungsplanungen mit stark administrativem Fokus vorangetrieben.

Li Tie, Generaldirektor des Chinesischen Zentrums für Stadtentwicklung bei der Staatlichen Kommission für  Entwicklung und Reform, behauptet, dass die Wirtschaftsregion durch zahlreiche Faktoren besonders gefährdet sei.

Erstens könne es die Provinz Hebei nicht mit Beijing und Tianjin aufnehmen, sie hat eine verhältnismäßig untergeordnete administrative Position. Bei der Koordination der Entwicklung der Jing-Jin-Ji-Region wurde ähnlich wie bei der Wirtschaftsregion Bohai vorgeschlagen, dass Beijing eine Schlüsselrolle übernehmen solle. Damit werde die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen weiter verschärft.

Da fast alle betroffenen Städte darauf hoffen, qualitativ hochwertige Ressourcen, statt umweltschädigender und arbeitsintensiver Industrien aus Beijing anlocken zu können, habe sich der homogene Wettbewerb seit kurzem verstärkt, erklärte Li. Infolgedessen ist es schwierig, die Verteilung von Privilegien ausgewogen zu steuern und eine ressourcentechnische Ergänzung unter den Städten in der Peripherie Beijings zu fördern.

Weiter erklärte er, dass es aufgrund der großen Kluft bei Pro-Kopf-Steuereinnahmen, Einkommen und Infrastruktur fast unmöglich sei, den Hukou (eingetragener ständiger Wohnsitz) für Tianjin oder Hebei gegen den von Beijing einzutauschen. Hochwertige wirtschaftliche und soziale Ressourcen fließen ständig nach Beijing, da die Stadt das beste Sozialsystem des Landes hat.

Auch gegenwärtig strömen immer noch zahllose junge Arbeiter und Hochschulabsolventen in die Hauptstadt, in der Umgebung sind einige Satellitenstädte wie Tongzhou Bezirk und Changping Bezirk entstanden. Da diese kleinen Städte keine unabhängige Wirtschaft besitzen, müssen die Anwohner stundenlang pendeln, um zu ihren Büros im Stadtzentrum zu gelangen, was das Verkehrschaos weiter verschlimmert. Um die Bevölkerungszahl zu verringern, sollte die Stadt wirtschaftliche und administrative Funktionen reduzieren. 

Zhou Benshun, Sekretär des Parteikomitees der Provinz Hebei, erklärte, dass Hebei am stärksten von der neuen Mega-Region profitieren würde und alle nur möglichen Chancen ergreifen sollte, um zu einem neuen Wachstumszentrum zu werden.

Jahrelang hat sich Hebei daran gewöhnt, sich als Gemüsekorb oder Zweigstelle Beijings zu betrachten. Aus diesem Grund ist bislang keine langfristige praktische und nachhaltige Entwicklungsstrategie formuliert worden und Hebei hat nach und nach das Profil als Küstenprovinz verloren. Jetzt sollte Hebei aber in der Lage sein, etwas zu verändern.

Hebei müsse dem Wohl der Jing-Jin-Ji-Region dienen und gleichzeitig ein eigenes Wettbewerbsprofil entwickeln, indem es Funktionen, Industrien und Ressourcen aus Beijing übernimmt, so Zhou. „Der dynamische Aufstieg Hebeis wird weitreichende Auswirkungen auf seine künftige Entwicklung haben", erklärte er.

Hebei werde aber keine veralteten Produktionskapazitäten aus der Hauptstadt übernehmen, erklärte Song Limin, stellvertretender Chef der  Entwicklungs- und Reformkommission der Provinz Hebei. „Die Provinz wird nur Industrien einführen, die bereits eine solide finanzielle Basis haben und Schritt mit der nationalen Industriepolitik halten. Es ist ein Prozess der Entwicklung und des Fortschritts", so Song.

Vor kurzem schlug Xu Heyi, Vorsitzender von BAIC, einem großen Autobauer in Beijing, vor, Produktionsanlagen nach Huanghua in Hebei zu verlegen, während der Hauptsitz in Beijing sich mit technologischer Innovation, den Verkauf und der Produktion von Premium-Fahrzeugen befassen solle.

 

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