18-04-2014
Im Focus
Wie geht es weiter mit Chinas Bankgiganten?
von Zhou Xiaoyan

 

Die fünf großen Staatsbanken stehen vor ganz neuen Herausforderungen.

 

 

 

Werbung für Online-Banking: Eine Angestellte der ICBC präsentiert die Benutzeroberfläche einer App.

 

 

In China gibt es ein weit verbreitetes Vorurteil gegenüber staatlichen Handelsbanken: Sie müssen niemals selber bluten, um Geld zu verdienen. Stattdessen lehnen sie sich pfeifend zurück und kassieren endlose Geldströme.

Die guten alten Zeiten sind jedoch möglicherweise vorbei. Auch wenn die fünf größten staatlichen Banken 2013 wie üblich kräftige Gewinne verbuchten, stehen sie vor größeren Herausforderungen als je zuvor. Als Gründe nennen Analysten die nachlassende Konjunktur, die marktorientierte Reform des Zinssatzes, die Zunahme fauler Kredite, Investitionsprodukte aus dem Internet und Privatbanken, die flügge werden.

 

Nachlassende Gewinnzuwächse

Die fünf großen staatlichen Banken, d.h. Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), China Construction Bank, Agricultural Bank of China, Bank of China (BOC) und Bank of Communications (BOCOM), verzeichneten 2013 allesamt enorme Gewinne.

Zusammen strichen sie 870 Milliarden Yuan Nettogewinne ein, das entspricht 2,4 Milliarden Yuan pro Tag und einem Anteil von mehr als 60 Prozent des gesamten Bankensektors.

Dennoch gab es bei allen Banken Gewinneinbußen - mit einer Ausnahme: 2013 verzeichnete die ICBC, die weltgrößte Bank nach Vermögenswerten, 263 Milliarden Yuan Nettogewinn, 10,2 Prozent mehr als 2012. Diese Wachstumsquote liegt jedoch deutlich unter den 14,5 Prozent des Jahres 2012. Die BOCOM verzeichnete den stärksten Gewinneinbruch, von 15,05 Prozent im Jahr 2012 auf 6,73 Prozent 2013.

Ein Untersuchungsbericht von Deloitte prognostizierte, dass für Chinas Banken eine Ära der einstelligen Gewinnzuwächse begonnen haben könnte.

Der Gewinnnachlass entspreche der Konjunkturabschwächung, erklärte Guo Tianyong, Direktor des Center for Chinese Banking Studies der Central University of Finance and Economics in Beijing.

Chinas Wachstumsrate sank 2013 auf 7,7 Prozent (2007: 14,2 Prozent).  In diesem Jahr gab die Regierung ein Wachstumsziel von 7,5 Prozent vor. Die nachlassende Konjunktur and eingeleitete Gegenmaßnahmen haben die Expansion der Banken gebremst.

„Das nachlassende Wachstum ist infolgedessen ziemlich natürlich. Unnormal waren eher die zweistelligen Wachstumsraten der vorherigen Jahre. 2014 wird die Wachstumsrate weiter sinken, sogar unter zehn Prozent. Letztendlich wird die Wachstumsquote auf gleicher Höhe wie das BPI oder etwas darüber liegen", erklärte Guo.

In China bestimmt weiterhin die Regierung, wie viel Zinsen die Traditionsbanken für Spareinlagen zahlen dürfen. Der Abstand zwischen dieser Obergrenze und der Kreditzinsrate gilt als Hauptgrund für die enormen Gewinne der Banken. Die bevorstehende Anpassung der Zinsen an den Markt wird wohl die Profitabilität des traditionellerweise stark regulierten Bankensektors beeinträchtigen. Es wird damit gerechnet, dass Nettozinsmargen sinken, da China die Obergrenze für Einlagenzinsen auslaufen lässt.

„Die schlussendliche Freigabe der Zinssätze ist der letzte Schritt zur Anpassung an den Markt", erklärte Zhou Xiaochuan, Gouverneur der Zentralbank, während der jährlichen NVK-Sitzung im März.

„Wir arbeiten einen Plan aus. Er wird wahrscheinlich in ein oder zwei Jahren umgesetzt."

Die Abschaffung der Obergrenze für Anlagezinsen werde nur eingeschränkte Auswirkungen auf die Nettozinsmargen haben, erklärte Luo Yi, Analyst bei China Merchants Securities Co. Ltd.

„In ein oder zwei Jahren, wenn China die Anpassung der Zinssätze an den Markt vollzogen hat, werden die Nettozinsmargen der Banken nicht nennenswert sinken. Der Bankensektor könnte jedoch polarisierte Geschäftsverläufe erleben."

 

Zunahme fauler Kredite

Die nachlassende Konjunktur und der Schuldenüberhang aus dem massiven und kreditgestützten Anreizpaket, das Chinas Politiker als Antwort auf die Finanzkrise von 2008 ins Leben riefen, schüren die Angst vor einer Zunahme fauler Kredite.

Die Quote notleidender Kredite (NPL) in Chinas Bankensektor erzielte nach Angaben der chinesischen Bankenregulierungskommission Ende 2013 ein Zweijahreshoch von 1 Prozent.

Die kürzlich hinzugefügten NPLs der fünf großen Staatsbanken erreichten 2013 einen Wert von 46,83 Milliarden Yuan, deutlich mehr als 2012, damals waren es 10,95 Milliarden Yuan.  

Die Zunahme notleidender Kredite sei angesichts der Regulierung des Immobilienmarktes, der Überkapazitäten und des wirtschaftlichen Drucks unvermeidlich, meint Zong Liang, stellvertretender Leiter der internationalen Finanzabteilung der Bank of China.

„Die NPL-Quote im Industriesektor liegt unter 1 Prozent, ein recht niedriges Niveau. Die NPLs der Banken sind eng mit der chinesischen Wirtschaft verbunden. Solange die Wirtschaft wächst, ist das NPL-Risiko unter Kontrolle", so Zong.

Eine große Anzahl an Treuhandfonds und Vermögensverwaltungsprodukten werden gleichzeitig ausgereift sein, erklärt Wang Tao, Ökonom bei UBS Securities. Zusammen mit einer nachlassenden Wachstumsrate wird das in den nächsten Jahren zu Rückzahlungskrisen oder sogar Zahlungsverzügen für Chinas Banken führen", erklärte Wang. „Eine systematische Finanzkrise ist aber unwahrscheinlich."

Die Geschäftsberichte der fünf Banken an den Börsen zeigen, dass der NPL-Anstieg vor allem in bestimmen Gebieten und Branchen zu beobachten ist, darunter das Yangtse- und Perlflussdelta sowie Einzel-, Großhandel und Produktion.

Risiken bergen auch die Finanzplattformen lokaler Regierungen, Immobilienkredite und Kredite an Branchen mit Überkapazitäten wie Zement- und Stahlindustrie.

Beobachter sollten nicht übertrieben pessimistisch hinsichtlich der Qualität der Vermögenswerte von Chinas Banken sein, meint Qu Hongbin, Chefökonom bei der HSBC. „Geht man von den Reformmaßnahmen aus, die China verabschiedet hat, ist China absolut fähig, den Druck aus Anlageblasen zu nehmen und eine weiche Landung hinzulegen."

 

Herausforderungen im Internet

Seit Alibabas Gründung von Yu'ebao (wörtlich „übriggebliebener Schatz"), einem Anlageprodukt, das der E-Commerce-Marktführer 2013 an den Start brachte, sind Geldanlagen im Internet in China sehr erfolgreich. Für traditionelle Banken stellen sie eine potenzielle Bedrohung dar, da mehr und mehr Geld auf Finanzplattformen im Internet transferiert wird.

Mit seinen attraktiven Erträgen, der größeren Flexibilität und den geringeren Restriktionen war Yu'ebao sofort ein Erfolg. Viele chinesische Internetunternehmen, darunter der Suchmaschinengigant Baidu, der Messenger-Entwickler Tencent sowie Online-Händler Suning, eiferten dem nach und entwickelten ähnliche Finanzprodukte.

Doch die Staatsbanken sind bereit, ihr Territorium zu verteidigen. In den jährlichen Geschäftsberichten wurden Herausforderungen durch Online-Finanzdienstleistungen häufig erwähnt, Businesskonzepte sind darauf ausgerichtet, diesen Herausforderungen entgegenzutreten. 

So senkten die Banken die Obergrenze für die Geldmenge, die pro Tag von Bankkonten auf Investmentplattformen im Internet überwiesen werden darf. Sie entwickelten eigene Internetprodukte wie Online-Banking, Service-Apps für Handys und Dienstleistungen per WeChat, einer mobilen Text- und Sprach-App von Tencent. Außerdem brachten sie ähnliche Produkte wie Yu'ebao auf den Markt.

So hatte die ICBC Ende 2013 160 Millionen Online-Banking-Nutzer, mehr als 130 Millionen nutzten die mobile Banking-App und 80 Prozent aller Transaktionen fanden online statt.

Der Vorstoß der Internetunternehmen in den Finanzdienstleistungssektor könnte als Ergänzung zu den Angeboten konventioneller Banken fungieren, sagt Hou Weidong, Vizepräsident der BOCOM, auch wenn sie potenziell eine Bedrohung für traditionelle Geldinstitute darstellten.

„Internetunternehmen haben das Innovationsgen, das wiederum spornt traditionelle Banken an, ebenfalls innovativ zu sein und über ihre traditionellen Geschäftsmodelle nachzudenken. Unter Druck werden die Banken aktiv Innovationen entwickeln und ihre Vorteile ausspielen."

Banken hätten immer noch viele Vorteile, auf die Online-Unternehmen verzichten müssen, argumentiert Hou.

„Wir haben ein komplettes Risikomanagement-System, das hilft bei der Stabilisierung des Online-Finanzmarkts. Nach jahrzehntelanger Entwicklung des Online-Businesses haben Banken eine große Zahl talentierter Leute angeworben, die sowohl mit der Finanzwelt als auch mit Internetanwendungen vertraut sind. Das sind Vorteile, die Institutionen außerhalb der Finanzwelt  in kurzer Zeit kaum erlangen können."