01-04-2014
Im Focus
„Neue Seidenstraße“ soll neuen Wohlstand bringen

 

Chinas Vorschlag, eine neue Wirtschaftszone an der Seidenstraße einzurichten, wird zu positiven Veränderungen in Zentralasien und sogar darüber hinaus führen. In einem aktuellen Interview unseres Mitarbeiters Ding Ying äußerte sich Helga Zepp-LaRouche, Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts, einem wirtschaftlichen und politischen Think Tank mit Sitz in den USA und Deutschland, in der Beijing Review zu dem ehrgeizigen, internationalen Plan. Es folgen Ausschnitte aus dem Gespräch:

 

 

Handelsboom: Arbeiter verladen am 25. Dezember in Horgos (Uigurisches Autonomes Gebiet Yinjiang) Waren für Kasachstan.

 

 

Beijing Review: Was halten Sie von der neuen Wirtschaftszone an der Seidenstraße als Modell für die regionale Zusammenarbeit?

Helga Zepp-LaRouche: Ich bin sehr glücklich darüber, denn es wird diese Region in sehr positiver Weise verändern und den Lebensstandard der Bevölkerung erhöhen.  

Es ist allgemein bekannt, dass die „Neue Seidenstraße" nur der Anfang einer weit größeren Integration der Weltwirtschaft ist. Wir sind sehr froh über diese Initiative, denn sie wird der Beginn einer ganz neuen Epoche der Zivilisation.

Zentralasien hat in den letzten Jahrzehnten unter großem sicherheitspolitischen und wirtschaftlichem Druck gestanden, beispielsweise durch terroristische Drohungen. In welcher Hinsicht wird die Einrichtung einer neuen Wirtschaftszone an der Seidenstraße den Wandel in der Region beeinflussen?

Die Drogenproduktion in Afghanistan stieg um das 40-fache, seit die NATO vor 13 Jahren ins Land kam. Mit den Gewinnen aus der Drogenherstellung wird der Terrorismus unterstützt. Ich denke, dass alle Nachbarstaaten Afghanistans, d.h. China, Russland, Indien, Iran und hoffentlich noch weitere, zusammenarbeiten müssen, um den Drogenhandel auszumerzen. Der Drogenhandel ist zu einem großen Sicherheitsproblem für Russland geworden. Hunderttausende sterben jedes Jahr infolge des Drogenschmuggels aus Afghanistan. Das trifft auch auf China zu, da eine der Drogenrouten durch Xinjiang führt. Mit Geld aus dem Drogenhandel werden außerdem Terroristen in Tadschikistan, Tschetschenien, Pakistan und in der gesamten Region von Afghanistan bis nach Syrien, Nord- und sogar Zentralafrika finanziert. Er ist zu einer Bedrohung für die Stabilität in der Region geworden. 

Es muss internationale Anstrengungen zur Stabilisierung der Region geben. Darum haben wir eine sehr konkrete Ausdehnung der eurasischen Landbrücke auf die gesamte Region und weiter bis nach Afghanistan, Syrien und Nordafrika vorgeschlagen. Man muss der Bevölkerung einen Anreiz bieten und ihr die wirtschaftliche Zusammenarbeit erklären, da sie ihr eine Chance auf eine bessere Zukunft gibt. Es gibt bessere Anreize, als in den Drogenhandel einzusteigen oder Terroristen zu unterstützen, was viele im Grunde nur wegen des Geldes tun. Viele Leute sind einfach nur arm. Man muss die gesamte Region durch eine wirtschaftliche Entwicklungsperspektive verändern. Diese Perspektive kann nur durch eine neue Wirtschaftszone an der Seidenstraße entstehen. 

 

Wie wird sich die gesamte geopolitische Situation in Zentralasien durch diese Wirtschaftszone verändern? Was wären Auswirkungen auf die internationale Gemeinschaft?

Ich denke, wir befinden uns an einem Punkt der Geschichte, in der das alte geopolitische Denken nicht mehr funktioniert. Zurzeit entsteht durch die Entwicklungen in der Ukraine eine große Kriegsgefahr. Man muss die Bemühungen, die Ukraine von Russland zu trennen, in Verbindung mit den US-Verteidigungssystemen in Polen, Rumänien und dem nach Spanien gesandten Kriegsschiff Aegis sehen, alles Zeichen für eine Erstschlagsdoktrin. Die Russen haben sehr klar gesagt, dass sie das in der dritten und vierten Phase entstehende US-Raketenabwehrsystem nicht akzeptieren werden, da es auf die Ausschaltung der Zweitschlagskapazität Russlands abzielt. Gegen China gibt es eine ähnlich utopische Politik in Gestalt der Luft-Seeschlacht-Doktrin im Pazifik. Sie gibt sich der Illusion hin, dass man China grundsätzlich entwaffnen könne, ohne dass es fähig sei, sich zu verteidigen, was China allerdings klar widerlegt hat.

Wenn man die gesamte Situation betrachtet, befinden wir uns auf dem Weg zum dritten Weltkrieg. Das ist unsere absolute Überzeugung und hat allein mit der Tatsache zu tun, dass das westeuropäische und amerikanische Finanzsystem dabei ist, zusammenzubrechen, während die Länder am Pazifik bestens gedeihen. Der Kollaps des Finanzsystems wird stattfinden. Gerettet werden kann es nur, wenn man den Zockeraspekt aus der Wirtschaft ausmerzt. Zum Glück sind nicht alle Menschen auf eine kriegerische Eskalation aus.

Die Länder Zentralasiens werden mit der Frage konfrontiert, ob sie an der einzigen verfügbaren Lösung, der „Neuen Seidenstraße", teilhaben wollen. Es wäre normal anzunehmen, dass ethnische und historische Spannungen durch das Problem des Finanzkollapses und die Gefahr eines dritten Weltkriegs ersetzt werden. Wir müssen das Paradigma schnell verändern und die Idee der kriegerischen Problemlösung und das Denken in geopolitischen Begriffen aufgeben. Wir müssen uns auf die gemeinsamen Ziele der Menschheit konzentrieren, oder wir alle werden nicht überleben.

Jeden Tag verhungern 2 Milliarden Menschen. Viele davon in Afrika, aber auch in anderen Entwicklungsländern. Wir befinden uns am Rande des Zusammenbruchs. Soll es eine Zukunft für die Menschheit geben, müssen wir einen komplett anderen Weg gehen und im wechselseitigen Interesse kooperieren. Ich denke, der eurasischen Landbrücke oder der „Neuen Seidenstraße" liegt die Idee der Verbesserung der Lebensbedingungen in allen Binnenregionen Eurasiens zugrunde. Damit beginnt eine neue Phase der Evolution, denn wenn wir auf die ersten Menschen vor vielen Tausenden von Jahren zurückblicken, so siedelten sie sich an Meeren und Flüssen an. Es brauchte viele Entwicklungsschritte, damit Menschen sich Gebiete im Inneren eines Landes durch Straßen oder Verbindungskanäle zwischen Flüssen aneignen konnten. Und dieser Prozess ist immer noch nicht abgeschlossen. 

In Eurasien gibt es zahlreiche nur schwer zugängliche Binnengebiete, die noch nicht durch Wasserstraßen oder Zugverbindungen erschlossen wurden, dort gibt es lediglich unbefestigte Straßen. In den kommenden 20 bis 50 Jahren gibt es also eine Menge zu tun. Ich denke, der Schlüssel liegt darin, die Verantwortlichen zum Umdenken zu bewegen, bevor es zu spät ist. 

 

Schwellenländer, vor allem die BRICS-Staaten, waren in den vergangenen Jahren der Motor der globalen Wirtschaft. Einige Wirtschaftsexperten haben jedoch darauf hingewiesen, dass ihre Entwicklung sich durch die weltweite Finanzkrise verlangsamt hat, und prognostizieren, dass diese Länder ihr Wachstum nicht aufrechterhalten werden können. Sehen Sie das auch so?

Das kommt darauf an. Bleibt man im System der Globalisierung, sieht die Zukunft nicht so toll aus, denn dieses System bricht gerade zusammen. Sogar in den USA gibt es Leute wie Thomas Hoenig, den Vize-Vorsitzenden der Federal Deposit Insurance Corp., die der Ansicht sind, dass das Finanzsystem so bankrott ist, dass die Insolvenz von einer oder zwei Riesenbanken aufgrund der Vernetzung der Marktsegmente ausreicht, um das ganze System zum Einsturz zu bringen.

Der Derivatenhandel hat einst zu einer Situation geführt, in der zuerst eine große Bank wie Lehman Brothers Pleite ging. Infolgedessen könnte sich heute das ganze System in Luft auflösen. Manche sprechen sogar davon, dass sich das System wie eine Supernova oder ein sterbender Stern auslöschen könnte. Darum ist es so überaus dringlich, dass wir ein anderes System wählen und aufhören, über hohe Profite, Spekulationen und Geld verdienen nachzudenken - die ganze verrückte Ideologie, die in den letzten 50 Jahren entstanden ist. Wir müssen uns wieder auf die Realwirtschaft konzentrieren.  

Das Konzept der „Neuen Seidenstraße" sollte nicht nur auf Zentralasien ausgeweitet werden, sondern zum Konzept für die Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem gesamten Planeten werden. Das heißt, den Schwellenländern steht eine strahlende Zukunft bevor, da sie zu einem Teil der Seidenstraße werden und an dieser positiven Entwicklung partizipieren. Wenn sie es schaffen, diesen Punkt auf ihre politische Agenda zu setzen, stehen wir meiner Ansicht nach am Beginn einer vielsprechenden neuen Ära. So stellt sich also wirklich die Entscheidungsfrage zwischen dem dritten Weltkrieg und einem Wandel des Zivilisationsparadigmas hin in zu einer neuen Ära.

Anders als die „Neue Seidenstraße" gehen die Transpazifische Partnerschaft (TPP) und die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TIPP) für die transatlantische Welt etwas mehr in Richtung eines weltweiten Imperiums, in dem die 500 größten Firmen die größte Macht haben und der Einfluss der bürgerlichen Regierungen abnehmen wird. Wir sollten uns diesem Konzept widersetzen, denn es dient nicht dem Wohl der Bevölkerung, sondern den Gewinnen der Chefs der 500 größten Konzerne. Die jüngsten Statistiken zeigen, dass 85 Menschen das gleiche Vermögen besitzen wie 3,5 Milliarden Menschen, das entspricht der Hälfte der Erdbevölkerung. Warum aber sollten nur 85 Menschen das Vermögen der Hälfte der Menschheit besitzen? TPP und TIPP würden diese Entwicklung sogar noch fördern. Hunger und Armut in großem Ausmaß wären die Folge. Reformen sind daher sehr, sehr dringlich.