18-03-2014
Im Focus
Elektroautos wirbeln den Markt auf
von Lan Xinzhen

Chinas Elektroautoindustrie ist bereit, ihre Wachstumschancen zu nutzen

 
Ein Modell einer intelligenten Ladestation wird in Shanghai präsentiert, um für die Nutzung von Elektrofahrzeugen zu werben.

Am 26. Februar verkündete Beijing die ersten Ergebnisse der Nummernschildlotterie des Jahres 2014. Am selben Tag gab die Stadtverwaltung eine Liste mit neuen Elektroautomodellen heraus, für die es Zuschüsse beim Kauf gibt. Der rein batteriebetriebene E6 von BYD und der E150EV von BAIC Motors stehen ganz oben auf der Liste. 1428 Antragsteller erhielten die Berechtigung zum Kauf eines Elektroautos.

Seit 2011 praktiziert die Stadt diese Zulassungslotterie, um die Anzahl neuer Privatfahrzeuge auf den Straßen zu begrenzen. Nach einer Mitteilung der Stadtverwaltung von Beijing sollen künftig mehr Elektroautos auf der Liste der regierungssubventionierten Fahrzeuge zu finden sein.

Bis vor kurzem wurden in Beijing vor allem Busse, Taxis und Müllwagen mit alternativen Energien betrieben. Die Anzahl der Elektroautos war sehr gering. Die deutliche Zunahme von Elektroautos in der Hauptstadt könnte nun ein Zeichen dafür sein, dass sich dem Markt weitere Entwicklungschancen bieten.

Nach Zahlen des Chinesischen Autoherstellerverbands (CAAM) gibt es zurzeit mehr als 30 Hersteller von Elektroautos, darunter heimische Marken wie BYD, BAIC und JAC sowie Aktiengesellschaften wie General Motor und Toyota.

Der Regierungsplan zur Entwicklung einer energiesparenden und neue Energien nutzenden Autoindustrie (2012-2020) hat das Ziel, bis 2015 500.000 reine, d.h. batteriebetriebene Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride zu produzieren und zu verkaufen, bis 2020 sollen es 5 Millionen sein.

Es ist klar, dass China das für 2015 angepeilte Ziel wohl nicht erreichen wird. Schätzungen zufolge werden in diesem Jahr aber mehr als 10.000 Beijinger Elektroautos kaufen. Wird diese Zahl tatsächlich erreicht, könnte der Markt für Elektrofahrzeuge schnell wachsen.

Ye Shengji, stellvertretender Generalsekretär des Autoherstellerverbandes, führt die niedrigen Produktions- und Verkaufskapazitäten für Elektrofahrzeuge vor allem auf die ungenügende Käuferzahl zurück.

Um die Entwicklung des Marktes anzukurbeln, verlangsamt die Regierung die geplante Reduzierung der Zuschüsse für die Käufer von Elektroautos. Nach einem von Finanzministerium, Ministerium für Wissenschaft und Technik, Ministerium für Industrie und Informatik sowie der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform Anfang 2014 gemeinsam herausgegebenen Dokument werden die Zuschüsse für Elektrofahrzeuge 2014 um 5 Prozent niedriger ausfallen als 2013, 2015 sollen sie 10 Prozent unter denen von 2013 liegen. Das entspricht der Hälfte der ursprünglich geplanten Zuschusssenkungen. Auch nach dem Ende der gegenwärtigen Subventionspolitik Ende 2015 sollen weiter Zuschüsse gewährt werden, hieß es.

Der Umsatz von Elektrofahrzeugen werde in diesem Jahr explosionsartig zunehmen, glaubt Ye. Die Regierung fördere Energiesparmaßnahmen, Emissionsreduzierungen und strengere Kontrollen der Luftverschmutzung, die Elektroautobranche werde sicher von dieser Situation profitieren.

Mehr Ladestationen

Verglichen mit Tankstellen für konventionelle Autos, die man überall findet, ist die begrenzte Zahl der Ladestationen das Haupthindernis für die Entwicklung des Markts. China fördert Elektroautos und betrachtet sie als eine Maßnahme zur Reduzierung der Umweltverschmutzung. Die Anstrengungen der Regierungen hatten aber wegen der Probleme beim Aufbau der Ladeinfrastruktur bislang wenig Erfolg.

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Beijing sich in diesem Jahr erstmals zu einem zügigen und umfassenden Ausbau der Ladestationen verpflichtet. 1000 Ladestationen sollen innerhalb dieses Jahres fertiggestellt werden. Zukünftig sollen alle fünf Quadratkilometer eine Ladestation stehen und so eine umfassende Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. Zurzeit gibt es in der gesamten Hauptstadt gerade einmal 20.

Zur Förderung von Elektrofahrzeugen berechne die Regierung zurzeit nur Stromgebühren für die Nutzer öffentlicher Schnellladestationen, erklärt Xu Xinchao, Leiter der Abteilung für Neue Energien und Neue Materialien bei der Städtischen Kommission für Wissenschaft und Technologie. Für eine Strecke von 100 Kilometern benötigen Elektroautos 15 bis 18 kWh Strom. Bei Strompreisen von 0,81 Yuan pro kWh entstehen Kosten von 12 bis 14 Yuan, eine verlockende Alternative für Autofahrer.

Auch Shanghai beschleunigt die Bereitstellung von Ladestationen. In städtischen Gebieten soll alle fünf Quadratkilometer eine Ladesäule stehen, in Vororten alle zehn Quadratkilometer. So sieht es der Plan für die Entwicklung einer energiesparenden und neue Energien nutzenden Automobilindustrie vor. Bis 2015 sollen 6000 Ladestationen entstehen und mehr als 10.000 Elektroautos über Shanghais Straßen rollen. Zurzeit gibt es weniger als zehn private Elektroautos in der Stadt.

Die geringe Zahl der Ladestationen sei einer der Gründe für die langsame Entwicklung und das unbefriedigende Absatzvolumen bei Elektroautos, meint Ye. Bei Planung und Bau von Ladestationen fehlt bislang ein einheitlicher Standard, auch gibt es keine einheitliche Planung und Verteilung in den unterschiedlichen Regionen.

Gäbe es alle fünf Quadratkilometer in Shanghai und Beijing eine Ladestation, wären die Probleme bei der Nutzung von Elektroautos nahezu hinfällig. Gäbe es für Käufer Anreize durch eine leichtere Zulassung oder hohe Zuschüsse, könnte der Umsatz von Elektrofahrzeugen in Beijing und Shanghai 10.000 Stück pro Jahr überschreiten. Berücksichtigt man die Vorreiterrolle beider Städte und die Fördermaßnahmen, die in Städten wie Tianjin und Shenzhen (Provinz Guangdong) geplant sind, könnte sich der Verkauf von Elektrofahrzeugen in China 2014 verdoppeln. Ein schnellerer Aufbau der Ladeinfrastruktur werde das Fundament für einen potenziell riesigen Markt legen, behauptet Ye. Bei Kosten von bei 5 Millionen Yuan pro Ladestation könnte das Marktvolumen seinen Schätzungen zufolge 10 Milliarden Yuan erreichen. Anbieter von zugehöriger Ausrüstung könnten ebenso in großem Ausmaß vom geplanten Ausbau profitieren.

Auslaufende Zuschüsse

Nach Angaben der Stadtverwaltung von Beijing lag das Kontingent für Elektroautos im Februar bei 1666 Stück, aber es gab nur 1428 Anmeldungen. Es scheint, dass viele Leute weiter auf den Kauf eines konventionellen Autos hoffen, auch wenn die Chance für einen Gewinn in der Zulassungslotterie bei unter 1 Prozent liegt.

Die meisten Verbraucher hätten noch Zweifel bei der Entscheidung für ein Elektroauto, so Xu. Abgesehen von den Ladestationen machen ihnen die Sicherheit sowie die Verfügbarkeit und Preise des Kundenservices Sorgen. Diese Probleme lassen sich nicht allein durch Regierungsmaßnahmen lösen, hier sollten die Hersteller eine zentrale Rolle spielen.

Es sei nicht gut für den Elektroautomarkt, von der Regierungspolitik abhängig zu sein, meint Xu. Wenn Verbraucher beim Kauf auf Zuschüsse angewiesen seien, könnte dies die Innovationsbestrebungen der Branche ausbremsen. Daher sollte die Regierung ihre Subventionen zu geeigneter Zeit auslaufen lassen.

Gegenwärtig liegen die Zuschüsse für den Kauf eines Elektrofahrzeugs zwischen 63.000 und 108.000 Yuan, Zuschüsse für Brennstoffzellenautos betragen 360.000 Yuan.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation sollten die Hersteller von Elektrofahrzeugen bei der Einführung neuer Technologien ihre Verkaufsmodelle erneuern, anstatt darauf zu warten, dass Regierungszuschüsse ihre Wirkung tun, ergänzte Xu. So könnten sie beispielsweise den Verkauf von Batterien und kompletten Fahrzeugen trennen, Leasingoptionen für Batterien anbieten, oder als Alternative zu eingebauten herausnehmbare Batterien anbieten. So könne man die meisten aktuellen Probleme der Branche lösen, behauptet er.

Verglichen mit konventionellen Fahrzeugen sind Elektrofahrzeuge ziemlich teuer. Daher sind Regierungszuschüsse in einem Anfangsstadium notwendig, um den Kauf zu fördern. Die Branche sollte sich aber nicht allein darauf verlassen, sie muss vollständig marktorientiert agieren. Es ist nicht sicher, ob Regierungssubventionen beim Aufbau des Markts hilfreich sind und wie lange es dauern wird, einen echten Markt zu etablieren.

Mit wachsender Produktionskapazität und steigenden Umsätzen der Branche werden Produktionskosten deutlich sinken, Elektroautos somit immer günstiger werden. Daher sollten Regierungszuschüsse reduziert und letztendlich zurückgenommen werden, erklärte Ye.

Elektrofahrzeuge in China – einige Zahlen

2013 produzierte China über 17.500 Elektrofahrzeuge, 39,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren 14.243 reine, d.h. batteriebetriebene Elektrofahrzeuge und 3290 Plug-in-Hybride.

Über 17.600 Elektrofahrzeuge wurden verkauft, 37,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon waren 14.604 reine, d.h. batteriebetriebene Elektrofahrzeuge und 3038 Plug-in-Hybride.

Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum produzierte China 22,12 Millionen konventionelle Autos und verkaufte 21,98 Millionen, das sind 14,78 Prozent bzw. 13,8 Prozent mehr als 2012.