05-03-2014
Im Focus
Eine neue Agenda wird formuliert
von Li Li

 

Die Lokalregierungen konzentrieren sich 2014 auf die Bekämpfung der Umweltverschmutzung und die Umwandlung des Wachstums.

 

 

 

In Smog gehüllt: Die dritte Ringstraße in Beijing am 22. Februar.

 

 

Dichter Smog bedeckte ab dem 20. Februar eine ganze Woche lang eine 1,43 Millionen Quadratkilometer große Fläche in Nord- und Ostchina, ein Gebiet mehr als zweimal so groß wie Frankreich. 

Beijing und Teile der Nachbarprovinz Hebei waren am stärksten betroffen. Am 25. Februar lagen die PM2.5-Feinstaubwerte an mehreren Messpunkten Beijings bei über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter, 12 Mal höher als der von der WHO empfohlene Grenzwert.

In der Hauptstadt wurde der Pausenport für Schüler in die Klassenzimmer verlegt, Krankenhäuser verzeichneten einen Ansturm von Patienten mit Atemproblemen, Emphysemen oder Asthma.

Beijing und andere stark betroffene Städte aktivierten daraufhin ihre Smog-Notfallpläne. Umweltverschmutzende Unternehmen wurden geschlossen oder ihr Betrieb vorübergehend ausgesetzt, Bauarbeiten gestoppt und die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen begrenzt.

Einer gemeinsamen Studie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und der China Meteorological Administration zufolge gab es in China in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 im Durchschnitt 29,9 Tage mit Smogwetter, die längste Phase seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der Bericht, herausgegeben im November 2013, verzeichnet auch einen beachtlichen Anstieg von Smogtagen im Osten des Landes, vor allem im Yangtse- und Perlfluss-Delta.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die „Bekämpfung des Smogwetters" 2014 in den meisten Arbeitsplänen der Provinzregierungen Priorität hat. Die Pläne wurden von den regionalen Volkskongressen bei den jährlichen Sitzungen im Januar und Anfang Februar verabschiedet.

 

Kampf gegen den Smog

Unter dem Druck des öffentlichen Protests gegen die gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung haben viele Lokalregierungen Maßnahmen zur Smogreduzierung ganz nach oben auf ihre Arbeitsberichte gesetzt. Von insgesamt 31 Provinzen, Städten und Autonomen Gebieten auf dem Festland Chinas nennen 29 die Reduzierung der Luftverschmutzung und 15 eine Reduzierung von Smogwetterlagen sowie die Überwachung der PM2.5-Werte. 2013 erwähnten nur acht Provinzen und Stadtverwaltungen Smogwetter und PM2.5 in ihren Arbeitsberichten.

Beijing hat versprochen, den Kohleverbrauch 2014 um 2,6 Millionen Tonnen zu senken und 300 umweltverschmutzende Unternehmen zu schließen. Shanghai schlug vor, die Luftverschmutzung zusammen mit anderen Provinzen am Yangtse-Delta zu bekämpfen. Der Ansatz, die Luftverschmutzung regionenübergreifend anzugehen, taucht auch in Arbeitsberichten der Provinzregierungen von Guangdong, Hebei, Shanghai, Shanxi und Sichuan auf.

Jeden Monat gibt das Ministerium für Umweltschutz ein Ranking zur Luftqualität in mehr als 74 chinesischen Städten heraus. Städte in Hebei belegten 2013 darin konstant mindestens die Hälfte der Top-Ten-Positionen der Orte mit der schlechtesten Luft. Hebei produziert mehr als ein Viertel des gesamten chinesischen Stahls. Im Oktober 2013 kündigte der Staatsrat an, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Stahlproduktion um 80 Millionen Tonnen zu senken, 60 Millionen Tonnen davon stammen aus Hebei.

Die Provinzregierung von Hebei hat im Kampf gegen die Luftverschmutzung ein striktes Verbot der Produktion von Stahl, Beton und Glass verhängt. „Wird die Produktionskapazität in diesen Branchen nur um eine Tonne erhöht, werden die Chefs der Provinzregierung und der Partei unverzüglich ihrer Positionen enthoben", heißt es in einem Arbeitsbericht der Regierung.

Es ist damit zu rechnen, dass die Bemühungen der Lokalregierungen auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben werden. Das Smogwetter sei eng verknüpft mit einem extensiven Wachstum, Umweltschutz bedeute mehr Input in technologischen Fortschritt und neue Produktionsgeräte, die Energieeinsparungen und niedrige Emissionen fördern, so Sun Junwei, Analyst für Makroökonomie bei der HSBC in Beijing.

Investitionen in den Umweltschutz könnten das BPI erhöhen, neue Jobs schaffen und zu einem neuen Wachstumsmotor werden, glaubt Zheng Xinli, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des China Center for International Economic Exchanges.

 

Fein abgestimmte Wachstumsmotoren

Ein Blick auf die jährlichen Entwicklungsziele zeigt, dass von allen 31 Provinzregionen Chinas nur Guangdong für 2014 eine höhere BPI-Wachstumsquote anpeilt. Die Provinz, bekannt als Produktionszentrum für den Export, erhöhte ihre Wachstumsprognose von 8 Prozent im Jahr 2013 auf 8,5 Prozent. Die Küstenprovinz hatte allerdings die Wachstumsprognosen für 2012 und 2013 in ihren Arbeitsberichten gesenkt.

Andere Provinzregierungen favorisieren entweder den Erhalt des gegenwärtigen Wachstums oder prognostizieren eine Konjunkturabschwächung. Am pessimistischsten ist die Provinz Jilin, die dortige Regierung peilt für 2014 ein BPI-Wachstum von 8 Prozent an, eine starke Abschwächung im Vergleich zu den zwölf Prozent von 2013.

Viele Lokalregierungen haben dennoch ihre Investitionen in Programme zur Verbesserung des Lebensstandards erhöht, versprechen gleichzeitig die Ausgaben für offizielle Geschäftsessen, offizielle Auslandsreisen und den Kauf von Dienstwagen zu reduzieren. 

Die Provinzregierung von Sichuan sieht für dieses Jahr ein Budget von 16,6 Milliarden Yuan für Bildungszwecke vor, 11 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Stadtregierung von Tianjin verkündete, die Pro-Kopf-Zuschüsse für die von der Regierung angebotene Krankenversicherung von 420 auf 520 Yuan in diesem Jahr anzuheben. Versicherte werden so einen kleineren Anteil der Krankenhausrechnungen selber zahlen, und die Versicherung deckt einen größeren Teil der Kosten für Krankenhausaufenthalte.

In der südlichsten Inselprovinz Hainan versprach Gouverneur Jiang Dingzhi für 2014 die Einführung von zehn Programmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen, darunter ein entwicklungsorientiertes Projekt zur Armutsreduzierung in 60 Dörfern und den bezuschussten Bau von 35.000 Wohnungen für mittellose Stadtbewohner. 

Beijing initiierte zu Beginn des Jahres ein neues Programm, bei dem Regierung und Bürger sich den Besitz einer Wohnung teilen. Damit soll Familien mit mittlerem Einkommen beim Hauskauf geholfen werden. Besitzt jemand beispielsweise Ersparnisse von 1 oder 2 Millionen Yuan, der Hauspreis liegt aber bei 3 Millionen, kann die Differenz durch das gemeinschaftliche Eigentum aufgebracht werden.

DasUigurische Autonome Gebiet Xinjiang hat versprochen, 2014 den Bau regierungsbezuschusster Wohnungen für 300.000 Familien vom Land und von bezuschussten Siedlungen für 30.000 Viehzüchterfamilien abzuschließen.

 

Beschleunigung der Reform

Nach einem Bericht der People's Daily tauchte in den Arbeitsberichten aller 31 Provinzregierungen der Begriff „Reform" 1438 Mal auf, das sind im Schnitt 46 Nennungen pro Bericht.

Bei der 3. Plenarsitzung des 18. ZK der KP Chinas im vergangenen November wurde der Beschluss über die umfassende Vertiefung der Reformen angenommen. Die zentrale Leitungsgruppe für die umfassende Reform, mit Untergruppen für Reformen in den sechs Bereichen ökonomische Struktur, ökologischer Fortschritt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, kulturelles und soziales System, System des Parteiaufbaus und Disziplinkontrolle, kam am 22. Januar zu ihrem ersten Treffen zusammen. In einer Rede forderte Staatspräsident Xi Lösungen, die der Schwierigkeit, Komplexität und Dringlichkeit der Reformen angemessen seien, da immer mehr Interessengruppen vom Fortschreiten der Reformen betroffen sein werden.

Bis zum 21. Februar hatten mindestens 28 Regierungen auf Provinzebene offiziell ähnliche Leitungsgruppen mit ähnlichen Untergruppen gebildet.

In Zhejiang konzentriertesich die Provinzregierung seit der zweiten Jahreshälfte 2013 auf die Reduzierung verwaltungstechnischer Prüfungen und Bewilligungsverfahren. Sie reduzierte die Anzahl der verwaltungstechnischen Bewilligungsverfahren um fast 40 Prozent und kürzte weitere Kontroll- und Genehmigungsverfahren um 83 Prozent. Der Arbeitsbericht der Provinzregierung verspricht für das weitere Jahr 2014 eine Fortführung der Reformen in diesem Bereich.

Die Provinzregierung von Hebei verspricht in ihrem Arbeitsbericht, das Marktumfeld für den Privatsektor zu verbessern, es sollen Investitionshemmnisse beseitigt und Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur, in Grundstoffindustrien und  Versorgungsunternehmen erleichtert werden. „Investitionen sind in jedem Sektor willkommen, in dem es keine Vorschriften gegen private Investitionen gibt", hieß es.

Die Reformmaßnahmen in Tianjin ermutigen Privatunternehmen, an der Restrukturierung staatlicher Firmen zu partizipieren, private Unternehmen erhalten dafür Finanz- und Steueranreize, auch eine Reform des Unternehmensmeldesystems gehört zum Programm.

Ähnliche Schritte wurden auch in anderen Regionen des Landes unternommen.