28-02-2014
Im Focus
Lenovo will hoch hinaus
von Zhou Xiaoyan

 

Das chinesische IT-Unternehmen ist dabei, Apple und Samsung herauszufordern

 

 

 

Teste mich: Smartphones von Lenovo bei der PT/EXPO COMM China 2013 am 25. September 2013 in Beijing (CFP)

 

In seinem zweiminütigen Super-Bowl-Werbespot präsentiert Bob Dylan folgenden Rat für Verbraucher: „Lasst Deutschland Bier brauen, lasst die Schweiz Uhren machen und Asien eure Telefone zusammenbauen."

Chinesische IT-Unternehmen sind ohne Zweifel mehr als bereit, dieser Bitte zu entsprechen, sie expandieren weltweit aggressiver als zuvor.

Die Lenovo Group Ltd., ein chinesischer IT-Konzern und weltgrößter Computerhersteller, macht mit der Ankündigung von zwei riskanten Übernahmen im Ausland seit Wochen international Schlagzeilen.

Am 30. Januar meldete das Unternehmen, dass es die Handysparte von Motorola für 2,91 Milliarden Dollar kaufen wolle, die größte Auslandsübernahme eines chinesischen Technologie-Unternehmens überhaupt.

Nur eine Woche zuvor hatte Lenovo verkündet, für 2,3 Milliarden Dollar das IBM-Servergeschäft zu übernehmen. Beide Übernahmen müssen noch von den US-Regulierungsbehörden bewilligt werden.

Im Herbst 2013 überholte Lenovo Hewlett-Packard und ist seitdem der weltgrößte PC-Anbieter der Welt. Auf dieser Spitzenposition kann sich Lenovo allerdings kaum ausruhen.

Wegen sinkender Marktnachfrage und abnehmender Profitabilität der Computerbranche kämpft das Unternehmen darum, seinen Geschäftsbereich zu diversifizieren. Auf der Suche nach neuen Wachstumsquellen für das kommende Jahrzehnt wendet es sich lukrativeren Sektoren zu.

Das Unternehmen baue zwei Wachstumspfeiler für das kommende Jahrzehnt auf, zum einen Smartphones und Tablet-PCs, zum anderen Unternehmensprodukte wie Server und Speichermedien, erklärte Yang Yuanqing, Vorsitzender und Geschäftsführer von Lenovo.

Lenovos Smartphone-Geschäft wächst schnell, das Unternehmen ist der zweitgrößte Smartphone-Anbieter in China, nur noch übertroffen von Samsung.

2013 wurde Lenovo der fünftgrößte Smartphone-Anbieter mit einem Marktanteil von 4,5 Prozent, so das Marktforschungsunternehmen IDC. Seine globale Präsenz ist aber verglichen mit den 31,3 Prozent von Samsung und Apples Marktanteil von 15,3 Prozent immer noch winzig. Außerdem hat Lenovo bislang keine Smartphones in Nordamerika oder Westeuropa herausgebracht.

„Das Motorola-Geschäft wird uns auf jeden Fall einen Zugang zum US-Markt und ein globales Profil verschaffen", erklärte Yang.

„Lenovos nächstes Ziel ist es, Samsung und Apple herauszufordern, die beide einen ziemlichen Vorsprung beim Verkauf intelligenter PCs, einschließlich konventioneller Computer, Tablet-PCs und Smartphones haben", so Yang.

Lenovo stellte nach dem Motorola-Deal sehr wahrscheinlich auch eine Bedrohung für Samsung und Apple dar, meint Li Zhipeng, stellvertretender Direktor des Instituts für Auslandsinvestitionen an der Chinesischen Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit.

„Die Geschichte ist voll von solchen Kehrtwendungen. So haben es beispielsweise  die Telekommunikations-Unternehmen ZTE und Huawei geschafft, einflussreiche Unternehmen wie Ericsson und Alcatel-Lucent zu übernehmen", erklärte Li gegenüber der Beijing Review.

„Das Zentrum für die High-End-Produktion hat sich von Nordamerika in andere Regionen verlagert, darunter Japan, Südkorea und China. Es ist kein bisschen verwunderlich, dass ein chinesischer High-End-Hersteller eine Bedrohung für ehemals führende Unternehmen darstellt."

 

Eine langfristige Strategie?

Der Aktienpreis von Lenovo fiel nach der Ankündigung des Motorola-Deals, Investoren und Analysten waren zunehmend besorgt, dass sich Lenovo zuviel vorgenommen hatte.

Positiver reagierten die Investoren, als Lenovo den IBM-Server-Deal ankündigte. Dieses Mal stiegen die Aktien.

Der Erwerb von Motorola sei der richtige Weg, werde aber für viele Jahre negative Auswirkungen auf die Einnahmen haben, schrieb Ken Hui, Analyst bei Jefferies in einer Mitteilung für Investoren.  Er schraubte die Aktien-Bewertung von „Halten" auf „Unterdurchschnittlich" herunter. 

„Ohne seine Ausgaben zu reduzieren, muss Motorola seine Umsätze verdoppeln, um den Break Even zu erreichen, eine große Herausforderung", so Hui.

Sun Yongjie, IT-Kommentator in China, zweifelt an Lenovos Entscheidung, Motorola zu übernehmen. Nur zwei Jahre vorher war das Unternehmen von Google aufgekauft worden, nun werde es auf Lenovo abgewälzt, nachdem Google bei der Umkrempelung gescheitert war.

„Der Wert des Unternehmens ist in den letzten Jahren stark gesunken. Es verliert schnell an Profil, selbst auf dem US-Markt. Sein Anteil am Weltmarkt von weniger als einem Prozent zeigt, dass seine Zusammenarbeit mit Telekommunikationsunternehmen nutzlos ist."

„Es ist schwer zu sagen, wie die schwächelnde Marke Motorola bei Lenovos Expansion im Ausland helfen kann. Zwei sehr verschiedene Produktlinien zusammenzubringen und zu verhindern, dass das Verluste machende Motorola die jetzt schon schwache Smartphone-Sparte von Lenovo nach unten zieht, wird für Lenovo ein Problem sein."

 

Herausforderungen annehmen

Am 13. Februar meldete Lenovo steigende Quartalsgewinne, sie kletterten wegen starker Smartphone-Verkäufe um 30 Prozent auf ein Rekordhoch.

Das Unternehmen machte nach eigenen Angaben im letzten Quartal Gewinne von 265 Millionen Dollar. Die Umsätze von Smartphones und anderen mobilen Geräten stiegen ähnlich schnell um 73 Prozent auf 1,7 Milliarden Dollar. Das Unternehmen rechnet eigenen Angaben zufolge damit, dass die Mobiltechnologie in den nächsten Jahren den Großteil seiner Umsätze ausmachen wird.

Geschäftsführer Yang gibt zu, dass das Motorola-Geschäft kurzfristig negative Auswirkungen auf Lenovos Gewinne haben könnte, die Übernahme sei aber langfristig positiv für die Aktionäre.

Durch das Motorola-Geschäft profitiere Lenovo von fünf Vermögenswerten, dem Unternehmen, mehr als 2000 Patenten, der Technologie, einer Produktlinie und einem besseren Zugang zu Schlüsselmärkten wie den USA.

In den letzten fünf Jahren zeigte sich Lenovo in der Lage, Einnahmen zu erhöhen und Gewinne auch dann zu erzielen, wenn die meisten traditionellen PC-Hersteller sinkende Umsätze verzeichneten. Lenovo kaufte 2005 die Verlust machende PC-Sparte von IBM und machte sie zu einem größeren, profitableren Unternehmen. Das Unternehmen konnte seinen Erfolg bislang auf seine rücksichtslose Fähigkeit zur Kostensenkung aufbauen.

„Wir haben bereits Bereiche gefunden, in denen wir sparen können. Durch die Zusammenlegung von Lenovo und Motorola können wir bei der Materialbeschaffung und Lieferketten signifikant Kosten senken. Es wird wahrscheinlich einige Quartale dauern, Motorola wieder auf Kurs zu bringen. Aber ich bin ganz sicher, dass wir mit der Zeit ein profitables Geschäft haben werden", erklärte Yang in einem Interview mit dem Wall Street Journal.

Die beiden Übernahmen innerhalb einer Woche seien vor dem Hintergrund der immer rasanteren chinesischen Auslandsinvestitionen keinesfalls als abrupt zu bezeichnen, erklärte Li, stellvertretender Direktor des Instituts für Auslandsinvestitionen an der Chinesischen Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit.

2013 erreichten Chinas Auslandsinvestitionen im Nicht-Finanz-Sektor 90,2 Milliarden Dollar, 16,8 Prozent mehr als 2012.

Für den Großteil der Auslandsinvestitionen war der produzierende Sektor verantwortlich. Für heimische Hersteller sei es eine gute Methode, wertvolle Anlagegüter in den Industrieländern zu erwerben, um sich zu verbessern und ihr Geschäft zu verändern, so Li.

„Die IBM-Übernahme und erfolgreiche Eingliederung ins Unternehmen sind eine gute Erfahrung, auf der Lenovo beim Motorola-Deal aufbauen kann. Zudem hat sich Lenovo von einer rein chinesischen zu einer ausgereiften internationalen Firma entwickelt. Traditionellerweise haben chinesische Unternehmen Abteilungen für Auslandsgeschäfte. Lenovo hat jedoch Unternehmenszentren eingerichtet, die auf verschiedene Business-Typen ausgerichtet sind."

Lenovo verfüge über das nötige Wissen und die Erfahrung in der Geschäftszusammenlegung nach großen Übernahmen, so Yang.

„Durch die Zusammenlegungen nach vorhergegangenen Fusionen und Übernahmen hat Lenovo beeindruckende Fortschritte im PC-Bereich gemacht, trotz eines weltweit schwachen Computermarktes. Die Gewinnspanne wurde nicht gefährdet", so Yang.

2015 will Lenovo mehr als 100 Millionen Smartphones verkaufen. Motorola soll dabei als Sprungbrett in Nord- und Südamerika dienen.

Nach der Motorola-Übernahme liege Lenovo nun auf Platz drei beim Smartphone-Absatz, so Yang.