Liu Jiangyong (stellvertretender Direktor des Instituts für Moderne Internationale Beziehungen an der Tsinghua-Universität):
Nach der Kapitulation vor den alliierten Streitkräften im Jahr 1945 schlug Japan einen friedlichen Entwicklungsweg ein und akzeptierte die internationale Nachkriegsordnung, die von der Kairoer und der Potsdamer Erklärung vorgegeben wurde, und verhielt sich seiner pazifistischen Verfassung gemäß.
Später haben rechtsgerichtete Kräfte jedoch versucht, die internationale Ordnung zu verändern und die militärischen Beschränkungen abzuschaffen, die Japan durch seine Verfassung auferlegt wurden. Diese rechtsgerichtete Tendenz in der Politik ist seit Dezember 2012 immer offensichtlicher, als Abe zum zweiten Mal als Premierminister vereidigt wurde.
Am 26. Juli 1945 veröffentlichten China, die USA und Großbritannien gemeinsam die Potsdamer Erklärung, die später von der ehemaligen Sowjetunion ratifiziert wurde und Japan zur bedingungslosen Kapitulation zwang. Der japanische Kaiser Hirohito akzeptierte die Erklärung am 14. August und das Land ergab sich am folgenden Tag bedingungslos den Allliierten.
In der Kapitulationsurkunde, die am 2. September 1945 unterzeichnet wurde, erklärte Japan: „Der japanische Kaiser, die Regierung und ihre Nachfolger werden die Vorschriften der Potsdamer Erklärung akzeptieren."
In der Potsdamer Erklärung hieß es, dass die Kräfte, die das japanische Volk dazu verleiten hatten zu glauben, die Welt zu erobern, für immer beseitigt werden und Japans Kriegsverbrecher bestraft werden müssten. Japan ist rechtlich daran gebunden, der internationalen Nachkriegsordnung zu folgen, die sich aus der Potsdamer Erklärung heraus entwickelte.
In einer gemeinsamen chinesisch-japanischen Stellungnahme, die 1972 unterzeichnet wurde, erklärte Japans Regierung: „Der japanische Staat ist sich der Verantwortung für den beträchtlichen Schaden, der den Chinesen durch den Krieg entstand, sehr bewusst und bringt hiermit sein tiefes Nachdenken darüber zum Ausdruck."
In einer 1998 unterzeichneten gemeinsamen Stellungnahme mit China akzeptierte die japanische Regierung, „vergisst man nicht die Erfahrung von gestern, dann ist sie eine Lehre für morgen. Dies sei eine wichtige Grundlage für die chinesisch-japanischen Beziehungen."
In den vergangenen Jahren haben viele japanische Politiker gegen diese feierlichen Zusagen verstoßen. Die Besuche Abes und anderer Politiker am Yasakuni-Schrein sowie ihre Verleugnung der Kriegsverbrecherurteile der Tokioter Prozesse laufen der Potsdamer Erklärung zuwider und verstoßen gegen Japans Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Sie sind ebenso ein Bruch des japanischen Prinzips, Politik und Religion zu trennen.
Wie hätte die internationale Gemeinschaft reagiert, wenn Deutschlands Nachkriegspolitiker die Gültigkeit der Nürnberger Prozesse verleugnet und Adolf Hitler ihre Ehrerbietung erwiesen hätten? Sicher mit Empörung und Abscheu.
Die Potsdamer Erklärung ist hinsichtlich des japanischen Nachkriegsterritoriums unmissverständlich. Artikel 8 der Erklärung fordert, dass „die Bestimmungen der Kairoer Erklärung umgesetzt und die japanische Souveränität auf die Inseln Honshu, Hokkaido, Kyushu, Shikoku und kleine, noch näher zu bestimmende Inseln, beschränkt ist." In der Kairoer Erklärung, von den USA, Großbritannien und China am 1. Dezember 1943 gemeinsam herausgegeben, heißt es: „Japan muss die Gebiete, die es von China gestohlen hat, zurückgeben. Dazu zählen die Mandschurei, Taiwan und die Peng-hu-Inseln." Die Diaoyu-Inseln, die Japan als Territorium für sich beansprucht, waren zu der Zeit ein Teil Taiwans, das ein integraler Bestandteil Chinas ist.
In der chinesisch-japanischen Erklärung von 1972 bekräftigte China seine Haltung, dass Taiwan untrennbarer zu seinem Territorium gehöre. Japan erklärte sein volles Verständnis für die Haltung der chinesischen Regierung, und dass es Artikel 8 der Potsdamer Erklärung nachkommen werde.
Im Oktober 1973 erklärte der damalige Außen – und spätere Premierminister Ohira Masayoshi vor dem japanischen Parlament, dass Japan an die Kairoer und Potsdamer Erklärung gebunden sei und die Diaoyu-Inseln an China zurückgeben sollte. Dies sollte die unabänderliche Position der japanischen Regierung sein.
In Artikel 98 der japanischen Verfassung heißt es, dass die Verfassung oberstes nationales Recht sei und alle Gesetze, Vorschriften, Mandats und entsprechende Regierungshandlungen, die dagegen verstoßen, ungültig seien. Weiter heißt es, dass Japan allen Verträgen, die es unterzeichnet hat, sowie etablierten internationalen Gesetzen und Vorschriften Folge leisten werde. Sowohl nach nationalem als auch internationalem Recht muss Japan folglich die Diaoyu-Inseln an China zurückgeben, jedes politische Vorgehen sowie Maßnahmen, die gegen die Verfassung verstoßen, sollten als null und nichtig betrachtet werden.
Nach dem chinesisch-japanischen Krieg (1894-1895) zwang Japan die Qing-Dynastie (1644-1911), den ungleichen Vertrag von Shimonoseki zu unterzeichnen. Damit annektierte es Taiwan und die dazugehörigen Inseln. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann Japan seine Kontrolle über die Inseln zurück, indem es aus Taiwans Abtrennung von Chinas Festland und der amerikanischen Treuhandverwaltung der Ryukyu-Inseln Profit zog, wogegen China sich vehement wehrte. China und Japan entschieden sich jedoch in den 1970er Jahren, den Streit um die Diaoyu-Inseln ruhen zu lassen, um die bilateralen Beziehungen zu normalisieren und unterzeichneten einen Freundschaftsvertrag.
Heute erkennt die japanische Regierung weder den Territorialstreit, noch die einmal mit China getroffene Vereinbarung, den Streit über die Inseln ruhen zu lassen, an und verweigert daher zu diesem Thema den Dialog mit China.
Die Regierung des ehemaligen Premierministers Yoshihiko Noda sorgte durch die „Nationalisierung" einiger der Diaoyu-Inseln für erhöhte Spannungen zwischen China und Japan. Zurzeit verstärkt die Abe-Regierung ihre Verteidigungskräfte und versucht, die USA in den Streit mit China hineinzuziehen.
Um mit Abes Plänen aufzuräumen, sollte die internationale Gemeinschaft Japan zwingen, der internationalen Nachkriegsordnung nachzukommen, wie sie von der Kairoer und Potsdamer Erklärung definiert wurde.
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