24-02-2014
Im Focus
Geschichtsunterricht für Abe

Bu Ping (Wissenschaftler am Institut für Moderne Geschichte an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften):

Trotz Abes elender Verleugnung der historischen Wahrheit und Beweise ist Japan immer noch verantwortlich für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Japans Kriegsverbrechen stehen außer Frage. Während der Tokioter Prozesse wurden wichtige politische und militärische Führer in 55  Fällen der „Verbrechen gegen den Frieden", der „Kriegsverbrechen" und der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" beschuldigt. Darunter waren Spitzenpolitiker, die die Taten geplant und organisiert hatten und die am Ende der schlimmsten Kategorie der Kriegsverbrechen angeklagt wurden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand der ehemalige Premierminister Nobusuke Kishi in vorderster Front der Förderer des Revisionismus und widmete sieben Kriegsverbrechern, die im Anschluss an die Tokioter Prozesse hingerichtet worden waren, einen Grabstein und ehrte sie als „Patrioten, die für ihr Land starben." Abe stammt aus der Kishi-Familie und trat in die Fußstapfen seines Großvaters. Er geht den revisionistischen Weg noch weiter und behauptet, dass es sich bei den Tokioter Prozessen lediglich um „Siegerjustiz" gehandelt habe und die japanischen Kriegsführer, die der schlimmsten Kriegsverbrechen beschuldigt wurden, „nach  japanischem Gesetz keine Verbrecher" seien.

Die Wahrheit ist, dass es nicht einmal ausreichen würde, wenn Abe die Urteile der Tokioter Prozesse anerkennen würde, da sich die meisten gerichtlichen Auseinandersetzungen auf Anklagen wegen Verbrechen gegen den Frieden konzentrierten. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit machten einen weniger prominenten Teil des Verfahrens aus.

Die allgemeine Definition von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" schließt jedoch Mord, Vernichtung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Handlungen gegen die Zivilbevölkerung sowie die Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen mit ein, egal, ob sie gegen die Gesetze des Landes, in dem sie verübt wurden, verstoßen oder nicht. Jeder, der eine Rolle bei der Planung und Organisation spielte oder zu den zuvor genannten Taten anstiftete, sollte zur Verantwortung gezogen werden.

In diesem Sinne sind Japans Verpflichtung von Zwangsarbeitern und die Zwangsrekrutierung von – um den euphemistischen Begriff zu verwenden – Trostfrauen, vor allem die Frauen und Mädchen, die dem japanischen Militär während des zweiten Weltkriegs sexuell zu Diensten sein mussten, sowie seine illegale Verwendung chemischer und biologischer Waffen allesamt Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in den Nachkriegsprozessen übersehen wurden und heute neu untersucht werden sollten.

Das Thema der Zwangsprostitution wurde vor der UN erstmals 1992 von einer Bürgerinitiative zur Sprache gebracht. Eine Sonderberichterstatterin wurde mit der Überprüfung der Fakten beauftragt. In ihrem Schlussbericht von 1998 stellte die Sonderermittlerin Gay J. McDougell fest: „Die japanische Regierung ist verantwortlich für schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, Verstöße, die in ihrer Gesamtheit Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Die gegenteilige Argumentation der japanischen Regierung, einschließlich der Begründungen, die ein Verbot von Versklavung und Vergewaltigung durch das humanitäre Völkerrecht in Frage stellen, ist heute so wie damals, als sie vor mehr als 50 Jahren vor dem Kriegsverbrechertribunal von Nürnberg erstmals benutzt wurde, nicht überzeugend."

Trotz aller Beweise, einschließlich Zeugenaussagen aus erster Hand und der Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft, erklärte Abe bei seinem ersten Amtsantritt 2006 öffentlich, dass es „keine Beweise" für die Zwangsprostitution gebe. Während seiner aktuellen zweiten Amtszeit erklärte er, dass er die Stellungnahme von Kono aus dem Jahr 1993 überprüfen wolle, in der Bedauern über das Schicksal der ehemaligen „Trostfrauen" zum Ausdruck gebracht wurde. 

Abe ist sicherlich nicht zurückhaltend, wenn es darum geht, seine revisionistische Ader zu zeigen, aber seine besorgniserregende Rhetorik, die Japans Verbrechen gegen die Menschlichkeit und seine Verantwortung verleugnet, seine unerlässlichen Bemühungen, die Verfassung schrittweise zu revidieren und Japan wiederzubewaffnen, haben das Land in einen Abgrund der Schande gerissen. Auch besteht eine echte Gefahr für die internationale Gemeinschaft, da Japans selbstbewusster wird, denn Abe spiegelt in Worten und Taten die Politiker aus Kriegszeiten und aus dem militaristischen Japan wider.

In diesem Jahr hat Abe bereits Indien, den Mittleren Osten und Afrika als Teil seiner diplomatischen Strategie besucht. Das mag mehr Geschäfte in Aussicht stellen, doch hat er dadurch weder mehr Sympathie gewonnen, noch den Imageschaden in der internationalen Gemeinschaft repariert, den er mit seiner Wahrheitsverleugnung angerichtet hat. Das wird erst möglich sein, wenn er aufrichtig bereut.

 

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