24-02-2014
Im Focus
Geschichtsunterricht für Abe

 

Drei führende chinesische Wissenschaftler haben vor kurzem in der englischsprachigen chinesischen Zeitung „China Daily" ihre Meinungen zum Schreinbesuch des japanischen Premierministers Shinzo Abe veröffentlicht. Sie sind der Ansicht, dass Japans Ministerpräsident nicht in der Lage ist, der Geschichte ehrlich entgegenzutreten und drängen die japanische Regierung dazu, die Vergangenheit zu würdigen und ihre Versprechen einzulösen. Sie soll sich dem internationalen Urteil stellen und die Konsequenzen mit Mut und Würde tragen. Editierte Ausschnitte aus ihren Artikeln lauten wie folgt:

 

 

Bittere Erinnerungen: Mei Shoulan (vorne) ist eine Überlebende des Nanjing-Massakers während der japanischen Invasion, bei dem mehr als 300.000 Chinesen ermordet wurden. Vor der „Mauer der Opfer" in der Provinz Jiangsu, auf der die Namen der Opfer des Nanjing-Massakers aufgelistet sind, hält sie am 13. Dezember 2013 Blumen in der Hand.

 

 

Gao Hong (wissenschaftlicher Mitarbeiter des Japan-Instituts an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften):

Sich in einem Flugzeug ablichten zu lassen, das mit der Nummer „731" geschmückt ist, der Nummer der berüchtigten Chemie- und Biowaffen-Einsatztruppe, bis hin zu „Lang lebe der Kaiser"-Rufen, die in der Regel von japanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg geäußert wurden – Shinzo Abe hat seine Anerkennung und Wertschätzung für die militärische Vergangenheit Japans und seine unnachgiebige Haltung hinsichtlich territorialer Dispute mit den Nachbarländern mehr als deutlich zur Schau gestellt.

Wieso hat Abe die internationale und nationale Opposition ignoriert und darauf bestanden, die Kriegsverbrecher der Klasse A, der im Yasukuni-Schrein gedacht wird, zu würdigen?

Ein erster Grund ist sicher die Interaktion des Politikers mit seinen Anhängern, die über falsche Ansichten zur Geschichte verfügen, was die Rechtsausrichtung der japanischen Politiker bestätigt. Die Verleugnung der  historischen Tatsachen, vor allem, was die Bedeutung des Yasukuni-Schreins und die „Trostfrauen" angeht, sowie die Revision der Geschichtsbücher – ein Versuch, die militärische Vergangenheit Japans zu verherrlichen – und der Verstoß gegen das Urteil der Tokioter Prozesse (1946-48) sind allesamt Beweis genug für die rechtsextremistische Stimmung in Japan.

Ein zweiter Grund wäre Abes Absicht, unter der Fahne des „Patriotismus" durch extremen Nationalismus die eigene Administration und Position zu stärken. Von allen Formen des Nationalismus hat der „territoriale Nationalismus" den stärksten Einfluss auf das Gemeinschaftsgefühl der Bevölkerung, vor allem in Japan, einem Land, das von Natur aus mit wenigen natürlichen Ressourcen ausgestattet ist. Japans territoriale Streitigkeiten mit seinen Nachbarländern haben nicht nur seinen Beziehungen zu China, Südkorea und Russland geschadet, sondern auch nationalistische Gefühle in vielen Japanern entfacht, die China, Südkorea und Russland als ihre Feinde ansehen. Das Resultat: Eine Theorie der „Yamato-Überlegenheit" ist nun unter der Flagge des Patriotismus entstanden.

Ein dritter Grund wäre Abes Absicht, durch „aktiven Pazifismus" den Weg der friedlichen Entwicklung, der nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlagen wurde, zu ändern. Der sogenannte „aktive Pazifismus" ist nichts weiter als ein Versuch, die militärischen Einschränkungen und Zwänge, die dem Land nach dem Krieg durch die pazifistische Verfassung auferlegt wurde, abzulegen. Es ist der Wunsch, Japan als militärische Großmacht aufleben zu lassen, der Abe dazu antreibt, China als eine  Bedrohung darzustellen.

Aus diesen Gründen sollten China, Südkorea und andere Länder, die einst durch die brutalen Hände der Japaner großes Leid erdulden mussten, sich zusammenschließen, um durch regelmäßige Kommunikation den Frieden in dieser Region zu wahren.

Doch die ostasiatischen Länder, die sich darum bemühen, Frieden und Stabilität zu fördern, können nicht auf die Unterstützung der Japaner hoffen, da nach Abes Ansicht die Geschichte nichts mit Konzepten wie „richtig oder falsch", „gut oder böse" zu tun hat. Er ging sogar soweit, die vergangenen Aggressionskriege als solche zu verleugnen und forderte eine erneute Definition des Begriffes „Aggression" durch die internationale Gemeinschaft u.a..

Durch die absichtliche Verzerrung von „richtig und falsch" versuchen Abe und seine Anhänger die Geschichte Japans zu verfälschen, die vergangenen Aggressionskriege zu verherrlichen und die pazifistische Verfassung zu modifizieren. Ihr ultimatives Ziel ist es, Japan wieder in eine militärische Supermacht zu verwandeln. Was Abe versucht zu tun, ist nicht nur eine Bedrohung für ostasiatische Länder, sondern letztendlich auch eine Gefahr für die gesamte internationale Gemeinschaft.

Lasst uns wieder auf die Kardinalsfragen über historische „Korrektheit und Fehltritte" zu sprechen kommen: Denn nur wenn ein Land seiner Geschichte ehrlich ins Gesicht blicken und die Vergangenheit richtig deuten kann, ist es dazu imstande, die richtige Zukunft anzuvisieren. Gibt es in einer zivilisierten Gesellschaft einen einheitlichen Standard für „Aggression und Widerstand"? Die Antwort darauf wäre ein klares „Ja", sowohl für alle Länder als auch für alle Individuen – außer für Abe und seine Befürworter. Ohne eine grundlegende Übereinkunft, was richtig und falsch ist, sind Begriffe wie Gerechtigkeit, Menschenrechte, Freiheit und Demokratie nur leere Worte. Wenn Abe und seine Regierung sich weigern, ihr Verhalten zu ändern, werden die ostasiatischen Länder und die ganze Welt darunter leidern. Auf lange Sicht werden Abes Entscheidungen jedoch nicht die friedliche Entwicklung Chinas stören, oder die globalen Schritte zur Erhaltung von Frieden und Wohlstand stoppen können.  

 

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