Der erfolgreiche Start der GSLV-MK2 ist ein Meilenstein für Indiens Raketenprogramm
Mit voller Kraft ins All: Am 5. Januar schickte Indien vom Satish Dhawan Space Center in Sriharikota, Andhra Pradesh, einen Kommunikationssatelliten auf einer GSLV-MK2-Trägerrakete erfolgreich ins All.
Indien ist nach den USA, Russland, Europa, Japan und China die sechste Raumfahrtmacht, die die kryogene Antriebstechnik beherrscht. Um 16.18 Uhr örtlicher Zeit startete am 5. Januar vom Satish Dhawan Space Center der indischen Raumfahrtbehörde (ISRO) in der Küstenstadt Sriharikota die Trägerrakete GSLV-(Geosynchronous Satellite Launch Vehicle)-MK2 ins All. Siebzehn Minuten später setzte sie einen Satelliten erfolgreich in seine Umlaufbahn.
Es war bereits der zweite Start der Rakete. Im April 2010 war der erste Versuch gescheitert, weil die kryogene Oberstufe, eine eigenständige Entwicklung des Landes, nicht funktionierte. Rakete und Satellit wurden bei einer Explosion zerstört und stürzten in den Indischen Ozean.
An Bord der Rakete befand sich der Satellit GSAT-14, der 23. Kommunikationssatellit der ISRO. Er wiegt 1,98 Tonnen und soll die Kommunikationsmöglichkeiten des Landes verbessern und als Plattform für weitere Tests dienen.
Die GSLV-MK2 besteht aus drei Stufen und ist 49,13 Meter lang. Sie kann entweder mit einer 7,8 Meter langen Nutzlastverkleidung aus Aluminiumlegierung mit einem Durchmesser von 3,4 Metern oder einer 8,7 Meter langen Verkleidung aus karbonfaserverstärktem Verbundstoff mit 4 Meter Durchmesser ausgerüstet werden. Beim Fehlstart kam eine große Verkleidung mit einer Tragefähigkeit von bis zu 2,22 Tonnen Nutzlast zum Einsatz. Beim jetzigen Start wurde die kleinere Verkleidung aus Aluminiumlegierung verwendet, um jedes Risiko zu vermeiden.
Raketenwissenschaft
Zu den zurzeit im Einsatz befindlichen indischen Trägerraketen zählen die GSLV sowie die PSLV (Polar Satellite Launch Vehicle). Die PLSV ist eine vierstufige Rakete mit einer Tragfähigkeit von 1,3 Tonnen. Sie kann pro Start mehrere Satelliten transportieren und hat bereits erfolgreich Mond- und Marssonden ins All gebracht. Bis Ende 2013 absolvierte sie 25 Starts und 23 Missionen mit einer Erfolgsquote von 92 Prozent.
Für den Start vieler indischer Satelliten konnte die PLSV wegen ihrer begrenzten Tragfähigkeit jedoch nicht genutzt werden. Daher begann Indien mit der Entwicklung der GSLV, um 2 Tonnen schwere Kommunikationssatelliten in den geostationären Orbit zu transportieren und Low-Earth-Orbit-Missionen durchzuführen. Es gibt drei Varianten: MK1 und MK2 mit je drei Stufen sowie die zweistufige MK3. Die GSLV absolvierte seit April 2001 acht Starts, davon waren nur drei erfolgreich. Beim jüngsten Start der MK2 setzte die ISRO ihre selbst entwickelte kryogene Oberstufentechnologie ein und konnte so das Kontrollsystem der Rakete verbessern.
Indien hat mit der Entwicklung einer MK3-Trägerrakete begonnen. Sie soll eine größere Tragfähigkeit haben, um der wachsenden Nachfrage des Landes gerecht zu werden. Das Projekt wurde im Geschäftsjahr 2002/2003 bewilligt, der erste Start wurde aber wegen Problemen in der Forschungsphase zur kryogenen Oberstufe auf April 2014 verschoben.
Die geostationäre Lastkapazität der MK3 soll 4 Tonnen betragen. Die Rakete soll in der Lage sein, multiorbitale Starts durchzuführen. Das Projekt könnte Indiens Bedarf nach großen Satelliten und bemannten Weltraummissionen erfüllen. Zudem ist es ein Zeichen für seine Bemühungen, in den Wettbewerb um den kommerziellen Startdienstmarkt einzutreten.
Nach dem Start des GSLV-Projekts in den 1980er Jahren begann Indien mit der Erforschung der kryogenen Antriebstechnologie Da westliche Staaten wie die USA den Technologietransfer verweigerten, traf Indien im Januar 1991 eine Vereinbarung mit der Sowjetunion und kaufte fünf kryogene Triebwerke und die dazugehörige Technologie aus Moskau.
Im April 1992 unterzeichnete Russland auf Druck der USA eine Vereinbarung, die die den Transfer der kryogenen Antriebstechnologie nach Indien untersagte. Russland beendete den Technologietransfer jedoch nie vollständig. Im Juli 1993 verkaufte Moskau zwei weitere Triebwerke nach Indien. Gleichzeitig erforschte Indien die Technologie auf eigene Faust, arbeitete einen Plan für die Raketenoberstufe aus und richtete ein Zentrum für Flüssigkeitsantriebssysteme in Tamil Nadu ein. 20 Jahre später und mit den Erfahrungen aus der russischen kryogenen Oberstufentechnologie konnte Indien im Dezember 2008 einen Testlauf seines selbst entwickelten kyrogenen Triebwerks durchführen. Es hatte die entscheidende und komplizierte Technologie des kryogenen Antriebs gemeistert.
Der erste Testflug der GSLV-MK2 mit der neu entwickelten Technologie scheiterte 2010, da eine Brennstoffpumpe ausfiel. Nach der Analyse des Fehlstarts verbesserte Indien die Pumpe sowie weitere Teile der kryogenen Oberstufe. Im Mai 2012 fand ein Bodentest des verbesserten Triebwerks statt, bei dem es den 200-Sekunden-Testlauf am Zentrum für Flüssigkeitsantriebe der ISRO bestand. Im März und Mai 2013 führte die ISRO Tests in großer Höhe durch, um die Stabilität des Triebwerks zu prüfen.
Projekt Indien
Der erfolgreiche Start im Januar stellt die Leistungsfähigkeit der indischen Technologie unter Beweis und sichert die weitere Entwicklung von Langstreckenraketen. Er liefert ebenso eine technologische Grundlage für die kommende MK3. Indiens künftige Erforschung des Weltalls und bemannte Weltraummissionen stehen vor einem vielversprechenden Beginn.
Die Entwicklung einer eigenen kryogenen Antriebstechnologie kann Indien dabei helfen, sich aus der Abhängigkeit vom Ausland zu lösen, sie reduziert gleichzeitig die Startkosten und verstärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
Nach Angaben der ISRO reduziert der erfolgreiche Start die Abhängigkeit Indiens von ausländischen Trägerraketen wie der europäischen Ariane 5 und ermöglicht niedrigere Startkosten. Mit Hilfe der ausgeklügelten Technik kann das Land zudem mehr Satelliten ins All schicken, seine Weltraumkommunikation verbessern und finanziell profitieren. Indien zahlt normalerweise 85 bis 90 Millionen Dollar für den Start eines 3,5-Tonnen-Satelliten, wenn es ausländische Trägerraketen nutzt. Der jüngste Start kostete nur 35,45 Millionen Dollar.
Indien versucht seit Jahrzehnten, den internationalen Markt der Satellitenstartdienstanbieter zu erobern. Nachdem es 2007 einen italienischen Satelliten auf einer PSLV-Rakete startete, wurde es das fünfte Land, das in der Lage ist, kommerzielle Satelliten ins All zu schicken. Wegen der geringen Tragfähigkeit konnte Indien allerdings nur Low-Earth-Orbit-Satelliten starten. Indiens Entwicklungspläne wurden durch die Abhängigkeit von russischen Triebwerken behindert, die zudem 18 Millionen Dollar pro Mission kosteten. Mit seiner eigenen Antriebstechnologie kann Indien selbst größere Trägerraketen entwickeln und kommt in eine international wettbewerbsfähige Position. Die GSLV-MK2 wird in Indiens Raketenentwicklungsprogramm eine Übergangsrolle spielen. Laut Fünfjahresplan (2012 – 2017) wird die PSLV 17 Missionen, einschließlich Testflügen erfüllen. Zum Vergleich: Bei der GLSV-MK 6 sind es nur sechs. Laut Plan muss Indien für seine Satelliten und künftigen Weltraummissionen Trägerraketen mit einer größeren Lastkapazität entwickeln. Die MK2 ist daher nur ein Übergangsmodell zur Erprobung der kryogenen Oberstufe und dient als Grundlage für die künftige Forschung an der MK3.
Indien hat sich in den letzten Jahren systematische Ziele für sein nationales Weltraumprogramm gesetzt und seinen 12. Fünfjahresplan zur Entwicklung der Raumfahrt und Perspektiven für 2025 bestätigt. Die ehrgeizigen Pläne erfordern die weitere Perfektionierung der Infrastruktur zur Weltraumforschung und die Förderung unabhängiger Raumfahrtkapazitäten.
Gegenwärtig beherrscht Indien die Technologie für Kurz- und Mittelstreckenraketen, die auf einer ausgereiften soliden Antriebstechnologie beruhen. Langstreckenraketen erfordern einen moderneren kryogenen Antrieb. Forschungen zur kryrogenen Oberstufe sind ein wichtiger Schwerpunkt in Indiens 12. Fünfjahresplan. Der aktuelle erfolgreiche Start der GLSV-MK2 ist eine Bestätigung von Indiens Technologie und öffnet die Tür für weitere technologische Entwicklungen wie Raumforschung, den Bau von großen Trägerraketen und bemannte Weltraummissionen.
(Die Autoren sind Wissenschaftler an der China Academy of Launch Vehicle Technology)
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